Vorstandschef Joachim Hunold tritt zurück, Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn soll Nachfolger bei der zweitgrößten deutschen Airline werden.

Frankfurt. Der Vorstandsvorsitzende der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin, Joachim Hunold, legt sein Amt nieder. Wie das Unternehmen am Donnerstag nach der Ankündigung eines drastischen Sparprogramms mitteilte, soll der frühere Bahn-Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn Interimsnachfolger werden. Hunold tritt zum 1. September zurück. Er sei zu der Überzeugung gekommen, dass ein Führungswechsel das jetzt eingeleitet Sparprogramm nur beschleunigen könne, wird Hunold in der Mitteilung zitiert.

Der Manager wolle der Gesellschaft weiterhin als Non-Executive Director verbunden bleiben, hieß es weiter. Sein Nachfolger Mehdorn ist bereits Mitglied des Board of Directors der Gesellschaft. Air Berlin ist eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht und seit Mai 2006 börsennotiert. Hunold hatte Air Berlin 1991 übernommen.

Nach jahrelanger Expansion und hohen Verlusten geht Air Berlin auf Schrumpfkurs. „Um profitabel zu werden, müssen wir Einschnitte in unser Streckennetz und in unserer Flotte vornehmen“, sagte der Noch-Air-Berlin-Chef Joachim Hunold am Donnerstag. Unrentable Verbindungen wie die von Frankfurt nach Hamburg oder Stuttgart-St. Petersburg sollen wegfallen. In erster Linie betreffe das Sparprogramm aber kleinere Flughäfen wie Münster/Osnabrück, Köln/Bonn oder Paderborn, von den künftig weniger Air-Berlin-Maschinen starten. Erfurt fällt komplett aus dem Streckennetz.

Gleichzeitig wird die Flotte um acht Flugzeuge verkleinert. Gegenüber der bisherigen Planungen will die Airline ihre Kapazitäten damit um fünf Prozent reduzieren – 2012 sollen gut 16.000 Flüge und rund 2,2 Millionen Sitzplätze wegfallen. Air Berlin will sich auf stark frequentierte Strecken und seine vier europäischen Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Wien und Palma de Mallorca konzentrieren. Vor allem die beiden deutschen Airports sind wichtig – von ihnen bietet die Fluglinie Langstreckenflüge an. Zubringerflüge aus Deutschland und Europa sollen dafür sorgen, dass die großen Interkontinental-Maschinen dort auch voll werden. „Unsere Drehkreuze funktionieren bereits, und wir bauen sie weiter aus“, sagte Hunold.

Schwarze Zahlen sind trotz der Maßnahmen nicht in Sicht: Im laufenden Geschäftsjahr werde Air Berlin operativ „wohl noch nicht in die Gewinnzone zurückkommen“, sagte Hunold. Für die Turbulenzen macht Deutschlands zweitgrößte Airline nach der Lufthansa den hohen Ölpreis, die neue Luftverkehrssteuer und die Unruhen in Nordafrika verantwortlich. Nach Einschätzung von LBBW-Analyst Per-Ola Hellgren haben diese Faktoren das Geschäftsmodell der Airline zerstört. Das vorgestellte Programm erscheine auf den ersten Blick vernünftig, jedoch müsse abgewartet werden, wie es sich auswirke. Die im SDax gelistete Aktie fiel um 2,4 Prozent auf 2,50 Euro.

Air Berlin hatte im zweiten Quartal einen Fehlbetrag von 32 Millionen Euro nach 28 Millionen Euro Verlust ein Jahr zuvor eingeflogen. Gleichzeitig stieg der Schuldenstand bis Ende Juni auf 616 Millionen Euro von 493 Millionen Euro.

Das ist Hartmut Mehdorn

1942 wird Hartmut Mehdorn in Berlin als Sohn eines Fabrikanten geboren. Er studiert Maschinenbau und wird Hauptmann der Reserve bei der Bundesluftwaffe.

1965 beginnt er als Manager beim Bremer Flugzeughersteller Focke-Wulf. In den späteren "Vereinigten Flugtechnischen Werken" (VWF) arbeitet Mehdorn an der Entwicklung des ersten deutschen Zivil-Jets mit.

1979 gelangt er über VWF und Messerschmitt-Bölkow-Blohm in den Vorstand der Holding Airbus Industrie in Toulouse. 1989 wird er Chef der Deutschen Airbus GmbH in Hamburg, 1992 rückt er in den Vorstand der Daimler-Benz-Flugzeugtochter Dasa ein.

1995 verlässt Mehdorn Airbus und Dasa, enttäuscht darüber, dass er nicht Nachfolger von Jürgen Schrempp als Chef der Daimler-Flugzeugsparte geworden ist. Er übernimmt die Führung von Heidelberger Druckmaschinen.

1999 holt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Mehdorn als Chef zum Staatskonzern Deutsche Bahn. Mehdorn löst den früheren Staatssekretär Johannes Ludewig ab. Er strukturiert die Bahn um und baut den Konzern zum internationalen Transportdienstleister aus. Der geplante Börsengang scheitert im Herbst 2008.

2009 tritt Hartmut Mehdorn als Bahnchef zurück

Mehdorn ist mit einer Französin verheiratet und hat drei Kinder. Er erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande. (rtr/dapd)