Hamburg. Nach der Bundesliga-Auftaktniederlage gegen Heidenheim ist die Zufriedenheit erstaunlich hoch. Was nun zu tun ist.

Alexander Blessin hatte gekleckert. Ein wenig des Mineralwassers – Sprudelgrad „laut“ – war am ökologischen Maisstärkebecher vorbei auf den Tisch gespritzt, an dem der Cheftrainer des FC St. Pauli saß. Während Urgestein Frank Schmidt gerade erläuterte, weswegen dem 1. FC Heidenheim zum Bundesligastart ein 2:0-Sieg im Millerntor-Stadion geglückt war, zeichnete Blessin, das Gesicht von der Mütze mit dem sehr elliptischen Schild stark schattiert, gedankenversunken Muster in die Tropfen.

Seine Mannschaft hatte zuvor, zumindest aus Sicht des Übungsleiters und vieler Spieler, geklotzt und nicht gekleckert. Das große Ganze, es passte im Ansatz. Die Details sind zu verbessern. „Ich bin wahnsinnig stolz auf die Performance der Mannschaft“, lobte Blessin, „wir nehmen viel Positives mit.“ Nur eben zunächst noch keine Punkte.

FC St. Pauli zeigt ordentliche Ansätze beim Bundesliga-Debüt – unterliegt dem 1. FC Heidenheim dennoch

Denn Fußball ist in der Bundesliga ein Spiel der Effizienz. „Es waren unsere eigenen Fehler, die uns das Spiel gekostet haben. In dieser Liga bezahlt man, wenn man die Chancen nicht nutzt“, sagte Connor Metcalfe. Hauke Wahl ergänzte: „Zweimal waren wir zu unaufmerksam.“

Ansonsten stimmten sowohl der Mittelfeldspieler als auch der Innenverteidiger in die allgemein optimistische Stimmungslage ein. Es wurde von einem „sehr soliden Auftritt“ und „guten Zeichen“ gesprochen (Metcalfe); von „einem grundsätzlich guten Spiel, in dem die Art und Weise, die der Trainer vorgibt, funktioniert, wir vor allem mit der Leistung gegen den Ball zufrieden sein können.“ (Wahl) Lars Ritzka, als guter linker Schienenspieler in der Startelf, wurde besonders deutlich: „Die größte Erkenntnis ist, dass wir mithalten können. Wir glauben an das neue System, auch wenn es hier und dort vielleicht noch ein bisschen hakt.“

Defensiv stehen die Kiezkicker bereits sehr gut

Defensiv ist das Zutrauen bereits gerechtfertigt. St. Pauli ließ Heidenheim kaum Abschlüsse zu. „Es gab keine großen Aktionen, wo ich das Gefühl hatte, da brennt was an. Wir haben die Lücken geschlossen, standen sehr kompakt“, sagte Blessin. Insbesondere Karol Mets war im Zweikampf fast unüberwindbar.

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Lars Ritzka (26): „Die größte Erkenntnis ist, dass wir mithalten können. Wir glauben an das neue System, auch wenn es hier und dort vielleicht noch ein bisschen hakt.“ © Witters | Valeria Witters

Nach vorne sprudelten die Ideen der Kiezkicker dagegen weniger als das Wasser ihres Trainers. Den proklamierten Umschaltfußball spielten viel eher die Gäste. Immerhin: Die Hamburger zeigten sich direkt variabel. Als das Zentrum anfangs verdichtet war, fanden sie Lösungen, indem die Achter Metcalfe und Robert Wagner in die Breite zogen und somit in der Mitte Freiräume schufen. Die Außenverteidiger Ritzka und Philipp Treu standen dann allerdings mitunter etwas zu flach. „Wir wollten den Gegner schon locken, aber mir waren das zu viele Rückpässe“, sagte Blessin.

Passquote noch zu gering, Morgan Guilavogui erspielt sich Chancen, vergibt sie aber

Zumindest waren es Pässe, die ankamen. Das ist eine der offensichtlichsten Schwachstellen des FC St. Pauli der noch jungen Saison. Das neue System, in dem deutlich häufiger lange Bälle gespielt werden, bedingt zwar eine weniger erfolgreiche Passquote. Allerdings liegen die Werte unter dem Soll. Von Ritzkas fünf Flanken kam keine an, Treus vier liefen ebenfalls ins Leere, selbst Flugball-Maestro Eric Smith brachte nur vier seiner zwölf weiten Zuspiele an den Mann.

Wenn es doch mal gelang, wie es Blessin mit dem Finger nicht besser in einer Pfütze hätte malen können, bestand Potenzial bei der Durchsetzungskraft des Zielspielers. Der auffällige und ansonsten solide Morgan Guilavogui entschied nur drei seiner elf Kopfballduelle für sich, vergab zwei größere Chancen. Blessin fand dennoch anerkennende Worte – und das auch zu Recht. „Bei mir hätte das früher an fehlender Qualität gelegen“, scherzte der ehemalige Stürmer. Bei Guilavogui sei das lediglich Formsache. Der Franzose habe intelligente Laufwege gewählt, Zielbälle gut festgemacht.

Ist der FC St. Pauli zu zufrieden nach der Auftaktniederlage?

Ein Grund dafür, dass Blessin erneut lange wartete, um die Außenbahnoffensiven Oladapo Afolayan (76. Minute) und Elias Saad (84.) einzuwechseln. „Morgan wirkte frisch. Und warum sollten wir etwas ändern? Es lief ja ganz gut“, begründete der 51-Jährige.

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Alexander Blessin (51) hat über die Taktik seines FC St. Pauli noch zu Grübeln. © Witters | Leonie Horky

Bei so viel kollektivem Lob kann beinahe der Eindruck entstehen, die Zufriedenheit sei nach dem zumindest resultatstechnisch misslungenen Auftakts in die Bundesliga zu ausgeprägt. Dem ist allerdings nicht so. An diesem Dienstag steigen die Kiezkicker in die Trainingswoche ein, beginnend mit der Videoanalyse. „Die wird viele gute Szenen beinhalten, aber ich werde auch ein paar Sachen ansprechen, bei denen ich den Finger in die Wunde lege“, versicherte Blessin. Im Anschluss folgt die einzig intensive Einheit vor der Partie bei Union (Blessin, zuvor bei Union St.-Gilloise in Belgien tätig, sprach das Vereinspräfix aus alter Gewohnheit französisch aus) Berlin am Freitag.

Was Alexander Blessin Hoffnung auf Erfolgserlebnisse in der Bundesliga macht

Bevor an jenem Abend um 18 Uhr das Transferfenster schließt, dürfte sich am Kader etwas tun, was unterstreicht, mit allem sind die Hamburger doch nicht so zufrieden. „Wir sind in der Habachtstellung“, sagte Blessin. Nach Abendblatt-Informationen hält St. Pauli die Augen offen, ob sich noch ein zentraler Mittelfeldspieler auftreiben lässt. Das schwedische Mittelfeldtalent Erik Ahlstrand dürfte verliehen werden, um Spielpraxis zu bekommen.

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Die zunehmende Beschlagenheit seiner übrigen Akteure in der Bundesliga wiederum stimmt Blessin jetzt schon optimistisch. „Im Normalfall machst du die Tore aus unseren Gelegenheiten, da waren richtige gute Dinger dabei. Sehr viel vom Matchplan ist aufgegangen, das macht mir Hoffnung.“ Sollte aus dem Traum Realität werden, kann sich auch sein Team demnächst bekleckern – mit Ruhm.