Die arabische Airline Etihad steigt groß bei Air Berlin ein und hilft der angeschlagenen zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft auch finanziell.

Berlin. Neue Hoffnung für Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft: Die arabische Fluggesellschaft Etihad steigt im großen Stil bei Air Berlin ein. Mit 29,2 Prozent der Anteile sollen die Araber größter Einzelaktionär werden und in den Aufsichtsrat des Lufthansa-Konkurrenten einziehen, wie Air Berlin am Montag mitteilte. Beide Gesellschaften wollen auch im eigentlichen Geschäft zusammenarbeiten.

„Das ist ein Leuchtturm in der Luftfahrtgeschichte“, sagte Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn. Etihad-Chef James Morgan fügte hinzu: „Die Gelegenheit war sicherlich einzigartig.“ Die Araber versprechen sich von ihrem Engagement den Einstieg in den europäischen Markt. Air Berlin hofft nach den Verlusten der vergangenen Jahre auf zusätzliche Sparmöglichkeiten von bis zu 40 Millionen Euro im nächsten Jahr.

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Außerdem verschaffen die Araber den Deutschen finanziell Luft. Die hoch verschuldete Airline kann bei Etihad in den nächsten fünf Jahren Darlehen bis zu einer Gesamthöhe von 255 Millionen US-Dollar (195 Mio Euro) aufnehmen – zu welchem Zinssatz, blieb am Montag offen. Die Berliner mussten für ihre Anleihen zuletzt 11,5 Prozent bieten. Beide Seiten wollen im ersten Quartal den vollzogenen Einstieg melden, wenn die Kartellbehörden zustimmen.

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Die Air-Berlin-Aktie legte bis zum Nachmittag um gut 8,2 Prozent auf 2,50 Euro zu. Bereits am Freitag war die Aktie mit einem klaren Plus aus dem Handel gegangen. Auf dem Schlusskurs der vergangenen Woche beruht auch der Übernahmepreis: Etihad soll 2,31 Euro je Air-Berlin-Aktie bezahlen – was einem Kaufpreis von knapp 73 Millionen Euro entspricht. Die Araber waren Anfang des Jahres mit zunächst 2,9 Prozent bei Air Berlin eingestiegen.

Eine Komplettübernahme steht nicht auf dem Plan: Der neue Großaktionär verpflichtete sich, seinen Anteil für mindestens zwei Jahre zu behalten, keine zusätzlichen Aktien zu kaufen und kein Übernahmeangebot abzugeben. „Wir haben kein Interesse an einem größeren Anteil, weder in zwei, in vier, noch in zehn Jahren“, sagte Hogan. Auf schnelle Gewinne spekuliert Hogan bei der verlustreichen Air Berlin weniger: „Unsere Investition ist ein langfristiges Bekenntnis“, sagte Hogan. Der Aufsichtsrat von Air Berlin hatte den Einstieg laut Mehdorn Sonntagnacht einstimmig gebilligt. Etihad hat in dem Aufsichtsgremium künftig zwei Sitze.

Bislang ist Air Berlin auf Schrumpfkurs: Die Flotte wird bis Ende kommenden Jahres von 170 auf 152 Maschinen reduziert, unrentable Verbindungen werden gestrichen. Mehdorn sagte, Air Berlin werde seinen Kurs beibehalten und sowohl Geschäftsleute als auch Touristen fliegen. Am laufenden Sparprogramm gebe es keine Abstriche, es werde wenn nötig sogar verschärft. „Mit unserer Partnerschaft ist keine weiche Couch ins Zimmer gestellt worden. Die harte Arbeit geht weiter“, sagte Mehdorn, der die Führung des Konzerns nach dem Rücktritt des Unternehmensgründers Joachim Hunold im September übernommen hatte.

Hogan sagte: „Sie sind Kämpfer, wir sind Kämpfer, und gemeinsam werden wir gewinnen.“ Abu Dhabi soll für Air Berlin nun der neue Anknüpfungspunkt für Flüge nach Asien und Australien werden, direkte Verbindungen wie nach Bangkok fallen weg. Geplant seien pro Woche 29 Verbindungen der rot-weißen Maschinen zwischen Deutschland und Abu Dhabi. Im nächsten Jahr sollen es 42 sein. Air Berlin will die Kräfte mit den Arabern auch im sogenannten Codesharing bündeln. Dabei kann man bei jeder der beiden Fluggesellschaften die Flüge der jeweils anderen buchen. Auch im Einkauf und beim Vielfliegerprogramm wollen beide Unternehmen zusammenarbeiten. „Wir agieren wie eine Airline“, sagte Mehdorn. Für Etihad ist der Einstieg bei Air Berlin laut Hogan die erste Beteiligung an einer anderen Fluggesellschaft.

Am geplanten Beitritt zum Luftfahrtbündnis Oneworld hält Air Berlin trotz des Einstiegs von Etihad fest. Bis Frühling 2012 solle der Beitritt vollzogen sein, hieß es in der Mitteilung. In dem Bündnis bietet Air Berlin die eigenen Flüge dann zusammen mit Partnern wie British Airways, Iberia und American Airlines an. Mitglied ist auch die australische Fluglinie Quantas, die zum Teil mit Etihad konkurriert. Mehdorn sagte: „Ich kann nicht ausschließen, dass es in der Oneworld-Gruppe den einen oder anderen gibt, der das Thema emotional sieht.“ Er werde dann in Gesprächen klar machen, dass auch die Gruppe von einer gestärkten Air Berlin profitiere.

