Hamburg. Die Zinsen steigen massiv, die Stadionsanierung wird viel teurer. Der Club führt bereits Gespräche mit neuen Investoren.
Am kommenden Donnerstag werden sich die Blicke von HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld nach Frankfurt richten. Genauer gesagt in Richtung des Gebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB) im Bankenviertel. Denn dort wird EZB-Chefin Christine Lagarde bekannt geben, wie sie auf die Rekordinflation von 8,1 Prozent reagieren wird.
Experten gehen davon aus, dass die EZB einen letzten Monat an ihrer Null-Zins-Politik festhalten, den Leitzins aber im Juli erstmals seit 2011 erhöhen wird. Kredite werden dadurch teurer – mit Folgen für den HSV, der sich mehrere Millionen Euro für die Sanierung des Volksparkstadions am Kapitalmarkt besorgen muss.
HSV-Millionenfalle Zinsen – warum?
Doch warum sind die Zinsen für Kredite überhaupt so rasant gestiegen, obwohl der Leitzins in Europa momentan bei 0,0 Prozent liegt? Dies hängt vor allem mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zusammen, der Lieferketten unterbrochen und die Inflation befeuert hat. Um diese zu bekämpfen, hat die US-Zentralbank Fed den Leitzins im Mai um einen überproportionalen Schritt von 0,5 Prozent auf eine Spanne von 0,75 bis 1 Prozent erhöht. Es war eine Entscheidung mit Signalwirkung. Denn auch wenn die EZB noch nicht nachgezogen hat, ist weltweit eine Zinswelle ausgebrochen, wodurch auch die Zinsen in Europa gestiegen sind.
Eine Entwicklung, die dem HSV nicht entgangen ist, weshalb Wüstefeld und sein Team sich nun mit Lösungen beschäftigen. „Wir prüfen gerade verschiedene Finanzierungsmodelle, um das Stadion zu sanieren und gleichzeitig die Inflation und den Zinsanstieg zu kompensieren“, sagt der Vorstand dem Abendblatt.
HSV-Deal mit der Stadt: Alles normal?
Hintergrund ist, dass von den 23,5 Millionen Euro der Stadt, die für die Sanierung vorgesehen waren, bereits ein Großteil ausgegeben wurde. Ein Vorgang, der für viel Wirbel gesorgt hatte. Doch die Einnahmen aus dem Erbpachtvertrag für das Stadiongrundstück sind nicht zweckgebunden. Und so nutzte der HSV rund zwei Drittel der städtischen Millionen, um die fehlenden Erlöse während der Pandemie zu kompensieren.
„Der HSV hatte keine andere Möglichkeit, als das zur Verfügung stehende Kapital auszugeben“, sagt Kapitalmarktexperte Eric Wiese verständnisvoll. „Es war von Anfang an klar, dass der HSV diese Mittel nicht zweckgemäß einsetzen wird. Auch der Stadt muss das klar gewesen sein.“
HSV wird Stadion für Kredite beleihen
Unabhängig von dieser Prognose: Eine entscheidende Entwicklung wusste nahezu kein Finanzexperte vorherzusagen. Nämlich die der förmlich explodierenden Zinsen, die nun dazu führen, dass es für den HSV im Nachhinein betrachtet günstiger gewesen wäre, sich in der Corona-Zeit einen Kredit zu nehmen und die 23,5 Millionen Euro der Stadt zurückzulegen. Sogenannte unbesicherte Darlehen, also Kredite ohne einen Gegenwert in Form einer Immobilie, sind fünf bis sechs Prozent teurer als noch vor einem Jahr.
Der HSV kann und wird immerhin das Volksparkstadion beleihen, muss aber immer noch mit rund zwei Prozent höheren Zinsen rechnen. Dies führt zu einem höheren Rückzahlungsaufwand in einstelliger Millionenhöhe, wie dem Abendblatt bestätigt wurde. „Dass die Zinsen so massiv anspringen, hat kaum ein Wirtschaftsexperte vorausgesehen“, sagt Wiese.
