Frankfurt/Main. Der Stress in Europas Finanzsektor ist nach wie vor groß. Weil sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen, deponieren die Geschäftsbanken über Nacht überschüssige Mittel bei der Europäischen Zentralbank – selbst zu schlechten Zinsen.

Was ist passiert?

Am Freitag stiegen die Übernachteinlagen bei der EZB drastisch - um mehr als 300 Milliarden Euro auf 776,9 Milliarden Euro, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Das war ein Rekordstand. Der Anstieg entspricht in etwa der zusätzlichen Liquidität, die die EZB am Mittwoch mit ihrer zweiten großen Geldspritze binnen drei Monaten in den Bankensektor gepumpt hatte.

Was genau sind die eintägigen Einlagen bei der EZB?

Mit den Übernacht-Einlagen kann die Notenbank die umlaufende Geldmenge feinsteuern. Fürgewöhnlich nehmen die Banken das kaum wahr, weil die Verzinsung vergleichsweise schlecht ist. Vielmehr leihen sie sich das Geld lieber gegenseitig auf dem sogenannten Interbankenmarkt aus. Dieser Handel ist seit der Finanz- und Schuldenkrise aber gestört. Die Angst ist, das verliehene Geld zu verlieren. Vor allem südeuropäischen Banken, die stark in Staatsanleihen angeschlagener Länder investiert haben, schlägt hohes Misstrauen entgegen.

Wie ist der jüngste Sprung der EZB-Bankeinlagen zu erklären?

Für den drastischen Sprung dürfte die jüngste Geldspritze der EZB vom Mittwoch verantwortlich sein. Die Notenbank verlieh den Geldhäusern die Rekordsumme von knapp 530 Milliarden Euro für drei Jahre. Damit will sie einer Kreditklemme vorbeugen, die wegen der Schuldenkrise im Euroraum befürchtet wird. Die zusätzliche Liquidität, die die Banken erhalten, liegt aber niedriger. Denn zeitgleich zu der großen Geldspritze waren andere Geschäfte mit der Notenbank ausgelaufen. Experten veranschlagen den Effekt unter dem Schnitt auf rund 310 Milliarden Euro. Und dieser Betrag entspricht in etwa dem Anstieg der Bankeinlagen vom Freitag.

Warum fließt die Geldspritze gleich wieder an die EZB zurück?

Offensichtlich benötigen viele Banken das zusätzliche EZB-Geld nicht sofort. Vielmehr leihen sie es sich für spätere Geschäfte. Ein Beispiel: Auch Banken haben eigene Anleihen ausgegeben. Und wenn diese fällig werden, müssen die Schulden bedient und zurückgezahlt werden. Mit dem frischen Zentralbankgeld schaffen sich die Banken also ein Sicherheitspolster. (dpa)