Der US-Schuldenstreit nimmt kein Ende. IWF-Chefin Lagarde mahnt: “Die Uhr tickt“. Doch Obama droht mit Veto gegen Gesetzesentwurf.
Washington. Eine Einigung im Schuldenstreit scheint in unerreichbare Ferne gerückt und die Welt schaut ungläubig zu. Jetzt hat US-Präsident Barack Obama mit einem Veto bei der geplanten Abstimmung für den Gesetzesentwurf der Republikaner zur Lösung der Haushaltskrise gedroht. Stärkster Streitpunkt ist aus Sicht des Weißen Hauses, dass die Initiative eine zweite Abstimmung vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr vorsieht. Der republikanische Präsident des Repräsentantenhauses, John Boehner, versuchte unterdessen, eine Mehrheit für die Abstimmung am Mittwoch zu organisieren. Christine Lagarde mahnt: "Die Uhr tickt."
Boehners Entwurf sieht die Anhebung der Schuldenobergrenze um eine Billion Dollar (700 Milliarden Euro) sowie Ausgabenkürzungen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar (845 Milliarden Dollar) vor.
Boehners Entwurf wurde jedoch auch in seiner eigenen Partei kritisiert. So warfen ihm einige konservative Abgeordneten vor, die geplanten Einsparungen seien nicht weitreichend genug.
Die Pläne des Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus sehen zudem die Bildung eines Sonderausschusses vor. Das Gremium soll Vorschläge für weitere Sparmaßnahmen im Umfang von 1,8 Billionen Dollar (1,3 Billionen Euro) ausarbeiten. Würden diese Kürzungen umgesetzt, stiege die Schuldenobergrenze automatisch um 1,6 Billionen Dollar (1,1 Billionen Euro), hieß es in dem Entwurf.
In dramatischen Fernsehauftritten haben US-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Gegenspieler John Boehner zuvor ihre Gegensätze offen ausgetragen - nur sieben Tage vor Ablauf der entscheidenden Frist für eine Erhöhung des US-Schuldenlimits.
Obama warnte in einer Rede an die Nation vor einer „schweren wirtschaftlichen Krise“, falls es nicht rechtzeitig eine Einigung geben sollte. Er warf den Republikanern vor, einen „politischen Krieg“ zu führen. Boehner machte in seiner Antwort dagegen Obama und dessen Demokraten für den derzeitigen Stillstand verantwortlich.
Die Chefin des in Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, mahnte die USA zur raschen Beilegung des Schuldenstreits. „Ganz klar, dieses Problem muss umgehend gelöst werden“,sagte sie am Dienstag in New York.
Ein fiskalischer Schock in den Vereinigten Staaten würde „ernsthafte“ Auswirkung für den Rest der Welt haben, warnte sie. Ein glaubhafter Plan zur Sanierung der US-Staatsfinanzen müsse eher früher als später vorgelegt werden, sagte die Chefin des Weltwährungsfonds. Sie habe aber Hoffnung, dass der politischen Courage der Europäer beim Umgang mit ihrer Schuldenkrise „bald kühne, haushaltspolitische Aktionen der USA folgen“.
Obama zeigte sich in seiner TV-Ansprache zur Hauptsendezeit am Montagabend (Ortszeit) zwar „überzeugt, dass ein Kompromiss möglich ist“. Aber zunächst zeichnete sich kein Weg aus der Sackgasse ab.
Falls es bis zum 2. August keine Einigung über die Erhöhung des Schuldenlimits von derzeit 14,3 Billionen Dollar (zehn Billionen Euro) geben sollte, droht erstmals in der Geschichte der USA die Zahlungsunfähigkeit mit wohl katastrophalen wirtschaftlichen Folgen.
Der Streit dreht sich hauptsächlich um Langzeit-Maßnahmen zum Abbau der Schulden, mit denen eine Anhebung des Schuldenlimits einhergehen soll. Experten fürchten zunehmend, dass die Zeit für eine echte Lösung nicht mehr ausreicht – das heißt, für eine so umfassende Vereinbarung über Maßnahmen zum Schuldenabbau, dass die großen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit der USA nicht herunterstufen.
Die verhärteten Fronten spiegelten sich in zwei verschiedenen Gesetzentwürfen wider, die Boehner, der Präsident des Abgeordnetenhauses, und der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, am Montag vorgelegt hatten. Dabei gibt es zwar einige Übereinstimmungen bei verschiedenen Sparmaßnahmen, aber eine tiefe Kluft beim Zeitplan für die Anhebung des Schuldenlimits.
So will Boehner die Grenze in zwei Etappen anheben – was Obama aber ablehnt. Er stellte sich dagegen hinter den Reid-Entwurf, der eine Erhöhung des Kreditrahmens in einem einzelnen Schritt bis ins Jahr 2013 vorsieht. Das wiederum wollen die Republikaner nicht.
Obama wolle einen Blankoscheck für weitere exzessive Ausgaben, sagte Boehner in der Nacht zum Dienstag. „Das wird schlicht nicht geschehen.“ Der Präsident seinerseits warf der Gegenseite ein „gefährliches Spiel“ vor, mit dem Risiko, „eine schwere wirtschaftliche Krise auszulösen“.
Erneut machte Obama klar, dass beide Seiten Opfer bringen müssten. Neben drastischen Einschnitten bei den Sozialausgaben, die vielen Demokraten starke Bauchschmerzen bereiten, müsse es auch Steuererhöhungen für Reiche geben. Eine andere Lösung „wäre nicht fair“. Beide Seiten hätten Verantwortung, die Krise zu lösen.
Der Boehner-Plan sieht nach Medienberichten zunächst ein Paket von Einsparungen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar binnen zehn Jahren und eine Erhöhung des Kreditrahmens um rund eine Billion vor. Anfang 2012 soll dann der Kongress weitere Kürzungen von mindestens 1,8 Billionen Dollar beschließen. Daran gekoppelt würde der Kreditrahmen um weitere 1,6 Billionen Dollar erhöht. Steuererhöhungen sind in seinem Entwurf nicht enthalten.
Reid will die Anhebung des Schuldenlimits in einem Schritt mit Einsparungen von zunächst 2,7 Billionen Dollar verbinden. Im kommenden Jahr könnten dann zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden.
Mit Material von dpa/dapd