Ihre Disziplin führte die energiegeladene Sterneköchin zum Erfolg, nur mit privaten Vorsätzen hapert es, verriet sie dem Abendblatt.
Hamburg. Der Frühling ist da. Mit aller Macht. Und den ersten frischen Morcheln. Für 35 Euro das Kilo. Um fast die Hälfte weniger als noch vor einer Woche, sagt sie erfreut. Cornelia Poletto, Chefin des kleinen feinen Gourmetrestaurants Poletto an der Eppendorfer Landstraße. Eine von gerade mal acht Sterneköchinnen in Deutschland, Buchautorin - und die NDR-Kochshow "Polettos Kochschule" macht sie auch noch. Eine energiegeladene Frau, die den Dienstag ihren Horrortag nennt. Nach zwei restaurantfreien Tagen breche alles auf einmal los. Frische Ware, Menüplanungen, Anrufe hungriger Gäste und unzählige Terminabsprachen. Heute ist so ein Dienstag. Doch Cornelia Poletto ist gut drauf. Mit Rosi und Franzi im Schlepptau. Rosi, der zehnjährigen Jack-Russell-Terrier-Hündin, genauso alt wie ihr Restaurant. Und Franzi, der Dackelmischung aus dem Tierheim, die so gerne Schuhe zernagt.
Cornelia Poletto sieht aus wie frisch poliert, sagt lachend, das käme von der feuchten Luft in der Küche, aber wahrscheinlich eher von den guten Genen. Wir sitzen an dem langen Tisch in ihrer Kochschule, die hier einmal im Monat stattfindet. Die gewaltige Aufschnittmaschine im Blick. Blutrot, gusseisern. Mit der großen Handkurbel für den hauchzarten Zuschnitt von italienischem Culatello und Tiroler Bauernschinken.
Vier Bücher hat sie mittlerweile geschrieben. Das letzte zusammen mit ihrem Vater, dem Direktor der Lübecker Frauenklinik, Professor Klaus Diedrich. Zum Thema "gesund durch die Schwangerschaft". Und ja, es stimme tatsächlich. Ihr Vater habe selbst Hand angelegt bei der Kaiserschnittgeburt ihrer Tochter. Sie würde ihm blind vertrauen. Auch wenn ihre Figur ein väterliches Erbe sei. "Untrainiert mit kleiner Bauchrolle". So gibt sie sich gern. Burschikos, ein bisschen flapsig. Ein gutes Versteck für ihre manchmal dünne Haut.
Kochen sei zehn Prozent Talent und der Rest harte Arbeit, hat ihr Kollege Eckart Witzigmann einmal gesagt. Cornelia Poletto würde lieber noch einen Spaßfaktor von 20 bis 30 Prozent mit einrechnen. Und ja, sagt sie, das könne sie jedem verklickern. Kochen mit Spaß. Jedem, der gerne esse. Auch Ihnen, sagt sie. Zumindest die Basics. Über den Markt gehen, frischen Wolfsbarsch sehen, gleich nebenan Artischocken entdecken, und schon würde es klick in Ihrem Kopf machen, eine kreative Kombination entstehen. Das lässt doch hoffen.
Sie hat es sich nicht leicht gemacht in dieser Männerdomäne. Anfang der 90er-Jahre, als ihre Eltern es wohlwollend als so eine ihrer vielen neuen Ideen abtun: Köchin zu lernen. So wie Nonne werden "à la Audrey Hepburn", Tierärztin und selbst Fremdsprachenkorrespondentin.
Bei dem cholerischen und schwierigen Chef Heinz Winkler im bayerischen Aschau lernt sie, Zähne zusammenzubeißen. Sich durchzukämpfen. Sie habe einfach keine Angst gehabt, sagt sie. Aber eine ganze Menge Respekt vor seinem Können.
Unerschrocken war sie schon immer. Selbst zu Kinderzeiten. Als sie Weinbergschnecken liebt, während ihre gleichaltrigen Freundinnen sich vor "diesen Gummiwürmern" schütteln. Sich kaum für die Schule interessiert, lieber Turniere reitet und Kuchen und Torten backt. Ein Angestellter kommt mit der gebundenen "Polettos Kochschule" an den Tisch. Für einen Stammgast. Sie unterschreibt kurz und zackig. Erzählt von einem ihrer Träume. Einem Grünkohl-Ravioli-Rezept. Schräg und undurchführbar! Wie Träume manchmal so seien. Und auch davon träume sie: von Gästen, die sich einfach in ihrem Lokal fallen und dem Koch freie Hand lassen. Beim Kochen. Mit manchen Gästen ginge das ganz gut. Und überhaupt - sie brauche das: Wärme, Herzlichkeit, Nachbarn, Stammgäste, die miteinander reden. Über die Tische weg.
Vor drei Jahren hat sie sich von Ehemann Remigio getrennt. Anfangs, sagt sie, habe sie all die Beziehungskrisen um sich herum registriert. So, als wenn man schwanger durch Eppendorf laufe und sich plötzlich von dicken Bäuchen umzingelt sehe. "Es gibt ihn, diesen berühmten Eppendorfer Babyboom."
Und so darf auch das Thema Liebe nicht fehlen. Hier, wo Träume erkocht werden. Und die Liebe sich mehr auf die Hüften legt als aufs Herz. Die andere Liebe also. Die ganz große, an die sie fest glaubt. Auf jeden Fall! Kein Blitzschlag mehr, nein. Sie sei einfach kritischer geworden, vorsichtiger auch. Sie würde langsamer wachsen. Die Liebe. Und das könne ja auch gut sein.
Plötzlich zögert Cornelia Poletto. Ihre Augen werden leicht grün. Sie kichert. Erzählt von diesem Schulaufsatz. Thema: Berufswunsch. Sie wollte: heiraten, zwei Kinder, einen Labrador. Irgendwie nicht geschafft, sagt sie lakonisch. So wie mit den guten Vorsätzen. Eine Woche keinen Wein trinken - klappt nicht, weil sie allzu gerne spät abends noch mit guten Freunden den Tag ausklingen lasse. Einen Obsttag pro Woche - schon mittags käme es ihr zu den Ohren raus. Wenigstens zweimal pro Woche joggen um die Alster oder den Mühlenteich um die Ecke - ja, ja! Wäre gut. Eins aber habe sie sich fest vorgenommen. Und werde das auch durchziehen. Sich selbst zum 40. Geburtstag was ganz Besonderes schenken: ein altes Alfa-Cabrio. Ihr Traumauto. Und dann bleiben wir beim Glück hängen. Dem von glücklichen, artgerecht gehaltenen alten Schweinezüchtungen, die 2010 wieder "in" sein werden. Von glücklichen Gästen und glücklichen Köchen. Und Köchinnen. Wie ihr. "Mit einem süßen kleinen Restaurant, einem tollen Leben, einer tollen Tochter, tollen Freunden - und das mit dem tollen Mann wird auch noch klappen." Tja. So fühlt sich Frühling an. Hier in Eppendorf.