Hamburg. Jungprofis wurden mehrfach von Agenten abgeworben. Eine Firma aus Zypern betreut sieben HSV-Talente. Ein Blick hinter die Kulissen.
Für Fabio Baldé und seine Berateragentur war der Oktober bislang ein guter Monat. Der Jungprofi des HSV, der im September seinen ersten Lizenzspielervertrag im Volkspark unterschrieben hatte, saß zwar am Sonntag beim 3:1-Sieg gegen Magdeburg nur auf der Bank. Dafür durfte sich Baldé vor zwei Wochen über einen privaten Ausrüsterdeal mit Adidas freuen – vermittelt von seinem Berater. Wenige Tage später machte der 19-Jährige seine ersten zwei Spiele für die deutsche U-20-Nationalmannschaft unter Hannes Wolf. Beim 5:0 gegen Ghana durfte der Flügelstürmer des HSV 90 Minuten ran und legte sein erstes Tor für Deutschland auf. Baldés Marktwert ist bereits auf 1,5 Millionen Euro gestiegen.
Ein Profiteur dieses Aufstiegs ist auch Baldés Berater Nochi Hamasor. Der Agent hat den Vertrag mit der sportlichen Führung des HSV um Sportdirektor Claus Costa und Sportvorstand Stefan Kuntz ausgehandelt und damit auch für sich und seine Agentur TSA ein gutes Geschäft gemacht. Es dürfte nicht das letzte gewesen sein. Obwohl Hamasor nach einigen Jahren in Dubai sein Büro nun wieder nach Zypern verlegt hat, betreut er im Nachwuchs des HSV mittlerweile die meisten Talente. Neben Baldé sind das Jamal Nabe (19/U 19), Shafiq Nandja (17/U 19), Ismaila Djamanca (15/U 19), Prince Quasi (17/U 19), Joshua Joel (15/U 17), Alfa Montero (14/U 17) und Tyron Kojo Conrädel (U 16).
HSV News: Berater binden Talente immer früher
Alleine im vergangenen Jahr hat Hamasor vier HSV-Talente dazugewonnen. Innerhalb des Clubs wird dieses Vorgehen skeptisch beäugt. Das hat zum einen damit zu tun, dass Hamasor in diesem Jahr bereits zwei Toptalente zu einem anderen Verein vermittelte. Saido Baldé (16) wechselte zum VfL Wolfsburg, Karim Coulibaly (17) zu Werder Bremen.
Es ist eine branchenweite Entwicklung, die auch mit Agenturen wie der Total Sports Agency von Hamasor zu tun hat. Das Abwerben von Talenten, die mit Geld und Versprechungen gelockt werden, beginnt immer früher. Clubs wie der HSV können als Zweitligist finanziell nicht mehr mithalten, wenn Borussia Dortmund, RB Leipzig oder selbst Werder Bremen die Spieler schon im Nachwuchs abwerben. Und die Berater kassieren mit. „Es wird immer Jungs geben, gerade aus schwierigen Verhältnissen, wo das schnelle Geld etwas ist, bei dem wir nicht mitgehen können“, sagte U-21-Trainer und NLZ-Leiter Loïc Favé kürzlich dem HSV-Portal „Moin Volkspark“.
Muss der HSV den Abgang weiterer Talente fürchten?
Hamasor, der Mitarbeiter in Hamburg hat und auch selbst häufig in der Stadt unterwegs ist, baut sich indes ein HSV-Netzwerk auf. Für den Agenten ist es wie ein Neustart, nachdem er mit seiner früheren Agentur Nordicon in seinem Heimatland Schweden für Wirbel gesorgt hatte. Die Redaktion „Kalla fakta“ beleuchtete vor einigen Jahren das Netzwerk von Hamasor und berichtete unter anderem davon, dass der Agent einen Journalisten bedroht habe.
