Eine Einigung im US-Schuldenstreit rückt in immer weitere Ferne. IWF-Direktorin Lagarde warnt vor Konsequenzen für die Weltwirtschaft.
Washington. Wenige Tage vor einer drohenden Staatspleite verhärten sich die Fronten im US-Schuldenstreit immer mehr. In dramatischen Fernsehauftritten haben US-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Gegenspieler John Boehner ihre Gegensätze offen ausgetragen. Obama hat eine Woche vor Ablauf der Frist für eine Anhebung des Schuldenlimits den Kongress zu einer Kompromisslösung aufgerufen. Er warnte in einer Rede an die Nation vor einer „schweren wirtschaftlichen Krise“, falls es nicht rechtzeitig eine Einigung geben sollte. Er warf den Republikanern vor, einen „politischen Krieg“ zu führen. Die einzigen, die einer Einigung im Weg stünden, sei eine Gruppe der Opposition. Eine Pleite der USA wäre ein „rücksichtsloses und unverantwortliches“ Ergebnis der Debatte im Haushaltsstreit. Boehner machte in seiner Antwort dagegen Obama und dessen Demokraten für den derzeitigen Stillstand verantwortlich. Auch IWF-Direktorin Christine Lagarde schaltete sich ein.
Obama zeigte sich in seiner TV-Ansprache zur Hauptsendezeit am Montagabend (Ortszeit) zwar „überzeugt, dass ein Kompromiss möglich ist“. Aber zunächst zeichnete sich kein Weg aus der Sackgasse ab. Falls es bis zum 2. August keine Einigung über die Erhöhung des Schuldenlimits von derzeit 14,3 Billionen Dollar (zehn Billionen Euro) geben und der Staat zahlungsunfähig werden sollte, könnte keine Sozialhilfe mehr gezahlt werden, warnte Obama. An die Republikaner gewandt sagte er: „Das amerikanische Volk hat vielleicht eine (in Demokraten und Republikaner) geteilte Regierung gewählt, aber es hat keine zerrüttete Regierung gewählt.“
„Die Uhr tickt, und der Streit muss umgehend beigelegt werden“, forderte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, am Dienstag. Die Herabstufung der USA oder deren Zahlungsunfähigkeit wären ein „sehr, sehr ernstes Ereignis“, warnte Lagarde. Die Konsequenzen machten nicht an den Grenzen der USA halt. Sie hoffe, dass sich die USA am politischen Mut der Europäer in deren Schuldenkrise ein Beispiel nähmen. „Ein fiskalischer Schock in den Vereinigten Staaten könnte sich nachteilig auf den Rest der Welt auswirken“, warnte Lagarde. Notwendig seien aber auch verlässliche Ausgabenkürzungen, die aber nicht übers Knie gebrochen werden dürften.
Der Streit dreht sich hauptsächlich um Langzeit-Maßnahmen zum Schuldenabbau, mit denen eine Anhebung des Schuldenlimits einhergehen soll. Experten fürchten zunehmend, dass die Zeit für eine echte Lösung nicht mehr ausreicht – das heißt, für eine so umfassende Vereinbarung über Maßnahmen zum Schuldenabbau, dass die großen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit der USA nicht herunterstufen. Mehrere von ihnen haben gewarnt, dass eine zeitgerechte Anhebung der Schuldengrenze allein nicht ausreicht, es bei der Topbonität der USA zu belassen.
Die verhärteten Fronten spiegelten sich in zwei verschiedenen Gesetzentwürfen wider, die Boehner, der Präsident des Abgeordnetenhauses, und der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, am Montag vorgelegt hatten. Dabei gibt es zwar einige Übereinstimmungen bei verschiedenen Sparmaßnahmen, aber eine tiefe Kluft beim Zeitplan für die Anhebung des Schuldenlimits. So will Boehner die Grenze in zwei Etappen anheben - was Obama aber in seiner Rede erneut ablehnte. Er stellte sich dagegen hinter den Reid-Entwurf, der eine Erhöhung des Kreditrahmens in einem einzelnen Schritt bis ins Jahr 2013 vorsieht. Das wiederum wollen die Republikaner nicht.
Obama wolle einen Blankoscheck für weitere exzessive Ausgaben, sagte Boehner in der Nacht zum Dienstag. „Das wird schlicht nicht geschehen.“ Der Präsident seinerseits warf der Gegenseite ein „gefährliches Spiel“ vor, mit dem Risiko, „eine schwere wirtschaftliche Krise auszulösen“. Obama habe mehrfach gefordert, dass eine ausgewogene Herangehensweise nötig sei – „was in Washington bedeutet, wir geben mehr aus, ihr zahlt mehr“, kritisierte der republikanische Politiker.
Erneut machte Obama klar, dass beide Seiten Opfer bringen müssten. Neben drastischen Einschnitten bei den Sozialausgaben, die vielen Demokraten starke Bauchschmerzen bereiten, müsse es auch Steuererhöhungen für Reiche geben. Eine andere Lösung „wäre nicht fair“. Beide Seiten hätten Verantwortung, die Krise zu lösen.
Der Boehner-Plan sieht nach Medienberichten zunächst ein Paket von Einsparungen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar binnen zehn Jahren und eine Erhöhung des Kreditrahmens um rund eine Billion vor. Anfang 2012 soll dann der Kongress weitere Kürzungen von mindestens 1,8 Billionen Dollar beschließen. Daran gekoppelt würde der Kreditrahmen um weitere 1,6 Billionen Dollar erhöht. Steuererhöhungen sind in seinem Entwurf nicht enthalten.
Reid will die Anhebung des Schuldenlimits in einem Schritt mit Einsparungen von zunächst 2,7 Billionen Dollar verbinden. Im kommenden Jahr könnten dann zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden.
Mit Material von dapd/dpa/reuters