HSV spricht mit mehreren Investoren
Doch damit nicht genug: Die Stadionsanierung wird zudem deutlich teurer als gedacht. Auch wenn die genaue Summe noch nicht feststeht, so ist die ursprüngliche Kalkulation von Ausgaben zwischen 20 und 30 Millionen Euro nicht mehr zu halten. „Im Vergleich zu der einstigen Prognoserechnung bezüglich der Sanierungskosten sehen wir wegen der höheren Rohstoff- und Baukosten einen signifikanten Anstieg“, räumt Wüstefeld ein.
Da die Stadt dem HSV klargemacht hat, keine weitere Millionenspritze zu gewähren, muss der Club über andere Wege frische Millionen besorgen. Neben den Banken könnten auch neue Investoren ein Thema werden. Wie das Abendblatt erfuhr, beschäftigt sich der HSV mit mehreren Kandidaten. Die „Bild“ brachte am Mittwoch Detlef Dinsel (61) ins Spiel.
Über den Einstieg des Unternehmers war bereits im Januar diskutiert worden. Damals hieß es, Dinsel könnte den HSV in Finanzfragen beraten. Als Bedingung für sein Engagement nannte er den Erwerb von Anteilen an der AG. „Wenn uns eine Expertise weiterbringt, dann wären wir naiv, darauf nicht zurückzugreifen“, sagte Aufsichtsratschef Marcell Jansen damals im Abendblatt. Doch letztlich kam eine Zusammenarbeit nicht zustande.
Wie der HSV das Millionen-Problem lösen will
Mittlerweile wird die Personalie Dinsel wieder häufiger diskutiert im Volkspark. Diesmal soll der Manager einen Sitz im Aufsichtsrat anstreben. Dafür müsste der Club das momentan sechsköpfige Kontrollgremium (Wüstefelds Mandat ruht, solange er als Vorstand tätig ist) entweder aufstocken oder eine Person austauschen. Dinsels angestrebte Anteile könnten von Klaus-Michael Kühne kommen, der 15,21 Prozent an der AG hält. Doch von einem Besitzwechsel hätte der HSV keinen Vorteil.
Der Club müsste also ein anderes Investorenmodell aufzeigen, um auch finanziell davon zu profitieren. Dafür werden in diesen Tagen verschiedene Szenarien besprochen. „Natürlich beschäftigen wir uns immer mit unterschiedlichen Möglichkeiten, um zu sehen, wie wir uns für die nächsten Jahre aufstellen könnten“, sagt Wüstefeld, der nicht ins Detail geht.
Am Ende könnte es auf ein Hybridmodell hinauslaufen, wodurch sich der HSV sowohl Geld bei den Banken leiht, aber eben auch neue Sponsoren oder einen neuen Investor an sich bindet. Zudem hat Wüstefeld an anderen Stellen Kosten reduziert, indem der HSV die Dienste externer Berater seltener in Anspruch nimmt. Darüber hinaus plant der Vorstand, die Geschäftsstelle umzustrukturieren. So soll es statt der acht Direktoren in Zukunft nur noch fünf bis sechs sogenannte Business Unit Leader geben.
HSV steuert auf geringes Millionen-Minus hin
Sobald der Haushaltsplan steht, soll Sportvorstand Jonas Boldt erfahren, wie viel Geld ihm für seinen Bereich zur Verfügung steht. Dies soll in den kommenden Tagen der Fall sein. Klar ist schon jetzt, dass Boldt erstmals in seinen drei Jahren beim HSV keinen Transferüberschuss erwirtschaften muss und der Etat von aktuell 22 Millionen Euro sogar erhöht werden kann.
Dies liegt vor allem daran, dass der Club im laufenden Geschäftsjahr auf ein geringeres Millionenminus zusteuert als bislang angenommen. Der HSV rechnet mit einem besseren Ergebnis als im vorherigen Jahr, als ein Defizit von 4,7 Millionen Euro erwirtschaftet wurde.
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Die verbesserte Einnahmesituation hat auch dazu geführt, dass der Club optimistisch ist, in diesem Jahr trotz Corona die geplanten zehn bis 15 Prozent der 17,5 Millionen Euro schweren Fananleihe von 2019 zu tilgen. Für die Sanierung des Stadions muss der HSV aber dennoch frisches Kapital auftreiben – zu deutlich höheren Zinsen als erhofft.