Hamburg. Einen Tag nach dem enttäuschenden 2:2 gegen Schalke zieht Stefan Kuntz die Reißleine. Wie es jetzt weitergeht im Volkspark.

Steffen Baumgart ist nicht mehr Trainer des HSV. Nur wenige Stunden nach dem enttäuschenden Auftritt des HSV gegen Schalke 04 (2:2) hat der Club die Reißleine gezogen und den 52-Jährigen freigestellt. Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa teilten dem Coach die Trennung am Sonntag in einem persönlichen Gespräch mit. Im Anschluss wurde auch die Mannschaft über die Entscheidung informiert.

Neben Baumgart müssen auch seine beiden Assistenten Kevin McKenna und René Wagner gehen. Als Interimslösung übernimmt vorerst der bisherige Co-Trainer Merlin Polzin, der die Mannschaft nach Clubangaben auf das kommende Auswärtsspiel beim Karlsruher SC (Sonntag, 1. Dezember) vorbereitet.

HSV trennt sich von Trainer Steffen Baumgart

„Steffen hat mit großer Leidenschaft, Energie und Einsatz bis zuletzt alles für den HSV gegeben. Unsere Analyse der aktuellen Situation und des gestrigen Spiels hat aber nochmals verdeutlicht, dass wir für den Weg aus der Leistungs- und Ergebniskrise einen neuen Impuls für nötig erachten“, teilte Kuntz mit.

Baumgart selbst fand stilvolle Worte zum Abschied. „Ich möchte mich bei Stefan Kuntz und auch Jonas Boldt für die Chance bedanken, bei meinem Lieblingsverein der Kindheit arbeiten zu dürfen“, sagte er und ergänzte: „Es war eine spannende und sehr intensive Zeit. Ich bleibe dem Club verbunden und wünsche dem HSV, dass man die Ziele erreicht. Mein Dank gilt auch dem gesamten Staff und allen Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle.“

In 27 Spielen holte Baumgart im Schnitt gerade einmal 1,59 Punkte. Vom intern ausgerufenen Zweipunkteschnitt hatte sich der HSV zuletzt immer weiter entfernt.

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HSV-Spieler unter Baumgart in Formkrise

Die Entscheidung ist die logische Konsequenz aus einer Fehlentwicklung in den vergangenen Wochen nach nur zwei Punkten aus vier Ligaspielen. Beim Zweitliga-Topspiel am Sonnabendabend gegen Schalke hatte Kuntz von Baumgart nicht weniger als die Trendwende erwartet. Doch speziell in der zweiten Halbzeit waren die Defizite zu offensichtlich, sodass die Verantwortlichen keine andere Wahl hatten.

Die Mannschaft wirkte völlig verunsichert, viele Spieler sind weit entfernt von ihrer Bestform. Gerade die Führungsspieler Sebastian Schonlau, Davie Selke und Jonas Meffert befinden sich in einer Formkrise. Baumgart hatte es zuletzt nicht mehr geschafft, Lösungen inmitten der schweren Aufstiegskrise zu finden.

Das fußballerische Potenzial des im Sommer mit hohem finanziellen Aufwand aufgemotzten Kader konnte er nie wirklich ausschöpfen. Seine Idee, Tore zu schießen, basierte auf Flanken, Standards und hohem Anlaufen der gegnerischen Aufbauspieler. Wenn sich die Gegner nicht aus der Ordnung locken ließen, hatte der HSV jedoch Probleme, aus dem Spiel heraus zu Torchancen zu kommen.

HSV-Trainer Baumgart genervt über Fragen

Gegen Schalke traf der bisherige HSV-Coach zudem einige fragwürdige Personalentscheidungen. Beide Schienenpositionen wurden mit den gelernten Defensivspielern William Mikelbrencis und Noah Katterbach besetzt. Unterschiedsspieler Jean-Luc Dompé wurde erst in der 79. Minute als letzter Spieler eingewechselt. Auf die bei Baumgart in Ungnade gefallenen Offensivkräfte Bakery Jatta und Immanuel Pherai verzichtete der Trainer komplett. Der 1,2 Millionen Euro schwere Neuzugang Emir Sahiti stand gar nicht erst im Kader.

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Auf Nachfragen, welche Idee Baumgart damit verfolgte, reagierte er genervt auf der Pressekonferenz. Selbstkritik ließ er dagegen komplett vermissen, sprach stattdessen von einem „Teilerfolg“ gegen Schalke und einer „sehr guten ersten Halbzeit“. Beim TV-Sender Sky ergänzte der 52-Jährige, dass er sich stark genug fühle, „um die Aufgabe zu lösen“. Vorstand Kuntz kam nun zu einer anderen Bewertung.

HSV und Polzin – da war doch was

Mit Polzin entschied sich der Manager nun für eine Interimslösung, zu der es schon einmal kam beim HSV. Als sich Ex-Sportvorstand Jonas Boldt im Februar dieses Jahres nach einer 3:4-Heimniederlage gegen Hannover 96 von Trainer Tim Walter getrennt hatte, übernahm Polzin.

Boldts Plan sah es vor, das 34 Jahre alte Trainertalent so lange wie möglich im Amt zu lassen, um Zeit für eine Nachfolgeregelung zu finden. Idealerweise sollte der bisherige Co-Trainer die Hamburger zum Aufstieg führen und dann wieder in die zweite Reihe rücken. Doch Boldts Gedankenspiele hatten sich schon nach einer Partie erledigt, weil dem Team beim 2:2 in Rostock jegliche Ordnung fehlte. Der Manager musste reagieren und verpflichtete nur zwei Tage später Baumgart als neuen Chefcoach.

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HSV kam unter Baumgart vom Kurs ab

Viele Fans betrachteten den HSV-Fan als Heilsbringer und waren von der Rückkehr in die Bundesliga überzeugt. Doch Baumgart scheiterte krachend, schon am vorletzten Spieltag war der Aufstieg nach einem 0:1 in Paderborn nicht mehr möglich. Boldt wollte sich daraufhin im Sommer von Baumgart trennen, eine Woche später musste er allerdings selbst gehen und Kuntz übernahm. Der neue starke Mann sprach Baumgart direkt bei seinem Amtsantritt das Vertrauen aus. Der Trainer sollte die Chance bekommen, Transferwünsche zu äußern und die Mannschaft im Rahmen einer Sommervorbereitung auf seine Spielidee umzuschulen.

Doch auch in dieser Spielzeit droht der Club seine Ziele zu verfehlen. Nach den Siegen in Düsseldorf (3:0) und gegen Magdeburg (3:1) befand sich der HSV vor einem Monat noch auf Kurs. Dann aber brach die Mannschaft aus unerklärlichen Gründen ein und holte nur noch zwei Punkte aus vier Spielen. Baumgart schaffte es in dieser Phase nicht, die Wende herbeizuführen. Nach dem 1:3 in Braunschweig wirkte er ratlos, das 2:2 gegen Schalke versuchte er schönzureden.

Kuntz gewann daraufhin den Eindruck, dass der Trainer nicht mehr der richtige Mann für den Aufstieg ist. Am Nachmittag erklärte der Vorstand seine Entscheidung in der Livesendung von Welt TV und Bild TV.