Investor Nicolas Berggruen tritt vor die Presse. Rettung der Warenhäuser war erst nach beispiellosem Verhandungspoker möglich.

Hamburg. Das monatelange Ringen um die Rettung der Warenhauskette Karstadt ist zu einem guten Ende gekommen. Das Bundesarbeitsministerium teilte am Freitag mit, die Einigung auf die Übernahme des Karstadt-Konzerns sei „nunmehr durch alle nötigen Unterschriften bestätigt“. Es lud für den Mittag zu einem Pressetermin mit Ressortchefin Ursula von der Leyen und dem Karstadt-Investor Nicolas Berggruen ein.

„Alles ist da, alles ist bestens“, sagte Highstreet-Sprecher Richard Speich. In einer Stellungnahme des unter anderem von Goldman Sachs und der Deutschen Bank getragenen Konsortiums heißt es: „Highstreet begrüßt die Einigung mit Herrn Berggruen, die durch die enormen Zugeständnisse der Vermieter möglich gemacht wurde.“ Nun sei Berggruen in der Pflicht, Kapital und Ressourcen einzusetzen. Berggruen und seine Manager müssten jetzt zeigen, dass sie Karstadt operativ führen könnten.

Das Essener Amtsgericht nahm den Karstadt-Insolvenzplan am Nachmittag auch an. Damit sei die Übernahme der Warenhauskette durch den deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen in letzter Instanz bestätigt, teilte das Gericht mit. Jetzt bestehe nur noch eine 14-tägige Beschwerdefrist, in der mögliche Verfahrensfehler beanstandet werden können. Am 1. Oktober soll dann Berggruen die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH mit 120 Filialen und rund 25.000 Beschäftigten erhalten.

Gestern war es noch ein Feilschen und Taktieren, ein Hoffen und Bangen: Einen Tag vor Ablauf der Frist zum Erhalt der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt haben sich Investor, Gläubiger und Vermieter ein beispielloses Verhandlungspoker geliefert. Bis zum Abend war unklar, ob die lang ersehnte Einigung über eine Reduzierung der Mieten für den insolventen Kaufhauskonzern tatsächlich zustande kommen würde.

Gegen 20 Uhr kamen schließlich die erlösenden Worte von Investor Nicolas Berggruen : "Alle, die Ja sagen mussten, haben Ja gesagt", erklärte der deutsch-amerikanische Milliardär in Berlin. Es fehlten allerdings noch immer die Unterschriften einiger wichtiger Investoren des Vermieterkonsortiums Highstreet. Heute will das Amtsgericht Essen entscheiden, ob der Karstadt-Insolvenzplan in Kraft treten und Deutschlands größte Warenhauskette Ende September nach 16 Monaten aus der Insolvenz entlassen wird.

Karstadt: Das große Filialsterben in Hamburg

Die Augen der 25 000 Karstadt-Beschäftigten richteten sich am Vormittag zunächst nach London, wo gegen elf Uhr eine wichtige Gläubigergruppe des Immobilienkonsortiums Highstreet zusammentraf, das über 86 der 120 Karstadt-Warenhäuser gebietet. Nur gut eineinhalb Stunden dauerte die Sitzung in einer Londoner Anwaltskanzlei, dann sickerte die erste positive Nachricht durch. Nach monatelangem Zögern setzten die Highstreet-Gläubiger, die dem Konsortium über eine Anleihe 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben, ihre Unterschriften unter die neuen Miet- und Kreditverträge, die Vertreter zuvor mit Karstadt-Investor Nicolas Berggruen ausgehandelt hatten. "Wir haben eine Zustimmungsquote von 100 Prozent zu den neuen Verträgen erreicht", sagte ein Sprecher der Vermieter dem Abendblatt.

