VW Nils, Opel Rak-e oder Audi Urban Concept – die Stadtflitzer stehen im Rampenlicht der IAA. Die Zukunft der Autos liegt in kleinen Wagen.
Frankfurt/Main. Die Kleinen kommen – und zwar gewaltig. Ob der VW-Kleinwagen Up, die neue Kompaktwagenfamilie von Mercedes-Benz oder die wachsende Modellpalette beim Mini – die deutschen Hersteller haben kleinere Fahrzeuge für sich entdeckt. Und das nicht ohne Grund: Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young liegt das größte Wachstumspotenzial bei Kleinwagen. „Auf dieser IAA werden kleine Autos große Schlagzeilen machen“, sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber bei der Präsentation der hauseigenen Stadtwagenmarke Smart.
Gleichzeitig verkaufen sich aber im Moment vor allem die großen Schlitten hervorragend. Von einem Verlust der Mitte sprechen Experten. Einen ordentlichen Schub bekommen die kleineren Fahrzeuge durch die Wende zum elektrischen Fahren. Batteriebetriebene E-Autos müssen leicht und daher eher klein sein, um mit einer Stromladung möglichst weit fahren zu können.
„Anders als in der Vergangenheit werden Innovationen über die Kleinwagen eingeführt“, sagt Hans-Gerhard Seeba, Professor für Automobilwirtschaft an der FH Braunschweig/Wolfenbüttel. Bislang war das genau umgekehrt: In den Genuss der teuren technischen Neuerungen wie Fahrerassistenzsysteme oder neue Einspritztechnologien kamen erst Fahrer von Oberklasse-Modellen. Erst mit Verzögerung bei entsprechendem Volumen wurden sie nach unten durchgereicht.
Dass klein nicht billig bedeuten muss, gilt schon seit BMW vor zehn Jahren die britische Marke Mini wiedererstehen ließ. „Für manche Kunden spielt der Preis eher eine untergeordnete Rolle“, sagt Götz Klink Automobilexperte beim Beratungsunternehmen A.T. Kearney. „Sie wollen einfach einen Hingucker mit einem schicken Image fahren.“ Trotzdem stimmt weiterhin: Mit großen Wagen lässt sich mehr Geld verdienen als mit kleinen, sind sich die Experten einig. „Insofern stellt das Kleinwagensegment enorme Herausforderungen an die Automobilhersteller“, sagt Professor Seeba.
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Den Herstellern bleibt aber keine Wahl: „Wer ein Mengenwachstum will, kommt an den Segmenten der Klein- und Kompaktwagen nicht vorbei“, betont der Autoexperte. Denn in den übrigen Klassen ist die Fahrzeugpalette der Hersteller schon ausgereizt. „In der Vergangenheit waren sie schon sehr erfolgreich, das Fahrzeugangebot in der Mittelklasse aufzufächern und zusätzlich SUVs in allen Größen anzubieten“, sagt Ulrich Winzen, Chef-Analyst des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Polk.
Schließlich will auch nicht jeder, der es sich leisten könnte, einen großen Wagen fahren. „In einigen Bevölkerungsgruppen nimmt die Bedeutung, sich über ein großes Auto zu definieren, ab“, sagt Klink. Auch gibt es ganz praktische Erwägungen: Wer viel in der Innenstadt unterwegs und ständig auf Parkplatzsuche ist, greift gern zum Kleinwagen. „So wollen auch viele Kunden von Premiummarken gerne ein kleineres Auto fahren“, sagt Seeba. Die etablierten Modellreihen werden aber von Generation zu Generation größer, meint Winzen. Auch die auf der IAA vorgestellte neue Generation des BMW 1ers ist wieder einmal gewachsen. Die dadurch am unteren Ende des Spektrums entstandene Lücke wollen die Bayern bald mit einer ganz neuen Modellreihe frontgetriebener Wagen füllen.
Die High-Tech-Kleinwagen aus deutscher Produktion haben dabei nicht viel mit den Billig-Autos für die Massenmotorisierung in den Schwellenländern zu tun. Einzig Volkswagen beschreitet einen Sonderweg: Die Wolfsburger planen von dem für knapp 10 000 Euro in Deutschland angebotenen Kleinwagen Up auch eine Version für den indischen Markt. Von Audi, BMW oder Mercedes-Benz werde es dagegen kein Einstiegsmodell für die Wachstumsmärkte geben, glaubt Winzen: „Dazu ist das gute Image der Marken viel zu wertvoll.“