Eine mögliche Prüfung des Geschäfts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sieht Mehdorn gelassen. Eine Etihad-Sprecherin wies den Vorwurf zurück, ihr Unternehmen habe die Kapitalmärkte vor zwei Wochen mit einem Dementi in die Irre geführt. Nach Worten der Sprecherin hat Etihad damals auf Fehler in einem Bericht über einen bevorstehenden Einstieg bei Air Berlin hingewiesen, jedoch auch erwähnt, dass man immer mit anderen Airlines spreche. Die genaue Formulierung habe sie nicht in Erinnerung, sagte die Sprecherin. Etihad Chef James Hogan sagte: „Wir führen unsere Verhandlungen nicht über Zeitungen.“

Scheichs retten setzen Europas Fluglinien unter Druck

Europas Fluggesellschaften müssen sich im kommenden Jahr warm anziehen. Mit dem neuen deutsch-arabischen Bündnis kommt auch neue Konkurrenz für Lufthansa & Co.: Die Araber erhalten dank Air Berlin endlich den langersehnten Anschluss zu zig Flughäfen in Europa.

Für Europas Fluggesellschaften sieht es im kommenden Jahr düster aus. Auf 600 Millionen US-Dollar schätzt die Weltluftfahrt-Organisation IATA die Verluste für den positiven Fall, dass die Politik den Euro rettet und eine veritable Bankenkrise ausbleibt. Sollte sich die Krise allerdings ausweiten, rechnet IATA-Chefökonom Brian Pearce sogar mit Verlusten in mehrfacher Milliardenhöhe. „Der Wirtschaftsabschwung wird die Billigflieger ebenso treffen wie die klassischen Linienfluggesellschaften“, sagte Pearce Anfang Dezember in Genf. Und: Nirgendwo dürfte die Krise so stark zuschlagen wie in Europa.

Keine Frage, dass sich Air Berlin für diesem Fall wappnen musste. Seit Jahren fliegt die rot-weiße Fluglinie in den roten Zahlen. Selbst als der europäische Marktführer Lufthansa und Billigfluggesellschaften wie Ryanair dicke Gewinne schrieben, gewann Air Berlin nicht an Höhe. Zuletzt schleppte das Unternehmen, das weder Billigflieger noch klassischer Linienflieger sein will, einen Schuldenberg von fast 650 Millionen Euro mit sich herum. Das ist rund dreimal so viel, wie die Fluglinie an der Börse wert ist. Und in der Krise führen solche Lasten leicht zum wirtschaftlichen Absturz.

Für die Scheichs aus dem Emirat Abu Dhabi ist das finanzielle Leichtgewicht Air Berlin eine billige Beute. Mit rund 73 Millionen Euro kostet sie das ganze Aktienpaket weniger als ein einziges Mittelstreckenflugzeug von Boeing oder Airbus, von denen Air Berlin eine dreistellige Zahl betreibt. Außerdem spendiert Etihad einen dicken Kredit, der über fünf Jahre läuft. Doch der strategische Vorteil für die Araber könnte immens sein. „Deutschland ist ein wichtiger Markt, und Air Berlin ist auch in Österreich, der Schweiz und Spanien gut vertreten“, schwärmt Etihad-Chef James Hogan. „Solch eine Präsenz könnten wir alleine nie so schnell erreichen.“

Wenn die Zusammenarbeit wie geplant funktioniert, können die Araber ihren Kunden ab dem kommenden Jahr über ihr Drehkreuz Abu Dhabi Flugverbindungen aus Asien, Australien oder Nordamerika hin zu Zielen wie Nürnberg, Berlin oder direkt zu den Stränden von Palma de Mallorca anbieten. Das Streckennetz von Air Berlin macht es möglich. Umgekehrt können Air-Berlin-Kunden die Langstreckenflüge von Etihad nutzen.

Genau das ist der Vorteil, den die hiesigen Branchengrößen wie die Lufthansa ihren Konkurrenten aus den Golfstaaten bislang nicht gönnen. „Die Golfcarrier setzten Passagier- und Frachterlöse in den Kernmärkten unter Druck“, analysierte Lufthansa-Chef Christoph Franz erst im Herbst. Fluglinien wie Emirates, Qatar Airways und Etihad machen Europas größter Fluggesellschaft vor allem auf der sonst so lukrativen Langstrecke zu schaffen.

Bislang konnte die Lufthansa wie andere europäische Gesellschaften mit ihrem Zubringernetz in Europa gegenhalten, das Emirates und den anderen fehlt. Dieser Vorteil dürfte nun schrumpfen. „Der Einstieg von Etihad ist auch eine Kampfansage an die Lufthansa“, sagt ein Brancheninsider. Bislang hätten die Golf-Gesellschaften die Beteiligung an anderen Fluglinien abgelehnt. „Jetzt ist das ja quasi die Verstaatlichung von Air Berlin durch die Hintertür.“ Denn hinter Etihad steht niemand anderes als das Emirat Abu Dhabi.

Europas Fluggesellschaften droht angesichts der neuen Konkurrenz ein noch härterer Start ins nächste Jahr, als ohnehin zu erwarten war. Die Lufthansa hat bereits einen schärferen Sparkurs angekündigt, auch bei Air France-KLM zeichnen sich neue Sparmaßnahmen ab. „Der Himmel verdüstert sich weiter“, sagt einer aus der Branche. Bei Air Berlin, vor kurzem noch als Pleite-Kandidat gehandelt, dürfte das Licht allerdings auf lange Sicht erst einmal nicht ausgehen. (dpa/abendblatt.de)