Toyota-Deutschland-Chef Toshiaki Yasuda über die Philosophie des japanischen Autobauers und die Bedeutung der Kunden hierzulande.

Frankfurt. Millionenfache Rückrufe und eine gewisse Ernüchterung bei alternativen Antrieben haben den Glanz des japanischen Herstellers Toyota verblassen lassen. Dazu kommt die Natur- und Atomkatastrophe in Japan, die die Produktion der gesamten Industrie für Monate lahmgelegt hatte. Können die Japaner dennoch den Wettbewerb mit Volkswagen und General Motors um den Titel des größten Autoherstellers der Welt für sich entscheiden? Wie gewinnen die Kunden angesichts der Negativschlagzeilen das Vertrauen in die Marke zurück? Und welches sind die besonderen Herausforderungen für Toyota in Deutschland, dem Geburtsland des Automobils? Das Abendblatt sprach darüber auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt mit Toshiaki Yasuda, 50, Präsident Toyota Deutschland.

Hamburger Abendblatt: Herr Yasuda, für Sie ist diese IAA die erste große Messe nach der Erdbeben-Katastrophe in Japan. Wie hat sich für Sie seither der Blick auf die Welt verändert?

Toshiaki Yasuda: Ich war noch im August in Japan. Dort ist nun eine große Diskussion um die Art der Energieversorgung entbrannt. Ich persönlich bin inzwischen - wie die Mehrheit der Japaner - gegen die Atomkraft, weiß aber nicht genau, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, auszusteigen. Denn im Grunde brauchen wir weiter die Kernenergie. Wegen der Insellage und weil wir keinen Strom von unseren Nachbarn importieren können. Bei Toyota als Industriekonzern ist es uns wichtig, eine zuverlässige Stromversorgung zu niedrigen Kosten zu haben.

Auch in Japan dürfte die Technikgläubigkeit nach der Katastrophe stark gelitten haben. Wie steht es um das Selbstverständnis der Japaner als Bürger einer der führenden Industrienationen?

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Yasuda: Wir sind immer noch sicher, dass japanische Technologien eine führende Rolle in der Welt einnehmen. Allerdings ist es nun wichtig einzusehen, dass auch ein ganz kleines Risiko große Folgen haben kann. Solche Risiken darf man nicht eingehen.

Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat vor einigen Tagen Zweifel daran geäußert, dass sich Elektrofahrzeuge jemals durchsetzen könnten. Auch bei Toyota sprach man daraufhin wenig euphorisch vom "Hype" um E-Mobile.

Yasuda: Wir beschreiten bei den alternativen Antrieben vier Wege: Wir setzen auf den Vollhybrid, auf Plug-in-Hybride, die sich an der Steckdose aufladen lassen, auf Elektrofahrzeuge und die Brennstoffzellen-Technologie. Bei Elektrofahrzeugen kann man allerdings auch anzweifeln, ob sie überhaupt dem Kundenwunsch entsprechen.

Inwiefern?

Yasuda: Die meisten Autofahrer wollen einen großen Kofferraum und überhaupt viel Platz im Auto, etwa für den Urlaub mit der Familie. Das ist bei Elektroautos, bei denen eine Menge Stauraum für die Batterie benötigt wird, schwierig. Zudem wird ein Elektroauto ohne staatliche Subventionen zu teuer für die meisten Kunden sein.

Früher waren Toyota-Modelle mit Hybrid-Antrieb die Stars auf der IAA, damit ist der Konzern heute einer unter vielen. Hinzu kommt, dass auf wichtigen Märkten die Nachfrage nach Toyota gering ist.

Yasuda: Wir empfinden es im Gegenteil sogar als Vorteil, dass sich die Hybride auch bei anderen Herstellern durchsetzen. Früher war die Technologie insbesondere für die europäischen Kunden unbekanntes Terrain, auf das sich kaum jemand gewagt hat, es bestand eine Scheu, einen Hybrid zu kaufen.

Und wie setzen Sie sich von der Konkurrenz ab?