+++ Ein Drama in mehreren Akten - Die Karstadt-Geschichte +++

Doch damit waren noch immer nicht alle Stolpersteine auf dem Weg zu einer endgültigen Einigung beiseitegeräumt. Offen blieb die Zustimmung einer weiteren Gläubigergruppe des selbst hoch verschuldeten Vermieterkonsortiums. Dabei handelte es sich um sogenannte Mezzanine-Investoren, die Highstreet 1,4 Milliarden Euro in Form einer Mischung aus Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung gestellt hatten. Aus Finanzkreisen verlautete am Nachmittag, es hake noch "an einer einzigen Stelle". Ein einziger Hedgefonds stellte sich offenbar quer und blockierte den Gesamtdeal.

---Was bisher geschah---

Gegen 19 Uhr verlautete schließlich aus der Vermietergruppe, man habe eine "prinzipielle Einigung" mit den Mezzanine-Investoren erzielt. "Es fehlen aber immer noch die entscheidenden Unterschriften aus dieser Gruppe", sagte ein Highstreet-Sprecher dem Abendblatt. "Es ist noch eine Menge Papierkram zu erledigen."

Zeitgleich zu den schwierigen Einigungsversuchen der Vermieter hatte Karstadt-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg eine maximale Drohkulisse aufgebaut, um eine Entscheidung im Warenhauspoker zu erzwingen. "Wir haben einen Plan für die Zerschlagung von Karstadt in der Schublade, die wir allerdings lieber zu lassen würden", sagte sein Sprecher Thomas Schulz. Im Plan enthalten: der Einzelverkauf von Premiumhäusern wie dem Hamburger Alsterhaus oder dem KaDeWe in Berlin und die Abtrennung der Sporthäuser. Alle anderen Karstadt-Filialen sollten in diesem Fall bis Ende Februar 2011 geräumt werden.

Dass sich der Kampf um Karstadt zu einem derart massiven Nervenkrieg auswachsen würde, hätte vor drei Monaten wohl kaum einer der Beteiligten gedacht. Als Anfang Juni der deutsch-amerikanische Milliardär Berggruen den Zuschlag für die rund 130 Jahre alte Warenhauskette erhielt, fiel zahlreichen Beschäftigten zunächst ein Stein vom Herzen. Die Sorgen um den Verlust ihrer teils seit Jahrzehnten ausgeübten Arbeit als Verkäufer schienen erst mal vom Tisch: Berggruen verlangte zwar Zugeständnisse von den Vermietern, jedoch keine Opfer von der Belegschaft.

Doch ausgerechnet diese Forderung nach geringeren Mietpreisen sollte die Rettung Karstadts letztendlich zur dramatischen Berg-und-Tal-Fahrt machen. Die Verhandlungen zwischen dem Deutsch-Amerikaner und Highstreet liefen von Anfang an äußerst zäh. Noch im Juni lehnte Berggruen ein verbessertes Angebot von Highstreet kategorisch ab. Das Konsortium hatte seine bisherige Offerte nach eigenen Angaben noch einmal um rund 25 Millionen Euro aufgestockt und sich bereit erklärt, in den nächsten fünf Jahren auf mehr als 400 Millionen Euro an Mieteinnahmen zu verzichten.

Seinen eigentlichen Ursprung nahm der Mietschlamassel allerdings schon vor mehr als vier Jahren. Der damalige Chef der früheren Karstadt-Mutter Arcandor, Thomas Middelhoff, verkaufte die zahlreichen Warenhausimmobilien damals für 4,5 Milliarden Euro an das Konsortium, bestehend aus der Investmentbank Goldman Sachs, der Deutschen Bank, der Immobiliensparte des italienischen Reifenherstellers Pirelli und der Generali-Versicherung, sowie an den Oppenheim-Esch-Fonds. Der Konzern mietete die Gebäude anschließend teils überteuert zurück. Im März 2009 verabschiedete sich Middelhoff mit tiefroten Zahlen und hinterließ ein Konstrukt, das nicht nur als kaum überlebensfähig, sondern auch als extrem verschachtelt und komplex eingestuft wurde.