Hamburg. Reform der Epo-Analyse notwendig. Fraglich ist auch gängige Praxis des Sportrechts. Wie soll man etwas beweisen, das man nicht getan hat?
Die Pressemitteilung der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) umfasst gerade einmal 62 Wörter. Kurz und knapp bestätigte die Organisation am Dienstag das, was sich zu diesem Zeitpunkt längst herumgesprochen hatte. HSV-Profi Mario Vuskovic ist wegen mutmaßlichen Epo-Dopings für vier Jahre gesperrt worden. Mit Spannung wird nun die Begründung des Urteils erwartet, das bislang nur den Anwälten des Kroaten vorliegt.
In den insgesamt fünf Verhandlungstagen vor dem DFB-Sportgericht und dem Cas wurden seitens der Antidoping-Kämpfer nur zwei Argumente hervorgebracht, die letztlich aber offenbar ausschlaggebend für die Richter waren: die positive A- und B-Probe. Wie diese aber entstanden ist, darüber gibt es weiterhin Zweifel. In einer beeindruckenden wissenschaftlichen Tiefe haben Vuskovics internationale Wissenschaftler vor Gericht dargelegt, warum die Urinprobe aus ihrer Sicht falsch-positiv ausgefallen ist.
Mario Vuskovic: Die Zweifel bleiben auch nach Urteil
Vereinfacht gesagt, lautete der Vorwurf an die Nada, durch eine überhöhte Proteinmenge (Urin) für überladene Banden auf dem Teststreifen gesorgt und damit zu einer fehlerhaften Dopinganalyse gelangt zu sein. Um das zu verhindern, hätte die Probe verdünnt und somit der Proteingehalt gesenkt werden können. Doch diese Erkenntnisse prallten an der Nada und Wada ab wie an einer Wand. Immer wieder hieß es, nur das eigene Antidoping-Haus könne bewerten, ob es sich um Epo handele, da das Analyseverfahren, bei dem es keine Grenzwerte gibt, sondern Bilder positiver und negativer Proben verglichen werden, zu komplex für alle anderen sei.
Doch ist das angewandte Sar-Page-Verfahren möglicherweise auch zu komplex für die Nada und Wada? In erster Linie ist es intransparent, da niemand von außen, auch nicht die Richter, seriös bewerten kann, ob das Urteil der Laboranten richtig ist oder falsch. Es darf nicht die gängige Praxis sein, auf der Basis einer im 21. Jahrhundert absurd rückschrittlich wirkenden Testmethode einen Athleten wie Vuskovic für vier Jahre aus dem Verkehr zu ziehen.
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HSV-Kommentar: Wie soll Vuskovic beweisen, unschuldig zu sein?
Für Zweifel sorgt auch die im Sportrecht außer Kraft gesetzte Unschuldsvermutung. Vuskovic hat zwei Lügendetektortests bestanden, die Staatsanwaltschaft hat keine Spuren auf die bei Epo-Vergehen erforderlichen Hintermänner ermitteln können, ein Hautscreening hat keine Einstichstellen von Spritzen hervorgebracht, die beim HSV halbjährig entnommenen Blutproben haben keine Auffälligkeiten gezeigt. Klar, all das sind nur Indizien und keine Beweise, die alles andere auf den Kopf stellen. Aber wie soll man etwas beweisen, das man nicht getan hat?
Die Antwort ist einfach: Es ist schlicht nicht möglich. Wenn der Prozess also eines gezeigt hat, dann, dass dieses Epo-Analyseverfahren dringend überholt werden muss. Die Nada und Wada müssen einen externen Blick von Wissenschaftlern auf ihre Arbeit zulassen. Ansonsten droht ihr Antidoping-Kartenhaus zusammenzubrechen. Dafür bräuchte es dann mehr als 62 Wörter.