Hamburg. Wegen Dopings gesperrter Vuskovic wehrt sich mit neuem Anwalt gegen Cas-Urteil. Was ihm Hoffnung macht und welchen Joker er noch hat.
Anfang der Woche sorgte die Nada für Aufsehen. Die Nationale-Anti-Doping-Agentur teilte mit, 339 Proben in den beiden deutschen Laboren Köln und Kreischa neu analysiert zu haben. Der bislang eingefrorene Urin der Athleten wurde auf sämtliche verbotene Substanzen, unter anderem Epo, getestet. Das Ergebnis: Alle Proben waren negativ. Spätestens jetzt dürften auch dem Letzten die Parallelen zum Fall Mario Vuskovic auffallen. Doch die kurzzeitig aufkeimende Hoffnung eines Beweises für seine Unschuld erlischt schnell, denn die Testexemplare stammen aus den Jahren 2014 und 2015 – die Probe des bisherigen HSV-Profis war also nicht dabei.
Und dennoch wirkt das Vorgehen der Nada etwas skurril im Zusammenhang mit Vuskovic. So hatte sich doch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) mit Händen und Füßen erfolgreich gegen eine vom DFB-Sportgericht angeordnete Drittanalyse gewehrt. Der Grund: Eine erneute Analyse sei in den vom eigenen Haus und ohne externe Kontrolle erstellten Regularien nicht vorgesehen. Auch oder vielleicht gerade dann nicht, wenn es wissenschaftliche Zweifel an der Bildinterpretation der Urinprobe gibt, so wie bei Vuskovic. Ende der Diskussion.
Mario Vuskovic: Zwischenerfolg für HSV-Profi
Auch ohne eine erneute Analyse seiner Dopingprobe hat der vom Internationalen Sportgerichtshof (Cas) für vier Jahre bis November 2026 gesperrte Vuskovic den Kampf um seine Unschuld längst nicht aufgegeben. Für das angestrebte Berufungsverfahren vor dem Schweizer Bundesgericht hat sich der Innenverteidiger, der nach Ablauf seiner Sperre wieder beim HSV unter Vertrag steht, personell neu aufgestellt.
Neu dabei ist der Schweizer Sportrechtler Kai Ludwig, ein Experte für Schweizer Recht, das vor dem Bundesgericht gilt. Ausgeschieden ist dafür US-Anwalt Paul Greene, der lediglich als Spezialist für das Cas-Verfahren in Lausanne beauftragt worden war. Joachim Rain (Kanzlei Schickhardt) und der Kroate Tomislav Kasalo gehören weiterhin dem Team Vuskovic an. Gemeinsam haben die Juristen einen ersten Zwischenerfolg erreicht, denn das Schweizer Bundesgericht hat die Berufung nach einer groben Prüfung der 40-seitigen Begründung zugelassen.
Was Vuskovic neue Hoffnung macht
Denkbar wäre es auch gewesen, dass die Richter dem Versuch einer Berufung direkt die Rote Karte zeigen. Nun sind die Nada und Wada sowie der DFB am Zug, eine Stellungnahme abzugeben. Im Anschluss wird das Bundesgericht entscheiden, ob es tatsächlich zu einem Berufungsverfahren kommt, bei dem es allerdings nur um Verfahrensfehler des Cas ginge. Eine erneute Beweisaufnahme wird es dagegen nicht geben. Wie will Vuskovic also das Ruder doch noch herumreißen?
Nach Abendblatt-Informationen sehen seine Anwälte einige Ansätze auf Verfahrensfehler und haben diese auch detailliert begründet. Einer der Vorwürfe lautet, dass manche prozessrelevante Informationen der Verteidigung nicht rechtzeitig vorgelegen haben sollen. Dabei geht es unter anderem um von der Wada in Lausanne präsentiertes Bildmaterial unterschiedlicher Belichtungszeiten bei der Analyse der Dopingprobe.
