Lena Meyer-Landrut hat das Finale des Eurovison-Vorentscheids für sich entschieden. Die Hannoveranerin kann ihren Sieg kaum fassen.
Köln/Hamburg. „Wahnsinnig und atemberaubend“ - Deutschlands „Star für Olso“, Lena Meyer-Landrut, konnte es noch gar nicht richtig fassen: Die 18-jährige Abiturientin aus Hannover wird beim Eurovision Song Contests am 29. Mai mit dem Song „Satellite“ vor einem Millionen-Publikum in Norwegen auftreten. Sie setzte sich am Freitagabend im Finale der Castingshow „Unser Star für Oslo“ gegen Jennifer Braun aus Hessen durch. „Ich bin so überwältigt, die Freude kommt glaube ich so richtig in den nächsten Tagen“, sagte sie danach.
Rund 4,5 Millionen Zuschauer sahen sich den Abschluss der Castingshow-Reihe bei der ARD an. Mit einem Marktanteil von 14,6 Prozent reichte es nur für den 3. Platz nach dem ZDF-Krimi (18,7 Prozent) und einem RTL-Quiz ( 16,5 Prozent). Doch begeisterten sich viele junge Leute für die Show: bei den 14- bis 49-Jährigen lag der Marktanteil bei 20,3, bei den 14- bis 29-Jährigen bei 22,7 Prozent.
Gelockt wurden sie von der unbeschwert schlagfertigen Lena, die von der ersten Show an als Favoritin galt. Ihre Fanseite beim Online-Netzwerk Facebook hatte am Tag vor dem Finale schon 13 000 Fans; am Sonnabendvormittag waren es bereits 20 000. Sie stimmten wahre Lobgesänge an: „Rock on!“, „[...] ganz egal, welchen Platz du landest du BIST die Nummer 1“, „Deutschland hat seine allerbeste Entscheidung dieses Jahrhunderts gefällt“. Auch Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) freute sich über die „tolle Sympathieträgerin“ und lud sie und ihre Freunde für Dienstag ins Rathaus ein.
“Wir können mit Freude in Oslo die deutsche Fahne hochhalten“, begeisterte sich Showinitiator, Talententdecker und Jurypräsident Stefan Raab. Von der Jury des Finales hatte es fast nur Lob für Lena gegeben: „Irgendwie ganz speziell“, fand Xavier Naidoo. Und Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß meinte nach dem Song „Satellite“ begeistert: „Du hast die Geschichte erzählt.“
Vor allem ihre Musikauswahl abseits des Mainstream beeindruckte die Juroren. Ihr Wettbewerbssong, den die Zuschauer ebenfalls auswählten, passte da hervorragend: In dem ungewöhnlichen Lied mit Anteilen von Sprechgesang erzählt Lena die Geschichte in ihrer typisch-schauspielerischen Gesangsweise - und erinnert damit an britische Sängerinnen wie Lily Allen, Kate Nash oder Adele, von denen sie in der Qualifikation Lieder gesungen hat. Ihre Konkurrentin Jennifer Braun konnte da letztendlich nicht mithalten. „Jenny hätte es echt verdient“, sagte traurig einer der 900 Fans, die in Jennifers Heimatstadt Eltville eine „Final-Voting-Party“ feierten.
Das Finale in der ARD war die achte Show in der gemeinsamen Castingreihe mit ProSieben, die Anfang Februar begonnen hatte. Aus zunächst 20 Kandidaten wurden über sechs Wochen hinweg Lena und Jennifer ausgewählt. Insgesamt hatten sich mehr als 4500 Menschen für das Casting beworben.
Es war das erste Mal, dass sich die verantwortliche öffentlich-rechtliche ARD für die Grand-Prix-Qualifikation einen Privatsender als Partner mit ins Boot holte - und voll auf das Konzept des ProSieben-Moderators Raab setzte. Der hat Erfahrung mit dem Eurovision Song Contest: Im Jahr 2000 holte er selbst mit „Wadde hadde dudde da“ den fünften Platz, außerdem war er als Komponist von Guildo Horn und mit seinem „TV total“-Castinggewinner Max Mutzke erfolgreich.
Viele Kritiker lobten die Show, weil sie nicht in das bei Castings häufig zu beobachtende „Erniedrigungs-TV“ ausartete, bei dem die Teilnehmer vorgeführt werden. Andere bemängelten jedoch den Raabschen „Streichelzoo“, in dem die Jurys allzu kritiklos mit den Sängern umgingen und fast nur Lob verteilten.
Die Sender zeigten sich zufrieden, auch wenn die Quote nicht immer den Erwartungen entsprach. „Die Zusammenarbeit aller Partner war professionell, fair und unkompliziert“, sagte NDR-Intendant Lutz Marmor. „Insbesondere bei den Jüngeren können wir einen beachtlichen Erfolg verzeichnen. Das Experiment hat sich gelohnt.“ ProSiebenSat.1-TV-Vorstand Andreas Bartl dankte Raab und der ARD „für diese einzigartige und durchweg gute Zusammenarbeit“.
Die Zuschauerzahlen lagen zwischen knapp zwei und knapp drei Millionen - nach den ARD-Vorentscheiden der vergangenen Jahre viel zu wenig. ProSieben konnte dagegen mit 13,4 Prozent Marktanteil beim werberelevanten Publikum der 14- bis 49-Jährigen in den sechs ProSieben-Shows den Senderschnitt deutlich überbieten.
Doch auch wenn die Showreihe kein Straßenfeger war, dürfte Lena eine Menge Fans in Deutschland erreichen. Denn die Popwellen der ARD werden „Satellite“ bis zum internationalen Finale etliche Male ausstrahlen. Anders als 2009, als eine Jury hinter verschlossenen Türen das Duo Alex Swings Oscar Sings mit „Miss Kiss Kiss Bang“ wählte und weder die deutschen Fans noch die internationale Grand-Prix-Gemeinde damit begeistern konnte - Ergebnis: 20. Platz.