Hamburg. Jetzt schlägt die Stunde von Schonlau-Ersatz Perrin. Wer ihm in der Mannschaft hilft und warum er eine besondere Beziehung zu Selke hat.

Lucas Perrin lehnte am Zaun neben dem Trainingsplatz im Volkspark. Steffen Baumgart hatte die Einheit des HSV gerade beendet, da nutzte der Abwehrspieler die Gunst der Stunde für einen Plausch mit seinem Vater. Seine in Marseille lebenden Eltern sowie seine Stiefschwester waren kurzfristig für ein paar Tage rund um das Heimspiel des HSV gegen Magdeburg (3:1) angereist, um Perrins neue Heimat zu sehen. „Meine Eltern waren total glücklich und beeindruckt von der Atmosphäre im Volksparkstadion. Sie haben ganz viele Fotos und Videos gemacht“, berichtet der Franzose im Gespräch mit dem Abendblatt.

Seine Familie hätte sich kaum einen besseren Zeitpunkt für ihren Hamburg-Besuch aussuchen können. Nach der Roten Karte für Kapitän Sebastian Schonlau debütierte Perrin gegen den FCM und präsentierte sich dabei als robuster Verteidiger, der speziell in der Luft alles abräumte. Weil Schonlau für zwei Ligaspiele gesperrt wurde, hat Baumgart dem im Sommer ablösefrei vom französischen Erstligisten Racing Straßburg verpflichteten Perrin bereits eine Einsatzgarantie für die kommende Aufgabe am Sonnabend in Elversberg ausgesprochen. „Er wird beginnen“, stellte der HSV-Trainer klar.

HSV-Profi Perrin erhält Einsatzgarantie

Als das Abendblatt Perrin, der noch nichts davon wusste, darüber informiert, leuchten seine Augen vor Freude. Der Innenverteidiger hat seinen Fitnessrückstand aufgeholt und kann nun endlich zeigen, was er kann. Vorbei scheint die Zeit, in der es für den fröhlichen Profi wenig zu lachen gab. Die letzten Monate in Straßburg bezeichnet er als „die schwierigste Phase meiner Karriere“.

Rückblick: Am 13. Juli läuft Perrin im Testspiel gegen Fenerbahce Istanbul ein letztes Mal für Straßburg auf. Danach wird ihm im Alter von 25 Jahren mitgeteilt, dass er zu alt für das Projekt von Eigentümer BlueCo sei. Ein US-Konsortium, das auch den FC Chelsea besitzt und ausschließlich auf junge Talente setzt. Ab diesem Moment darf der Verteidiger nicht mehr am Mannschaftstraining teilnehmen. Er hält sich individuell fit, lehnt einzelne Anfragen anderer Clubs ab und wartet zähe eineinhalb Monate, bis sich HSV-Sportdirektor Claus Costa in der Nacht auf den 29. August, also einen Tag vor Transferschluss, bei ihm meldet.

Danach ging alles sehr schnell. Perrin sagt sofort zu, er will unbedingt zum HSV. Doch in Hamburg angekommen, erklärt ihm Baumgart, dass der Profi erst nach der zweiten Länderspielpause, also ab dem Magdeburg-Spiel, die Fitness erreicht haben werde, um der Mannschaft zu helfen. Perrin sei im ersten Moment „enttäuscht“ gewesen. „Es war schließlich noch so lange hin“, sagt er rückblickend. „Nach ein paar Einheiten wurde mir aber sehr schnell klar, dass er recht hatte.“

Wie HSV-Zugang Perrin mit Baumgart kommuniziert

Perrin muss schmunzeln, als er sich an seine Anfangszeit beim HSV erinnert. „Ich erinnere mich noch an das erste Training, als wäre es gestern gewesen. Ich war total platt“, sagt der Franzose, der noch eine weitere Anekdote aus seinem Gedächtnis kramt. Die erste Begegnung auf dem Platz mit dem ausschließlich Deutsch sprechenden Baumgart. „Als der Trainer das erste Mal auf Deutsch zur Mannschaft sprach, war ich total überfordert und wusste überhaupt nicht, worüber er geredet hat“, erinnert sich Perrin, der zu diesem Zeitpunkt noch kein Deutsch sprach und das eigentlich auch nie vorhatte.

