Rekordpreise: Mehr als 1,70 Euro pro Liter kurz vor Ostern ein Liter Superbenzin. Stoppen die hohen Spritpreise den Kosum?

Berlin. Nie war Tanken so teuer wie in diesen Tagen: Mehr als 1,70 Euro pro Liter kostet ein Liter Superbenzin inzwischen. Rekordpreise an den Zapfsäulen dämpfen nun auch die Kauflaune der Deutschen: Das GfK-Konsumbarometer sank erstmals seit einem halben Jahr wieder, während der Einzelhandel fünf Monate in Folge weniger umsetzte. Werden die hohen Benzinpreise zum Konsumkiller?

PRO

Ja, denn Millionen Deutschen drohen Einkommensverluste. „Die Konsumenten, und hier in erster Linie die Berufspendler, sehen ihre Kaufkraft durch die hohen Preise gefährdet“, sagt der Konsumforscher Rolf Bürkl von der Nürnberger GfK. „Ein immer größerer Anteil ihres verfügbaren Einkommens muss derzeit für Energie und Sprit aufgewendet werden.“

Wegen teurer Energie hält sich die Inflationsrate in Deutschland nun schon seit mehr als einem Jahr über der Zwei-Prozent-Marke, bis zu der die Europäische Zentralbank von stabilen Preisen spricht. „Die politische Konstellation im Nahen Osten macht eine schnelle Entspannung beim Ölpreis eher unwahrscheinlich, so dass der private Konsum in den kommenden Monaten durch hohe Energiepreise belastet werden dürfte“, warnen die Ökonomen der Deutschen Bank. Was an der Tankstelle mehr ausgegeben wird, muss woanders gespart werden. „Insbesondere wird die Anschaffung von langlebigen Konsumgütern aufgeschoben oder sogar unterlassen“, befürchtet die Deutsche Bank.

Die Reallöhne stiegen schon Ende 2011 erstmals seit zwei Jahren nicht mehr. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer verdienten im vierten Quartal brutto 2,3 Prozent mehr im Monat als ein Jahr zuvor. Da die Verbraucherpreise ebenfalls um 2,3 Prozent anzogen, wurden die Lohnerhöhungen von der Inflation komplett aufgezehrt. Dieses Schicksal droht Millionen Verbrauchern auch in diesem Jahr. Denn nach Prognosen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und der Postbank-Ökonomen werden die Preise in diesem Jahr mit 2,5 Prozent noch schneller steigen als 2011 mit 2,3 Prozent – wegen der teuren Energie.

Dadurch drohen beispielsweise den 20 Millionen Rentnern Kaufkraftverluste: Sie erhalten zwar ab Juli die zweitgrößte Rentenanhebung seit 1994, doch bliebe von dem Plus von rund 2,2 Prozent real nichts übrig. Auch Millionen von Beschäftigten, die nicht in Boombranchen wie der Autoindustrie arbeiten und bei den Tarifverhandlungen schlechte Karten haben, müssen damit rechnen, wegen der Preisteuerung weniger Geld zur Verfügung zu haben.

CONTRA

Die hohen Preise sind zwar ärgerlich, aber sie würgen den Konsum nicht ab. Denn viel wichtiger ist die gute Arbeitsmarktlage: 41,4 Millionen Deutsche haben derzeit einen Job – so viele wie noch nie. Wegen der guten Konjunkturaussichten wird diese Zahl nach Prognose aller großen Wirtschaftsinstitute weiter steigen, und mit ihr auch die Arbeitsplatzsicherheit. Wer einen sicheren Job hat, der macht auch mehr Geld locker, um sich etwas zu gönnen. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut rechnet deshalb sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr mit einem robusten Konsumwachstum.

Millionen Beschäftigte können sich zudem über Lohnerhöhungen freuen, die deutlich über der Inflationsrate liegen. Hier ein paar Beispiele: Die 130.000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post bekommen ab 1. April vier Prozent mehr Geld, 33.000 Mitarbeiter der Lufthansa erhalten seit Jahresbeginn 3,5 Prozent mehr. Die 14.000 Beschäftigten der Stahlindustrie an der Saar schlugen bei den Tarifverhandlungen ein Plus von 3,8 Prozent heraus. Die Löhne und Gehälter in der Schuhindustrie erhöhen sich um 3,3 Prozent, in der Papierindustrie um drei Prozent. Die IG Metall will für die 3,6 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ein Lohnplus von 6,5 Prozent herausholen, ebenso wie Verdi für die zwei Millionen Mitarbeiter von Bund und Kommunen.

Dazu kommen noch extrem niedrige Zinsen. Wer Geld auf das Sparbuch legt, muss sich mit einer Mini-Rendite begnügen, die weit unter der Inflationsrate liegt und zu realen Einbußen führt. Nach Angaben der FMH-Finanzberatung wirft Festgeld - angelegt für ein Jahr – nicht einmal eine Rendite von 1,7 Prozent ab. Wer 5000 Euro Tagesgeld anlegt, bekommt im Schnitt 1,56 Prozent Zinsen. Weil Sparen so unattraktiv ist, dürften viele Verbraucher ihr Geld statt zur Bank lieber in die Geschäfte tragen.

Umgekehrt können größere Anschaffungen günstig wie selten finanziert werden. Elektronikketten etwa werben mit einer Nullzinsfinanzierung. Auch Autos und andere teure Anschaffungen können zu günstigen Konditionen finanziert werden. (Reuters)