Der Rat der Zentralbank hält den Leitzins im Euroraum auf Rekordtief. Das beschloss das Gremium bei einem Treffen in Frankfurt.

Frankfurt/Main. Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt, wie die EZB mitteilte. Nach zwei Senkungen in Folge hatten Volkswirte mit dieser Zinspause gerechnet. Wegen der schwächelnden Konjunktur gibt es jedoch bereits Forderungen, den wichtigsten Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft im Euroraum weiter zurückzunehmen. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und können so das Wachstum anschieben. Die EZB-Ratsmitglieder waren in Frankfurt unter dem Vorsitz von Zentralbankchef Mario Draghi zu ihrer ersten Sitzung des Jahres in neuer Besetzung zusammengekommen.

Der EZB-Chef rief die EU-Regierungschefs nach dem Treffen dazu auf, die Regeln der geplanten Fiskalunion so deutlich wie möglich zu formulieren. „Die Gesetzestexte müssen unmissverständlich und effektiv sein“, sagte Draghi. Außerdem solle die Abmachung so schnell wie möglich ratifiziert werden. Die Staats- und Regierungschefs kommen Ende Januar in Brüssel zusammen, um die Details der Fiskalunion zu regeln. Nur Großbritannien hat sich dieser verweigert.

Draghi sieht außerdem erste Zeichen der Stabilisierung der Wirtschaft in der Eurozone. „Die Wirtschaft wird sich 2012 wieder stabilisieren, wenn auch nur schrittweise“ und auf niedrigem Niveau. Die Schuldenkrise habe weiterhin einen starken Einfluss auf die Realwirtschaft in den 17 Euro-Ländern.

Die Währungshüter hatten den Leitzins im November und Dezember jeweils um einen viertel Prozentpunkt auf ein Prozent gekappt haben. Zudem hatten die Währungshüter vor Weihnachten ein umfangreiches Stützungspaket für die Banken der Euro-Zone auf den Weg gebracht, vom dem eine der wichtigsten Maßnahmen, die Halbierung der Mindestreservequote, erst in der kommenden Woche in Kraft tritt. Manche Analysten rechnen im Februar mit der nächsten Leitzinssenkung, sollten die Konjunkturwolken über der Weltwirtschaft sich weiter verdunkeln.

+++ Banken leihen sich fast 500 Milliarden Euro +++

+++ Die "Angstkasse": Banken bunkern Rekordsumme bei EZB +++

Zum Rat gehören nun auch der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen und der Franzose Benoît Coeuré, die Jürgen Stark und Lorenzo Bini Smaghi ersetzen. Chefökonom Stark war aus Protest gegen die Krisenpolitik der EZB gegangen, Bini Smaghi fiel politischem Druck zum Opfer und musste dem Umstand Tribut zollen, dass zusammen mit Draghi zwei Italiener im Vorstand der Zentralbank vertreten waren. Eine neue Rolle hat seit Anfang Januar das belgische Direktoriumsmitglied Peter Praet : Als EZB-Chefvolkswirt kommt ihm das Privileg zu, die Sitzung zu eröffnen. Der EZB-Rat besteht aus den 17 nationalen Zentralbank-Chefs und dem sechsköpfigen EZB-Direktorium.

Neben dem weiteren Kurs der Geldpolitik dürfte vor allem die andauernde Diskussion über die Höhe der Beteiligung des privaten Sektors, also hauptsächlich von Banken und Versicherungen, an einer Umschuldung Griechenlands die Debatte bestimmen. Der Privatanteil an den Hellas-Hilfen ist offenbar unzureichend. Wie Reuters am Mittwoch von mehreren mit den Verhandlungen vertrauten Bankern erfuhr, müssen die Euro-Staaten möglicherweise noch tiefer in die Tasche greifen.

Experten erwarten außerdem, dass EZB-Chef Draghi bei der Pressekonferenz im Anschluss an das Ratstreffen den Druck auf die Politik erhöhen wird, endlich zu einer auch an den Finanzmärkten akzeptierten Lösung der Schuldenkrise zu kommen. Das nächste Gipfel-Treffen der Staats- und Regierungschefs ist für Ende Januar terminiert.

Zudem wird die desolate Lage des Geldmarktes für Diskussionen im EZB-Rat sorgen. Da sich die Banken überhaupt nicht mehr vertrauen und untereinander so gut wie kein Geld leihen, parken viele Institute überschüssiges Geld lieber bei der EZB und nehmen Zinsverluste in Kauf. Diese „Angstkasse“ , technisch spricht man von der Einlagefazilität der Zentralbank, schwoll am Mittwoch auf 486 Milliarden Euro an und erreichte den vierten Tag in Folge Rekordniveau. Kurz vor Weihnachten hatten sich die Geldhäuser bei der EZB sage und schreibe 489 Milliarden Euro für drei Jahre besorgt, die sie aber offenbar nicht weiter verleihen. Der EZB-Rat muss sich Gedanken machen, wie er mit dieser Situation umgeht: denkbar ist ein Nullzins auf Einlagen oder – wenn auch unwahrscheinlicher – sogar ein Strafzins. (Reuters/dpa/dapd/abendblatt.de)