Schock für zehntausende Mitarbeiter von ThyssenKrupp: Der hochverschuldete Konzern will sich von jedem fünften Beschäftigten trennen.

Essen. Der Stahlkonzern ThyssenKrupp will sich von 35.000 Beschäftigten trennen. Die traditionsreiche Edelstahlsparte und große Teile des Autozuliefergeschäfts sollen abgespalten oder verkauft werden, wie der hochverschuldete Essener Konzern ankündigte.

Jeder fünfte Mitarbeiter des Konzerns wäre davon betroffen. Mit dem radikalen Schnitt will das Unternehmen seinen Schuldenberg abbauen und Spielraum für Wachstum in Schwellenländern gewinnen.

Der Betriebsrat reagierte zunächst zurückhaltend auf die Ankündigungen der Konzernspitze. „Verkäufe sind nie schön für uns, wir werden die Pläne jetzt mit aller Vernunft prüfen“, zitierten die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe den Konzernbetriebsratschef Thomas Schlenz. Wichtig sei vor allem Sicherheit für die betroffenen Beschäftigen. Für den Bereich Edelstahl könne die Eigenständigkeit aber durchaus auch Chancen mit sich bringen, sagte Schlenz.

Die Edelstahlsparte war in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer hohen Verluste das größte Sorgenkind des Konzerns. Sie beschäftigt mehr als 11.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 5,9 Milliarden Euro. Allein in den vergangenen beiden Jahren häufte sie Verluste in einer Gesamthöhe von mehr als einer Milliarde Euro an.

ThyssenKrupp werde alle Optionen für eine Weiterführung der Geschäfte außerhalb des Konzerns prüfen, hieß es in der Erklärung des Unternehmens. Durch die Trennung von ThyssenKrupp soll das Edelstahlgeschäft die Möglichkeit erhalten, seine Wettbewerbsposition mit größerer Flexibilität weiterzuentwickeln - auch mit Blick auf potenzielle strategische Partnerschaften. Außerdem erhalte die Sparte dadurch mehr Spielraum für weitere strukturelle Verbesserungen und Kosteneinsparungen, erklärte der Essener Konzern.

Auch von großen Teilen des Autozuliefergeschäfts will sich der Konzern trennen. Auf der Verkaufsliste stehen unter anderem der Marktführer im Bereich Eisenguss in den USA, ThyssenKrupp Waupaca, der Autozulieferer ThyssenKrupp Tailored Blanks und das brasilianische Automotive Systems-Geschäft. Für das Fahrwerkgeschäft der Bilstein-Gruppe und Presta Steering werde ebenfalls das Einbringen in eine strategische Partnerschaft geprüft, hieß es. Das Umsatzvolumen des Konzerns würde durch die Desinvestitionen und weitere bereits angekündigte Firmenverkäufe um rund zehn Milliarden Euro sinken.

Den möglichen Verkaufserlös schätzen Branchenkenner auf fünf bis acht Milliarden Euro. Mit dem Geld will der neue ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger den Schuldenberg des Traditionsunternehmens reduzieren und Spielraum für den Ausbau strategisch vielversprechender Geschäfte gewinnen – insbesondere in den Schwellenländern.

Der frühere Siemens-Vorstand steht erst seit wenigen Monaten an der Spitze des Stahlkonzerns. Die Berufung des Ingenieurs galt als Signal, dass ThyssenKrupp in Zukunft mehr Augenmerk auf sein industrielles Standbein richten wird. Zuletzt hatte der Konzern durch den Neubau von Stahlwerken in Brasilien und den USA vor allem seine Stahlsparte gestärkt. Weil dabei die Kosten dramatisch aus dem Ruder liefen, kamen nach Ansicht von Branchenbeobachtern die anderen Konzernsparten zu kurz.