Der Industriegigant, der auch wegen schlechter Überseegeschäfte tief in den roten Zahlen steckt, plant Umbau und Spartenverkäufe.

Bochum. Der Industrie- und Stahlkonzern wird auch in nächster Zeit bei den neuen Stahlwerken in Übersee keiner Gewinne erwirtschaften: „Die Ergebnis- und Finanzsituation der Amerikaprojekte lässt sich auch nicht kurzfristig ins Positive drehen, sondern wird noch einige Zeit benötigen“, sagte Heinrich Hiesinger, Vorstandschef von ThyssenKrupp, am Freitag in Bochum auf der Hauptversammlung.

Dennoch sieht er ThyssenKrupp beim Konzernumbau auf einem gutem Weg und unterstrich sein Vorhaben, sich von mehreren Geschäftsbereichen trennen zu wollen, um die Verschuldung zu reduzieren und Spielraum für Wachstumsinvestitionen zu erhalten. Auch die bis zum Jahresende geplante Trennung von der Edelstahlsparte Innoxum verlaufe nach Plan.

Für das laufende Geschäftsjahr 2011/2012 (30. September) verzichtete der Konzernchef weiter auf eine Prognose. Hintergrund seien Unsicherheiten über den Verlauf der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Im ersten Geschäftsquartal, das am 31. Dezember endete, habe das Unternehmen einen deutlich Ergebnisrückgang im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum verbucht. Dabei seien beim Stahlgeschäft in Brasilien und den USA weitere Verluste entstanden.

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Die Kosten für die Stahlwerke in Brasilien und den USA waren in den vergangenen Jahren auf rund zehn Milliaden Euro explodiert. Hiesinger musste im vergangenen Geschäftsjahr vor allem wegen der Probleme bei diesen Werken 2,9 Milliarden abschreiben. Dadurch schrieb ThyssenKrupp 2010/11 einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro. Aktionärsvertreter fordern vom Vorstand und Aufsichtsrat auf der Versammlung Aufklärung darüber, wie die Kosten so aus dem Ruder laufen konnten. Genaue Zahlen zu den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres will das Unternehmen am 14. Februar vorlegen.

Hiesinger, der ehemalige Siemens-Manager bekräftigte, den Mischkonzern mit rund 180.000 Beschäftigten stärker auf das Technologiegeschäft zu fokussieren, in dem ThyssenKrupp unter anderem Aufzüge und Fahrtreppen herstellt. Die Stahlkonjunktur habe sich weltweit abgeschwächt.

Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp, dankte auf der Aktionärsversammlungdem dem langjährigen Vorstandschef und Aufsichtsrat Ekkehard Schulz für seine Tätigkeit beim Industrie-und Stahlkonzern gedankt. „Seine großen Verdienste in der rund vierzigjährigen Tätigkeit für den Konzern habe ich Ihnen in der letzten Hauptversammlung ausführlich erläutert; sie bestehen unverändert fort“, sagte Cromme. Schulz war kürzlich von seinem Aufsichtsratsposten zurückgetreten und hatte Fehler beim Milliardendebakel in Brasilien eingeräumt.

Der heute 70-Jährige war von der Hauptversammlung erst vor einem Jahr aus dem Vorstandsvorsitz verabschiedet worden und in den Aufsichtsrat gewechselt. Als der Konzern Anfang Dezember Abschreibungen von 2,1 Milliarden Euro im Zusammenhang mit dem neuen Stahlwerk in Brasilien bekanntgeben musste, übernahm Schulz die unternehmerische Verantwortung und legte sein Aufsichtsratsmandat Ende 2012 nieder.

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Im Zusammenhang damit gab es viel öffentliche Schelte und Schuldzuweisungen. Cromme fand versöhnliche Worte: Die Fusion von Thyssen und Krupp sei eine Erfolgsgeschichte und maßgeblich Schulz zu verdanken, der schon in den 90er Jahren diesen Zusammenschluss angedacht habe. „Umso unerfreulicher ist der zuletzt entstandene Eindruck über seine Verdienste bei ThyssenKrupp.“ Vorstand und Aufsichtsrat bedauerten die „unangemessenen Anschuldigungen“. (dpa/Reuters/abendblatt.de)