Nachdem Gründer Joachim Hunold seinen Rücktritt als Vorstandsvorsitzender der Fluglinie angekündigt hat, soll der ehemalige Bahnchef Hertmut Mehdorn Air Berlin interimsmäßig führen.
Frankfurt. Zweieinhalb Jahre nach seinem Rücktritt als Vorstandsvorsitzender der Bahn könnte Hartmut Mehdorn auf die große Unternehmensbühne zurückkehren. Ab 1. September soll der 69-Jährige interimsmäßig Air Berlin führen, nachdem der Gründer der Fluggesellschaft, Joachim Hunold, am Donnerstag zu diesem Termin seinen Rücktritt als Vorstandschef angekündigt hat. Als Nachfolger schlug Hunold Mehdorn vor, der seit 2009 im Aufsichtsrat von Air Berlin sitzt. Das erklärte das Unternehmen in Berlin.
Mehdorn sei dazu bereit, doch über diese Lösung müsse der Verwaltungsrat noch entscheiden, sagte Hunold. Mehdorn gehört bereits dem Im sogenannten Board of Directors von Air Berlin war Mehdorn bisher ohne operative Aufgaben. Auf eine solche Rolle will sich nun der 61-jährige Hunold zurückziehen.
Für den 2009 als Bahn-Chef zurückgetretenen Mehdorn erfüllt sich mit Hunolds Vorschlag spät ein Traum: Er hatte nie ein Hehl aus seiner Vorliebe für die Fliegerei gemacht. Oft war die Lufthansa für ihn das Vorbild für die Bahn. Doch sein Plan, dort ein Preissystem analog zur Luftfahrt zu schaffen, scheiterte.
Die Börse reagierte positiv auf die neue Entwicklung. Die Air-Berlin-Aktie drehte nach Hunolds Ankündigung ins Plus und legte binnen Minuten um 4,4 Prozent zu, fiel dann aber wieder zurück. Air Berlin hatte nach Jahren der Expansion und hohen Verlusten zuvor beschlossen, sein Streckennetz auszudünnen.
Seinen bevorstehenden Rücktritt teilte Hunold am Donnerstag in einer Telefonkonferenz in Berlin mit. Der Schritt stehe noch unter dem Vorbehalt, dass der Verwaltungsrat (Board of directors) zustimmt. Diese Sitzung werde am Donnerstag oder Freitag stattfinden. Air Berlin ist eine Aktiengesellschaft (plc) nach britischem Recht.
Hunold sagte, er habe für sich entschieden, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel an der Air-Berlin-Spitze gekommen sei. Ein Nachfolger können nun „unbelastet“ den eingeleiteten Sparkurs fortsetzen. Air Berlin hatte auch im zweiten Quartal einen Verlust geschrieben. Das Unternehmen kündigte Einschnitte ins Streckennetz an und will seine Flotte verkleinern.
Nach jahrelanger Expansion und hohen Verlusten geht Air Berlin auf Schrumpfkurs. "Um profitabel zu werden, müssen wir Einschnitte in unser Streckennetz und in unserer Flotte vornehmen“, sagte der Noch-Air-Berlin-Chef Joachim Hunold am Donnerstag. Unrentable Verbindungen wie die von Frankfurt nach Hamburg oder Stuttgart-St. Petersburg sollen wegfallen. In erster Linie betreffe das Sparprogramm aber kleinere Flughäfen wie Münster/Osnabrück, Köln/Bonn oder Paderborn, von den künftig weniger Air-Berlin-Maschinen starten. Erfurt fällt komplett aus dem Streckennetz.
Gleichzeitig wird die Flotte um acht Flugzeuge verkleinert. Gegenüber der bisherigen Planungen will die Airline ihre Kapazitäten damit um fünf Prozent reduzieren – 2012 sollen gut 16.000 Flüge und rund 2,2 Millionen Sitzplätze wegfallen. Air Berlin will sich auf stark frequentierte Strecken und seine vier europäischen Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Wien und Palma de Mallorca konzentrieren. Vor allem die beiden deutschen Airports sind wichtig – von ihnen bietet die Fluglinie Langstreckenflüge an. Zubringerflüge aus Deutschland und Europa sollen dafür sorgen, dass die großen Interkontinental-Maschinen dort auch voll werden. "Unsere Drehkreuze funktionieren bereits, und wir bauen sie weiter aus“, sagte Hunold.
Schwarze Zahlen sind trotz der Maßnahmen nicht in Sicht: Im laufenden Geschäftsjahr werde Air Berlin operativ "wohl noch nicht in die Gewinnzone zurückkommen“, sagte Hunold. Für die Turbulenzen macht Deutschlands zweitgrößte Airline nach der Lufthansa den hohen Ölpreis, die neue Luftverkehrssteuer und die Unruhen in Nordafrika verantwortlich. Nach Einschätzung von LBBW-Analyst Per-Ola Hellgren haben diese Faktoren das Geschäftsmodell der Airline zerstört. Das vorgestellte Programm erscheine auf den ersten Blick vernünftig, jedoch müsse abgewartet werden, wie es sich auswirke. Die im SDax gelistete Aktie fiel um 2,4 Prozent auf 2,50 Euro.
Air Berlin hatte im zweiten Quartal einen Fehlbetrag von 32 Millionen Euro nach 28 Millionen Euro Verlust ein Jahr zuvor eingeflogen. Gleichzeitig stieg der Schuldenstand bis Ende Juni auf 616 Millionen Euro von 493 Millionen Euro.
Das ist Hartmut Mehdorn
1942 wird Hartmut Mehdorn in Berlin als Sohn eines Fabrikanten geboren. Er studiert Maschinenbau und wird Hauptmann der Reserve bei der Bundesluftwaffe.
1965 beginnt er als Manager beim Bremer Flugzeughersteller Focke-Wulf. In den späteren "Vereinigten Flugtechnischen Werken" (VWF) arbeitet Mehdorn an der Entwicklung des ersten deutschen Zivil-Jets mit.
1979 gelangt er über VWF und Messerschmitt-Bölkow-Blohm in den Vorstand der Holding Airbus Industrie in Toulouse. 1989 wird er Chef der Deutschen Airbus GmbH in Hamburg, 1992 rückt er in den Vorstand der Daimler-Benz-Flugzeugtochter Dasa ein.
1995 verlässt Mehdorn Airbus und Dasa, enttäuscht darüber, dass er nicht Nachfolger von Jürgen Schrempp als Chef der Daimler-Flugzeugsparte geworden ist. Er übernimmt die Führung von Heidelberger Druckmaschinen.
1999 holt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Mehdorn als Chef zum Staatskonzern Deutsche Bahn. Mehdorn löst den früheren Staatssekretär Johannes Ludewig ab. Er strukturiert die Bahn um und baut den Konzern zum internationalen Transportdienstleister aus. Der geplante Börsengang scheitert im Herbst 2008.
2009 tritt Hartmut Mehdorn als Bahnchef zurück
Mehdorn ist mit einer Französin verheiratet und hat drei Kinder. Er erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande. (rtr/dapd)