Yasuda: Wir bieten im Prius die beste Verbindung zwischen niedrigem Verbrauch und Kraftentfaltung. Außerdem sind unsere Hybridfahrzeuge die günstigsten im Markt, den Toyota Auris in der Golf-Klasse bieten wir ab 22.950 Euro an. Im Moment versuchen wir die sehr konservativen Taxifahrer in Deutschland als Kunden für Hybridfahrzeuge zu gewinnen. Wer einmal im Hybrid-Taxi gefahren ist und spürt, wie einfach so ein Auto zu fahren ist, wird sich bestimmt leichter vom Kauf eines Hybrid-Toyotas überzeugen lassen.

Toyota liefert sich seit Längerem mit General Motors und VW einen Kampf um die Nummer eins bei den Autobauern. Sie wurden wegen der Produktionsausfälle nach der Katastrophe in Japan nun beim Absatz wieder ausgebremst. Warum ist dieser Titel eigentlich so wichtig?

Yasuda: Für uns ist es nicht das Ziel, weltgrößter Autohersteller zu sein. Unser Ziel ist es, die Nummer eins bei der Zufriedenheit der Kunden zu sein. In Japan sind und waren wir immer schon der größte Anbieter. In den USA zweit- bis drittgrößter Hersteller. In Deutschland rangieren wir hinter den deutschen Marken und liegen teilweise hinter den Franzosen. Die Autokulturen sind in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Wenn wir es überall schaffen, die zufriedensten Kunden zu haben, werden wir in der Konsequenz auch größter Anbieter sein. Wir würden froh darüber sein, doch unser erklärtes Ziel ist dies nicht.

Die zahlreichen Rückrufe bereits seit 2007, die Berichte über klemmende Gaspedale und defekte Bremsen beschädigen das Image Ihrer Marke. Worauf führen Sie die Qualitätsmängel zurück?

Yasuda: Bei den Rückrufen agieren wir anders als andere Hersteller. Es ist unsere Philosophie, bereits beim kleinsten Risiko einzugreifen - und nicht zu warten, bis die Autofahrer selber in die Werkstatt fahren.

Kaizen heißt die japanische Lehre von der ständigen Verbesserung aller Dinge. Die Rückrufe nähren in Europa allerdings eher den Verdacht, dass die Verarbeitung bei Toyota schlechter wird.

Yasuda: Es ist in der Tat schwierig, diese Philosophie in der ganzen Welt umzusetzen und sie den Kunden begreiflich zu machen. Besonders problematisch ist das in Deutschland. Aber deshalb reden wir ja jetzt auch darüber (lacht).

Der Gewinn bei Toyota ist im zweiten Quartal eingebrochen. Der starke Yen drückt auf den Ertrag, weil Sie einen Großteil der Autos in Japan produzieren. Planen Sie neue Werke in Europa?

Yasuda: Nein. Wir haben in unseren Werken in Europa, etwa in Großbritannien, Frankreich, Tschechien und der Türkei noch Kapazitäten. Drei Viertel der Fahrzeuge für den deutschen Markt kommen bereits aus diesen Fabriken, nur ein Viertel aus Japan. Und auch wenn es kurzfristig wegen des Wechselkurses günstiger wäre, mehr Autos im Ausland zu fertigen, für uns als Arbeitgeber in Japan wäre dies nicht so gut.

Sie wollen aber auch Ihre Autos stärker an regionale Bedürfnisse anpassen. Der Toyota Etios für den indischen Markt hat etwa eine Aussparung auf dem Armaturenbrett für eine Statue des Elefantengottes Ganesha. Welche Besonderheit planen Sie für deutsche Autofahrer?

Yasuda: Wir versetzen uns bei der Entwicklung immer in die Lage der deutschen Käufer. Sie sind die Benchmark, weil sie weltweit die höchsten Ansprüche an ein Auto stellen. Besonders bei der Verarbeitung im Innenraum und beim Design. Können wir mit einem Modell die deutschen Kunden überzeugen, ist es reif für die ganze Welt.