„Vor ein paar Jahren habe ich zu meinen Eltern gesagt, dass ich hoffentlich nie Deutsch lernen muss. Jetzt bin ich hier und lerne die Sprache. So schnell kann es gehen“, sagt der Profi, der einmal wöchentlich Einzelunterricht in einer HSV-Loge bei einer vom Zweitligisten organisierten Deutschlehrerin nimmt.

Lucas Perrin (r.) und HSV-Torschütze Davie Selke jubeln emotional in Kaiserslautern.
Lucas Perrin (r.) und HSV-Torschütze Davie Selke jubeln emotional in Kaiserslautern. © WITTERS | HelgePrang

„Ich will erst einmal so viele Fußballfachbegriffe wie möglich lernen, damit ich den Trainer besser verstehe“, sagt Perrin und gewährt einen Einblick, wie er aktuell mit Baumgart kommuniziert. „Wenn er mit mir redet, nutzt er einfache fußballspezifische Schlagworte auf Deutsch. Dadurch weiß ich meistens, was ich tun soll. Falls ich doch einmal Probleme habe, übersetzen unsere Co-Trainer René Wagner, Kevin McKenna oder Merlin Polzin für mich.“

Perrins Verbindung zu HSV-Stürmer Selke

Wenn einer von Baumgarts Assistenten mal nicht in der Nähe ist, übernimmt Davie Selke den Dolmetscher-Part. Zu dem Stürmer hat Perrin binnen kurzer Zeit eine enge Beziehung aufgebaut. Bei Selkes Last-minute-Ausgleich vor einem Monat in Kaiserslautern (2:2) jubelten die beiden am emotionalsten, Stirn an Stirn. Auch im Training sind die beiden häufig beieinander und machen Späße.

„Dieser Typ ist so verrückt. Er redet viel Quatsch, es ist wirklich lustig mit ihm. Wir lachen sehr viel, meistens zusammen mit Marco Richter und Noah Katterbach“, sagt Perrin über Selke. „Davie unterstützt mich, wo er kann. Wir haben viel gemeinsam, auch auf dem Platz – mit dem Unterschied, dass er noch aggressiver spielt als ich. Manchmal versuche ich, auf dem Rasen so zu sein wie er.“

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Neben Selke ist auch Jean-Luc Dompé einer der wichtigsten Ansprechpartner für Perrin. Der Flügelstürmer hilft dem Neuzugang auch außerhalb des Trainingsgeländes, indem er ihm einige Restaurants in Hamburg zeigte. Gemeinsam mit William Mikelbrencis bilden die drei eine kleine französische Clique beim HSV. Und das, obwohl Perrin gar nicht wusste, dass er in Hamburg auf Franzosen treffen wird.

„Unsere erste Begegnung war ganz witzig. Einen Tag nach meiner Verpflichtung saßen wir beim Heimspiel gegen Münster (4:1) nebeneinander, weil Jean-Luc verletzt war. Ich kannte ihn nicht und sprach ihn auf Englisch an. Daraufhin lächelte er mich an und sagte, dass wir uns auch auf Französisch unterhalten können“, erinnert sich Perrin über die Begegnung mit Dompé und schmunzelt. „Ich war total erleichtert.“

Die beiden Franzosen Jean-Luc Dompé (l.) und Lucas Perrin verbindet eine lustige Kennenlerngeschichte beim HSV-Heimspiel gegen Münster. 
Die beiden Franzosen Jean-Luc Dompé (l.) und Lucas Perrin verbindet eine lustige Kennenlerngeschichte beim HSV-Heimspiel gegen Münster.  © imago/Oliver Ruhnke | imago/Oliver Ruhnke

Auch wenn der Abwehrspieler seit nicht einmal zwei Monaten beim HSV unter Vertrag steht, verbinden ihn schon viele kleine Geschichten mit Hamburg. Der Stadt, in der sein Sohn Livio vor drei Wochen geboren wurde. Bleibt die Frage, was eigentlich leichter ist: Vater sein oder Deutsch lernen? Perrin muss lachen, ehe er eine klare Aussage trifft. „Vater sein.“

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