Sie gilt als absolut verschwiegen, nie ließ sie die Öffentlichkeit in ihr Privatleben blicken - Diskretion war stets oberstes Gebot der ganzen Familie Quandt.
München. Jetzt reißt der Vorhang auf und gibt den Blick frei - auf eine intime und bittere Geschichte. Die Münchner Quandt-Erbin und BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, verheiratet und Mutter dreier Kinder, ließ sich unwissentlich mit einem mutmaßlichen Kriminellen ein, der sie anschließend mit verfänglichen Fotos und Videos erpresste.
Die 46-jährige Milliardärin, die als reichste Frau Deutschlands gilt, soll eine Millionensumme gezahlt haben, bevor sie zur Polizei ging. "Die Erpressungen mit Bildern von gemeinsamen Begegnungen haben im Herbst 2007 begonnen", teilt Klattens Sprecher Jörg Appelhans dazu mit. "Zunächst forderte der Erpresser ein Darlehen über mehrere Millionen Euro, später versuchte der Täter eine weit höhere Summe zu erpressen." Der Betrüger, ein 43 Jahre alter Schweizer, wurde im Januar festgenommen und sitzt seit März im Münchner Gefängnis Stadelheim in Untersuchungshaft. Noch in diesem Jahr soll gegen ihn Anklage erhoben werden, wie der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler am Montag sagte. Der 63 Jahre alte italienische Komplize des Schweizers wartet in Italien auf ein Verfahren.
Susanne Klatten soll den Kriminellen zufällig 2007 an einer Hotelbar kennengelernt und ihn dann mehrfach getroffen haben. Zeitungsberichten zufolge soll der Mann zuerst mit einer erlogenen Geschichte Geld ergaunert haben. Er habe das Kind einer Mafia-Familie angefahren, nun brauche er Geld, um die Mafiosi zu besänftigen. Doch selbst nach der Übergabe von sieben Millionen Euro in 200-Euro-Scheinen gab er sich offenbar nicht zufrieden und drohte nun mit der Veröffentlichung von Videos.
Als Klatten klar wird, dass sie an einen Betrüger geraten ist, tut sie einen mutigen Schritt: Trotz der drohenden Öffentlichkeit, die sie zeitlebens gemieden hat, geht sie zur Polizei. Bei der vereinbarten Geldübergabe wartete dann statt der erpressten Frau die Polizei. Die Handschellen klickten Medienberichten zufolge am 14. Januar im österreichischen Tirol. "Sie hat konsequent und ohne Rücksicht auf die für sie unangenehmen öffentlichen Folgen Anzeige erstattet", betonte Appelhans. "Sie hat das auch getan, um dem Täter das Handwerk zu legen und andere eventuelle Opfer vor dessen kriminellen Machenschaften zu bewahren."
Denn Susanne Klatten soll nicht als Einzige auf den Mann hereingefallen sein - Medienberichten zufolge hat der Schweizer auch andere vermögende Damen verführt und mehrere Millionen Euro von ihnen erpresst. Er soll dem Vernehmen nach professionell und sehr systematisch vorgegangen sein. Die Staatsanwaltschaft will sich zu möglichen weiteren Erpressungsfällen nicht äußern. Auch wie der mutmaßliche Betrüger sich zu den Vorwürfen stellt, ist nicht bekannt.
Mit der Quandt-Familie kam der Schweizer an eine der reichsten Wirtschaftsdynastien Deutschlands. Mit dem Tod des Vaters Herbert Quandt in den 1980er Jahren übernahm Klatten gemeinsam mit ihrem Bruder Stefan einen Großteil des Vermögens der Quandts. Ihr gehören unter anderem große Anteile an DAX-Unternehmen. Klatten ist Großaktionärin von BMW, an deren Wertpapieren sie zusammen mit Mutter Johanna und Bruder Stefan 46,6 Prozent hält, zudem ist sie Hauptaktionärin des Chemie-Unternehmens Altana. Als Aufsichtsrätin der Unternehmen agierte sie in der Regel im Hintergrund.
Stets war Klatten mit allergrößter Vorsicht mit ihrer prominenten Herkunft umgegangen. Die gelernte Werbekauffrau und Betriebswirtin hatte während ihrer Ausbildung für ein Praktikum bei BMW in Regensburg sogar das Pseudonym Susanne Kant angenommen - unter dem sie auch ihren späteren Ehemann Jan Klatten kennenlernte. Er und die gesamte Familie halte auch jetzt zu ihr, sagt Appelhans. "Die Familie steht zu ihr und gibt ihr in dieser Situation große Kraft."