Was aber hat der Berater nun beim HSV vor? Muss der Club fürchten, dass der Agent noch weitere Talente zu anderen Vereinen transferiert? Auf Abendblatt-Anfrage erklärte Hamasor, dass er mit dem HSV einen positiven Austausch pflege. Von den Verantwortlichen im Volkspark wird das auch bestätigt. Ein ehemaliger HSV-Manager, der nicht genannt werden will, spricht dagegen von einem respektlosen Verhalten, das der Agent in Verhandlungen an den Tag gelegt habe.
HSV arbeitet derzeit mit 23 Agenturen zusammen
Die aktuelle HSV-Führung verweist auf einen klaren Rahmen, den sie in der Zusammenarbeit mit Beratern vorgebe. Dass ein Spieler mit einem privaten Hubschrauber zur Vertragsverhandlung kommt, wie es Hamasor in Bremen mit Coulibaly gemacht hatte, wäre im Volkspark nicht toleriert worden.
Dass der HSV sich nicht mehr von einzelnen Beratern dominieren oder beeinflussen lässt, zeigt der Blick auf den aktuellen Profikader. Die 32 Spieler inklusive Jungprofis wie Omar Megeed (19) und Bilal Yalcinkaya (18) werden von 23 verschiedenen Agenturen vertreten. Lediglich die großen Firmen wie Sports360, Stellar und Wasserman betreuen je drei HSV-Spieler.
Fabio Baldé und Omar Megeed haben schon den vierten Berater
Insbesondere in Hamburg ist das Hauen und Stechen unter den Beratern groß. Weil der Markt noch immer nicht reguliert wurde, können die Spieler ihren Berater so oft wechseln, wie es ihnen lieb ist. Baldé und Megeed werden bereits von ihrem jeweils vierten Berater betreut. Angefangen haben die beiden Wilhelmsburger bei der Agentur Motrixx von Mo Nasrallah, wechselten dann zusammen zu Intersoccer von Lennart Müller und schließlich zu Weltmarktführer Stellar, der in Hamburg durch Thies Bliemeister vertreten wird. Während Megeed, der im August 2022 im Alter von 16 Jahren zum jüngsten bei den Profis eingesetzten Spieler der HSV-Geschichte wurde, nun von Rogon vertreten wird, ging Baldé zu TSA von Hamasor. Dieser erhofft sich, mit Baldé künftig noch größere Transfers zu tätigen.
Dass Transfers aber nicht automatisch von ihren eigentlichen Beratern vorangetrieben oder abgewickelt werden, zeigte zuletzt das Beispiel Jonas Meffert. Der Mittelfeldspieler wurde im Sommer heftig von Hull City und Ex-HSV-Coach Tim Walter umworben. Der Kontakt lief aber nicht über Mefferts Agentur Sports360 von Volker Struth, sondern über Bliemeister und dessen Partner Schafiq Said, der wiederum beim HSV als Partner für die Herrenausstattung fungiert und gute Verbindungen zu den Spielern hat.
Wer den Eltern Geld bietet, erhält oft den Zuschlag
Anders als in anderen Ländern werden in Deutschland zwischen Spielern und ihren Beratern in der Regel keine Verträge geschlossen. Die Konsequenz ist mittlerweile, dass zum einen Spieler ihre Berater so oft wechseln, bis sie den besten Vertrag oder den besten Club in Aussicht haben. Zum anderen gewinnt im Beraterkampf um die Talente nicht selten derjenige, der den Eltern das meiste Geld bietet. Fast alle Agenten bestätigen hinter vorgehaltener Hand, dass sogenannte Darlehensverträge mit Eltern im Nachwuchs keine Seltenheit sind.
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Clubs wie der HSV können dagegen wenig tun. Die Hamburger setzen darauf, dass Spieler wie Fabio Baldé anderen Talenten als Vorbild dienen und ihnen zeigen, dass man es mit etwas Geduld im Volkspark aus dem Nachwuchs zu den Profis schaffen kann. Und das am besten auch ohne ständige Beraterwechsel.