Spediteure, Handwerker und Einzelhändler in Hamburg leiden unter den hohen Benzinpreisen. Taxifahrer geraten in Not und erwägen höhere Tarife.
Hamburg. Eine Tankstelle an der Hamburger Osterfeldstraße: Am Mittwochmorgen zeigte die Zapfsäule einen Literpreis für Super E5 in Höhe von 1,729 Euro an und damit so viel wie nie zuvor. Und der Trend nach oben dürfte in den nächsten Tagen anhalten. Denn es ist Ostern und die Mineralölkonzerne verteuern ihr Produkt gerne vor Ferienzeiten und Feiertagen, wenn viele Bundesbürger das Auto nutzen. "Das wiederholt sich jedes Jahr zu Ostern", sagt ADAC-Sprecherin Katrin Müllenbach-Schlimme. Während sich dieAutofahrer über die Preiserhöhungen ärgern, belasten die Spritkosten auch immer mehr Hamburger Firmen, gehen an deren wirtschaftliche Substanz.
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Die Taxifahrer in der Stadt schlagen besonders laut Alarm. "Wenn der Spritpreiswucher nicht aufhört, dann kommen die Taxiunternehmer in existenzielle Nöte. Denn nicht nur die Inflation, sondern auch die steigenden Betriebskosten verhageln uns zunehmend die Bilanzen", sagt Dirk Schütte, Vorstandsmitglied beim Hamburger Taxiverband. "Sollten die Preise weiter anziehen, müssen wir mit der Wirtschaftsbehörde einen höheren Tarif aushandeln." Leidtragende wären wieder einmal die Kunden. Thomas Grätz, Geschäftsführer vom Deutschen Taxi- und Mietwagenverband fürchtet sogar Pleiten in seiner Branche: "Die hohen Benzinpreise können dazu führen, dass vor allem kleinere Taxifirmen ihren Betrieb einstellen müssen, während große Unternehmen weniger Fahrzeuge einsetzen werden." Das bedeutet in der Konsequenz, dass weniger Taxifahrer gebraucht würden. In Deutschland gibt es 53 000 Taxen, davon mehr als 3000 in Hamburg.
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Auch Hamburgs Spediteure sind besorgt. Ernst Pfaff und sein Sohn Carsten müssen den firmeneigenen Großtank auf ihrem Gelände in Billbrookjede Woche nachfüllen lassen. Die 50 schweren Lkw des Hamburger Transportunternehmens benötigen alle sieben Tage rund 33 000 Liter Sprit. "Die Preise für Diesel sind seit Anfang 2011 um 25 Prozent gestiegen", sagt Seniorchef Pfaff. Zwar profitiert er als Großabnehmer von Rabatten seiner Lieferanten und konnte mit seinen Kunden im Gegenzug zu den steigenden Preisen einen Zuschlag für die Transportaufträge vereinbaren. "Inzwischen liegt dieser aber schon bei zehn Prozent und die Kunden sind immer weniger bereit, noch mehr zu zahlen", sagt Pfaff. "Wir hoffen nun, dass Diesel in den nächsten Wochen nicht noch teurer wird."
"Die Margen für unsere Firmen sind kaum auskömmlich", bestätigt Frank Wylezol, Geschäftsführer vom Verband Straßengüterverkehr und Logistik in Hamburg. "Wir müssten unsere Preise wegen der höheren Dieselkosten eigentlich um zehn Prozent anheben. Unsere Firmen versuchen mit den Kunden Preisanpassungen zu vereinbaren, aber das wird immer schwieriger."
Der Paketversender Hermes beobachtet den Markt besonders genau. "Unsere Vertragspartner, die für die Auslieferung der Pakete zuständig sind, bekommen die höheren Preise an der Zapfsäule zu spüren", sagt Hermes-Sprecher Martin Frommhold. In den Verträgen mit den Subunternehmern sei aber auch eine Klausel eingebaut, die eine Anpassung der Vergütung abhängig vom durchschnittlichen Dieselpreis vorsehe. "Der Kostenanstieg ist aber noch nicht so groß, dass wir diePaketpreise für die Privatkunden anpassen müssen", sagt Frommhold.
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Auch das Hamburger Handwerk empfindet die hohen Spritpreise als große Belastung. "Wer viel zu transportieren hat oder regelmäßig bei Kunden arbeitet, muss mit stetig steigenden Kosten kalkulieren. Bis jetzt haben viele Unternehmer es vermieden, die höheren Kosten auf die Endpreise aufzuschlagen. Auf Dauer kann aber genau das notwendig werden", sagt Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer. Nicht nur Firmen, die mobil sein müssen, leiden unter den hohen Spritpreisen. Aus Sicht des Hamburger Einzelhandelsverbands drücken sie auch auf die Konsumstimmung der Verbraucher. "Wer monatlich 20 oder 30 Euro mehr fürs Tanken ausgeben muss, spart schnell an Zeitschriften, Zigaretten oder CDs", sagt Verbandsgeschäftsführer Wolfgang Linnekogel. Für das erste Halbjahr rechnet er deshalb gerade noch mit einem Umsatzplus von 1,5 Prozent im Hamburger Einzelhandel.
Die Handelskammer sieht den Staat in der Verantwortung. "Bei aller Sorge um einen funktionierenden Wettbewerb darf nicht übersehen werden, dass der eigentliche Preistreiber der Staat ist - in Form überzogener und wachsender Steuern auf Energie", sagt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Kammer. "Der Staat muss seinen Besteuerungsansatz überdenken, die Entlastungen müssen an die Bürger weitergegeben werden."
Doch der Staat ist aktuell nicht der Preistreiber. Während der Rohölpreis in den vergangenen zwei Wochen fast unverändert auf hohem Niveau verharrte, kletterte der Benzinpreis am Rotterdamer Markt am Mittwoch auf eine Rekordmarke von 1219 Dollar(926 Euro) pro Tonne. Diese Entwicklung hat laut Carsten Fritsch, Commerzbank-Analyst, dazu geführt, dass sich der Abstand zwischen den Kosten für Rohöl und Benzin dramatisch erhöht hat. Allein innerhalb von zwei Wochen vergrößerte sich der Preisunterschied um 100 auf aktuell 300 Dollar. "Das ist die höchste Differenz seit Mai 2007", sagt Fritsch. Für die Mineralölkonzerne bedeutet dies höhere Raffineriemargen und damit höhere Gewinne.
Den Ermittlungen des Bundeskartellamts sehen die Multis derweil gelassen entgegen. "Ostern ist wieder da, dann muss das Amt zeigen, dass es aktiv ist", sagte ein Total-Sprecher. Das Kartellamt hat gegen die fünf KonzerneTotal, Shell, ExxonMobil, BP/Aral und ConocoPhillips ein Verfahren wegen des Verdachts der Behinderung freier Tankstellen eingeleitet. Das Quintett kontrolliert 70 Prozent der Stationen, 30 Prozent werden konzernunabhängig betrieben.