Außerdem soll nach Ansicht der Verteidigung die Beweislast im Cas-Verfahren juristisch fragwürdig gewesen sein. Zur Erinnerung: Vuskovics Gutachter David Chen (Kanada) und Paul Scott (USA) legten wissenschaftliche Analysen vor, warum das Ergebnis der Dopingprobe aus ihrer Sicht falsch positiv sei. Darüber hinaus bestand der Abwehrspieler zwei Lügendetektortests zu jeweils 99 Prozent. Und auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft entlasteten ihn, da auf seinen beiden beschlagnahmten Handys sowie seinem Laptop keine auf Epo hinweisenden Spuren gefunden wurden. Die Wada und Nada beschränkten sich dagegen hauptsächlich auf ein Argument, dem der Cas folgte: Nur die hauseigenen Experten hätten das nötige Wissen, um eine Urinprobe auf Epo zu analysieren. Ende der Diskussion.
Mario Vuskovic hat noch einen Doping-Joker
Nach diesem Muster könnte es allerdings auch vor dem Schweizer Bundesgericht weitergehen, denn Vuskovics Erfolgsaussicht bleibt im einstelligen Prozentbereich. Sollte er entgegen der Einschätzung vieler Juristen Erfolg haben, ginge der Fall zurück vor den Cas, der dann neu entscheiden müsste.
Doch Vuskovic hält auch noch einen Joker in der Hand. Denn parallel zur Schweiz läuft eine zweite Berufung: vor dem DFB-Bundesgericht, der auf das DFB-Sportgericht folgenden Instanz. Das dort ebenfalls noch ansässige Verfahren war bislang nur ausgesetzt, um das Cas-Urteil abzuwarten. Der Hintergrund dieses Mysteriums ist etwas komplex: So sehen die Fifa- und Wada-Statuten vor, im Falle einer Berufung gegen das Urteil des DFB-Sportgerichts direkt vor den Cas zu ziehen, was Vuskovic auch tat. Die DFB-Statuten sehen in der Reihenfolge dagegen erst das verbandseigene Bundesgericht am Zug, weshalb Vuskovic auch dort in Berufung ging, um sich alle Optionen offenzuhalten.
Wer an dieser Stelle endgültig verwirrt ist über den komplexen Dopingfall, der muss darüber nicht beunruhigt sein. Denn der gesamte Ablauf ist auch verwirrend, das bestätigen sogar unabhängige Juristen.
Neue Vuskovic-Hoffnung vor DFB-Gericht: Ist das realistisch?
Aktuell erwägt das DFB-Bundesgericht, das Verfahren erneut auszusetzen, bis das Schweizer Bundesgericht eine Entscheidung getroffen hat. Dieser Bitte müssen die Wada und Nada sowie Vuskovics Anwälte noch zustimmen, wovon auch auszugehen ist.
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Vor dem DFB-Bundesgericht könnte das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden, wenngleich die Chancen auf einen Freispruch des Kroaten auch dort überschaubar sind. Der neue Vorsitzende des Gerichts könnte auf die Gültigkeit des Cas-Urteils pochen und das Verfahren direkt wieder schließen, bevor es zu einer mündlichen Verhandlung gekommen ist.
Mario Vuskovic kämpft an mehreren Fronten
Parallel zu den juristischen Baustellen arbeitet der HSV mit Vuskovic an einer Lösung, ihn bis zum Ablauf seiner Sperre im November 2026 mit einer neuen Aufgabe an den Club zu binden. Vertreter des Zweitligisten treffen sich hin und wieder persönlich mit dem 22-Jährigen, um neue Möglichkeiten, aber auch Sackgassen zu eruieren.
Klar ist, dass der Innenverteidiger nur eine Tätigkeit mit Fußballbezug übernehmen kann, die idealerweise in Hamburg ausgeführt wird. Die Herausforderung ist es, eine Lösung zu präsentieren, die wasserdicht und juristisch nicht angreifbar ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vuskovic momentan an mehreren Fronten kämpft – um seine Unschuld, die Fortsetzung seiner Karriere und einen neuen Job beim HSV.