Hamburg. Zweimal verpasste der Sportvorstand das Momentum und entschied sich für einen Verbleib des Trainers. Nun sollte er es besser wissen.

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass an dieser Stelle ein hartes Urteil gefällt wurde: Der Tim-Walter-Fußball hat in Hamburg keine Zukunft, kommentierte das Abendblatt nach einer 1:2-Niederlage gegen Paderborn und forderte vom damaligen HSV-Sportvorstand Jonas Boldt, die Zeichen der Zeit zu erkennen und den Trainer zu wechseln: „Es braucht eigentlich dieses Spiel nicht mehr, um zu erkennen, dass auf den Trainerposten Handlungsbedarf besteht beim HSV“, hieß es in dem Meinungsstück.

Boldt entschied sich damals anders – und wurde nach einem schwachen Rückrundenstart eines Besseren belehrt. Walter musste dann doch gehen, Steffen Baumgart kam, der Aufstieg wurde trotzdem in der Rückrunde verspielt – und am Ende musste dann auch Jonas Boldt gehen.

HSV: Kuntz entscheidet über Baumgart

Zwölf Monate später ist die Situation same same, but different. Diesmal ist es Walter-Nachfolger Steffen Baumgart, dessen Job nach dem enttäuschenden 2:2 gegen das limitierte Schalke 04 auf der Kippe steht. Dabei geht es beim HSV in dieser Saison nicht das erste Mal um Baumgarts Zukunft.

Als Boldt-Nachfolger Stefan Kuntz im Sommer beim HSV anfing, hatte manch einer mit einem sofortigen Wechsel auf der Trainerposition gerechnet. Baumgarts Zwischenzeugnis nach nur sechs Siegen aus zwölf Spielen in der Rückrunde der Vorsaison und dem erneut verpassten Aufstieg war schwach, sein Fußball weniger attraktiv als der seines Vorgängers und auch mit seiner Außendarstellung haderte manch ein Beobachter.

Schon vor der Länderspielpause ging es um Baumgarts Job

Doch Kuntz wollte seinen neuen Job nicht direkt mit einer Trainerentlassung beginnen und sprach dem Coach sein Vertrauen aus. Dieses konnte Baumgart allerdings auch nach einer eigenen Vorbereitung und hochpreisigen Kaderverstärkungen nicht mit Ergebnissen (und auch nicht mit attraktivem Fußball) zurückzahlen. Bis zur Länderspielpause Anfang November konnte der HSV nur fünf Siege aus zwölf Spielen holen, wodurch erneut die Forderungen nach einem Trainerwechsel lauter wurden.

Stefan Kuntz entschied sich allerdings erneut trotz vier Pflichtspielen in Folge ohne Sieg für die Kontinuität. Doch erneut zahlte sich das Vertrauen nicht aus. Gegen die strauchelnden Schalker reichte es nach der Länderspielpause trotz komfortabler 2:0-Führung nur zu einem 2:2, besonders in der zweiten Halbzeit spielte der HSV teilweise viel zu wild. Eine klare Linie war speziell nach dem Seitenwechsel genauso wenig zu erkennen wie in vielen anderen Partien zuvor.

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Der Franzose William Mikelbrencis, der im Sommer abgegeben werden sollte, durfte beispielsweise von Anfang an spielen, sein Landsmann Jean-Luc Dompé – ein echter Unterschiedsspieler – kam erst kurz vor Schluss. Bakery Jatta, einer der leistungsstärksten HSV-Profis der vergangenen Jahre, durfte gar nicht spielen. Auch die teuren Neuzugänge Emir Sahiti (nicht im Kader), Silvan Hefti und Lucas Perrin (kamen beide in der zweiten Halbzeit) scheinen unter Baumgart keine große Rolle zu spielen.

Steffen Baumgart hat keine Zukunft beim HSV

Der Trainer sieht das anders, was sein gutes Recht ist. Baumgart hatte die Partie gegen Schalke über weite Strecken gut gesehen, „sehr gut sogar“, wie er nach dem 2:2 am Mikrofon bei Sky kundtat. Ob Sportvorstand Kuntz das ähnlich sieht, muss er nun an diesem Sonntag entscheiden.

Das Fazit vieler HSV-Fans ist längst gezogen: Auch der Steffen-Baumgart-Fußball hat in Hamburg keine Zukunft mehr.