Der Schuldendeal von US-Präsident Obama wurde im Abgeordnetenhaus angenommen. China kritisiert die Pläne allerdings als halbherzig

Washington. Zwar kann Amerika nach dem ersten Schuldendeal wieder aufatmen, doch die Märkte in Asien und Europa bleiben skeptisch. „Auch wenn die USA vorerst die globale Finanzkrise 2.0 umschifft haben, kommen sie um weitere Einschnitte bei den Staatsausgaben nicht herum“, sagte etwa Analyst Joseph Capurso von der Commonwealth Bank in Sydney. Dies trübe die weiteren Wachstumsaussichten. Zusammen mit den schwachen Konjunkturdaten erhöhe dies den Druck auf die US-Notenbank, mit weiteren Maßnahmen die Wirtschaft zu stützen. Auch in China gab es Vorbehalte, was die Einigung im US-Schuldenstreit betrifft. Zwar hielt sich die Regierung in Peking mit einer offiziellen Stellungnahme zurück. In den Staatsmedien wurde der Kompromiss aber als halbherzig kritisiert. „Zwar haben die USA die Zahlungsunfähigkeit nun praktisch verhindert, aber ihre Schuldenprobleme sind weiterhin ungelöst“, urteilte die Zeitung „Renmin Ribao“, das Zentralorgan der KP. Das Problem sei im Endeffekt nur aufgeschoben worden. Es sei damit zu rechnen, dass der Schuldenberg der USA weiter anwachse. „Dies wirft einen Schatten auf die Erholung der US-Konjunktur und erhöht auch die Gefahren für die Weltwirtschaft.“

Dennoch: In Amerika überwiegt zunehmend die Freude darüber, dass eine Staatspleite vorerst abgewendet wurde. Amerika hat sich für eine Erhöhung der Schuldengrenze ausgesprochen, ein entsprechender Kompromiss von US-Präsident Obama mit seinen Demokraten und den Republikanern passierte in der Nacht zum Dienstag das US-Abgeordnetenhaus. Es war eine Rettung in buchstäblich letzter Minute. Wäre das Gesetz gescheitert, wären die Vereinigten Staaten zahlungsunfähig geworden. Das heißt praktisch: Es hätten weder Löhne noch Sozialleistungen ausgezahlt werden können. Die Zahlungsunfähigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt hätte auch unabsehbare Folgen für die Finanzmärkte gehabt. Zudem hätten die Ratingagenturen die Bonität Amerikas auf einen Schlag herabsetzen müssen - tiefer noch als Greichenland. Der Schuldenkompromiss von Demokraten und Republikanern also war kein gemeinschaftliches politisches Projekt - es war eine politische Verlegenheitslösung und eine Entscheidung der Vernunft.

Fast alle Gremien wurden nun passiert, es fehlt nur noch die Zustimmung des Senats, der am Dienstag gegen 18.00 Uhr MESZ entscheidet. Beobachter gehen klar davon aus, dass es zu keinen Schwierigkeiten kommen wird. Die Ängste lagen eher beim Votum im Abgeordnetenhaus, wo Mitglieder der radikalkonservaiven Tea-Party den Kompromiss noch hätten scheitern lassen können. Sollte der Senat heute Abend zustimmen, kann Präsident Barack Obama das Gesetz unterzeichnen, durch das die Schuldenobergrenze angehoben werden und das Land weiter seine Rechnungen bezahlen kann.

Das Abgeordnetenhaus hatte die Vorlage mit 269 zu 161 Stimmen gebilligt. Ganz ohne den erwarteten Widerstand kam es allerdings nicht zu einer Abstimmung. Doch nicht nur der radikale rechte Flügel der Republikaner, sondern auch die linken Demokraten gingen auf Konfrontationskurs, so dass die Spitzenpolitiker beider Parteien bis zuleztzt um eine Annahme des Deals werben mussten. Für ihn hatten in der Nacht zum Dienstag 174 Republikaner votiert und lediglich 95 Demokraten. „Bitte denkt daran, was passiert, wenn wir zahlungsunfähig werden“, mahnte die Fraktionschefin der demokratischen Partei, Nancy Pelosi. „Beide Parteien sind für den Schlamassel verantwortlich, beide müssen zusammenarbeiten, um uns aus dem Schlamassel wiederherauszuholen“, sagte der republikanische Finanzpolitiker Paul Ryan.

Während der Abstimmung kam es zu einem emotionalen Moment, als die im Januar bei einem Attentat schwer verletzte demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords im Plenum eintraf, um ihre Stimme abzugeben. Die Abgeordneten honorierten ihre Ankunft mit lautem Beifall. Giffords war durch einen Schuss am Kopf getroffen worden, hatte sich aber erstaunlich schnell erholt. Ob sie ihre politische Karriere allerdings fortsetzen wird, ist aufgrund der Verletzungsfolgen allerdings sehr ungewiss.

Der Schuldendeal ist trotz der Abstimmung hoch umstritten. Er sieht vor, dass die Erhöhung des Schuldenlimits von derzeit 14,3 Billionen Dollar (rund 10 Billionen Euro) mit historischen Sparmaßnahmen in Höhe von rund 2,5 Billionen Dollar (1,7 Billionen Euro) einhergeht. Die Einigung erlaube es, „die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und die Krise zu beenden, die Washington dem Rest der Amerikaner aufgedrückt hat“, sagte der Präsident. Er nannte den Schuldenstreit einen „Schlamassel“. Sprecher Jay Carney gestand später einen „zeitweisen Zirkus“ bei dem Gerangel ein. Der vereinbarte Kompromiss sieht vor, dass das Schuldenlimit in zwei Etappen um insgesamt bis zu 2,4 Billionen Dollar erhöht wird. Der Kongress soll zwar die Möglichkeit einer Ablehnung erhalten, aber Obama könnte dann sein Veto einlegen. Damit würden – entsprechend der Forderung des Präsidenten – vor 2013 allerdings keine weiteren Verhandlungen über den Kreditrahmen mehr nötig.

Der Deal sieht vor, dass es im Gegenzug zur Erhöhung des Schuldenlimits auch langerfristige Einsparungen in einer Gesamthöhe von rund 2,5 Billionen Dollar geben soll. Der Kongressausschuss soll bis Ende Herbst, neben der sofortigen Festlegung auf Kürzungen von einer Billion Dollar binnen zehn Jahren, einen weiteren Sparplan im Umfang von 1,5 Billionen Dollar ausarbeiten. Unvermeidlich werden dabei auch die Punkte Einschnitte im sozialen Netz und Steuerreform verhandelt.

(abendblatt.de/dpa)