Hamburg. Hamburger Basketballer reisen zu Auswärtsspielen in der Regel mit dem Mannschaftsbus. Bei den engen Spielplänen wird das zum Problem.

Es ist nicht ganz weit hergeholt zu behaupten, Gordon Herbert verstehe ein wenig vom Basketball. Zumindest ist der Bundestrainer vor einem Monat mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister geworden. Neben herausragendem Coaching und hervorragender Teamchemie war der Fokus auf eine maximale Regeneration zwischen den Spielen ein maßgeblicher Erfolgsfaktor.

Wenn der 64 Jahre alte Kanadier den europäisch spielenden Bundesligaclubs nun also empfiehlt, Charter zu fliegen, hat das durchaus Relevanz. „Wenn du Linie fliegst, verlierst du sehr viel Zeit. Das tut schon weh“, sagte Herbert. Die Veolia Towers Hamburg, die an diesem Dienstag (19.30 Uhr/MagentaSport) in der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena gegen die London Lions ihr erstes Heimspiel im EuroCup austragen, präferieren dagegen eine andere Art des Reisens zwischen den Partien: den Mannschaftsbus.

Basketball: Veolia Towers Hamburg reisen aus München und Luwigsburg per Bus zurück

Sind die Verantwortlichen nach wettbewerbsübergreifend drei Niederlagen in Serie davon überzeugt, die Mannschaft müsse die verfügbaren PS nur über ein komplettes Spiel auf die Straße bringen, könnte es derzeit eher so sein, dass sie diese genau dort liegen lassen. Erst in den frühen Morgenstunden des Montags kam das Team von der am Sonntagabend ausgetragenen Begegnung beim FC Bayern München (79:90) wieder in Hamburg an; eine starke Leistung über die vollen 40 Minuten dürfte da unter diesen Umständen gegen die Briten kaum erwartet werden. Dabei war es bequem machbar, am Sonntag noch einen späten Flug zu nehmen. Zumal die Towers gewarnt waren.

Schon nach ihrem ersten siegreichen Bundesligaspiel bei den MHP Riesen Ludwigsburg (87:79) wäre ein Rückflug von Stuttgart aus am nächsten Tag möglich gewesen. Die Bundesligahandballer des HSV Hamburg beispielsweise übernachteten nach ihrem erfolgreichen Match in Göppingen (32:27) vor Ort, um am nächsten Mittag ausgeschlafen mit Sponsor Eurowings heimzufliegen. Zwei Tage später gewannen sie zu Hause gegen die HSG Wetzlar (30:25).

Regeneration leidet unter den langen Fahrten

Für die Towers ging es stattdessen die knapp 650 Kilometer per Bus zurück – obwohl nur 43 Stunden später die Heimpremiere gegen die Würzburg Baskets anstand. „Wir schlafen lieber in den eigenen Betten“, hatte Cheftrainer Benka Barloschky (35) die Entscheidung begründet. Die Quittung erhielt die Mannschaft, als sie den beim Saisonauftakt spielfreien Franken sichtlich ermüdet in der zweiten Halbzeit nichts mehr entgegenzusetzen hatte und mit 58:88 unterging. Beim Seitenwechsel (36:37) hatte der Rückstand nur einen Punkt betragen. Zu kritisieren ist aber vor allem die Ansetzung seitens der Basketball-Bundesliga (BBL). Bei zwei innerhalb von kurzer Zeit terminierten Begegnungen sollten die Entfernungen der Spielorte berücksichtigt werden. Sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen.

Eine Rückfahrt mit der Deutschen Bahn, dem Reisepartner der Towers, war denkbar. Allerdings haben die fehlende Komfortfunktion, die Sitze vollständig in eine Liegeposition zu klappen, sowie die auch nachts zumindest geringfügig eingeschaltete Beleuchtung im Abteil keine schlaffördernden Wirkungen, sodass der Bus in diesem Fall das vorteilhaftere Transportmittel sein könnte.

Sportmedizner: Regeneration ist noch wichtiger als das beste Training

„Es gibt im Leistungssport nichts Wichtigeres als Regeneration. Sie ist noch wichtiger als das beste Training“, sagt der Hamburger Sportmediziner Prof. Klaus-Michael Braumann. Ob ein Team jedoch nach einem Abendspiel umgehend nach Hause fahren oder vor Ort übernachten sollte, diese Frage sei nicht eindeutig zu beantworten. „Nach einem Kräfte raubenden Spiel kommen die meisten ohnehin nicht vor zwei, drei Uhr nachts zur Ruhe, an ein schnelles Einschlafen ist in der Regel nicht zu denken. Deshalb kann es von Vorteil sein, sich in den Bus zu setzen, um den nächsten Tag zu Hause zum Entspannen zu nutzen.“

„Es gibt nichts an unserer Art und Weise des Reisens auszusetzen“, sagt daher auch Cheftrainer Barloschky, ergänzt allerdings: „Fliegen wäre sicher auch möglich, wenn das Geld kein Faktor wäre. Aber dieses Thema liegt nicht auf meinem Schreibtisch.“ Wohl aber auf dem von Sportchef und Geschäftsführer Marvin Willoughby (45).

Towers haben kein Geld für teure Flugreisen

„Fliegen ist eine Kostenfrage, auch eine zusätzliche Nacht im Hotel wäre zu teuer“, sagt Willoughby. Das Geld dafür sei im Etat momentan nicht vorhanden. Nach dem überraschenden Ausstieg des Hauptsponsors 28 Black mussten die Towers in vielen Bereichen noch mal den Rotstift ansetzen. Dass die Beine gegen Würzburg wegen mangelnder Regeneration müde waren, sei aber reine Hypothese, sagt Willoughby.

Grundsätzlich versuche der Verein, längere Strecken mit der Bahn (2. Klasse) zu reisen, wenn Anbindung (Würzburg, Ulm) und Spielzeit (nachmittags) passten, „weil es ökologischer ist und uns Nachhaltigkeit wichtig ist“. Die Spieler wiederum hätten kein bevorzugtes Transportmittel. Einige favorisieren die Bahn, weil man sich dort besser bewegen kann, andere die Privatsphäre des Busses.

Mehr zum Thema

Die Ansprüche beim Reisen müssen sicherlich nicht zu Ausmaßen führen, wie sie beispielsweise die Ludwigsburger mit ihrem Spieler Marcus Garrett erlebt haben. Der 24 Jahre alte US-Amerikaner zeigte sich erstaunt darüber, nicht zu jedem Spiel – darunter auch ins nur rund 70 Kilometer entfernte Tübingen – zu fliegen und war nicht bereit, per Bus zu fahren, weswegen es zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung kam. Allerdings zeigt diese Anekdote auch die Erwartungshaltung mancher Profisportler. Die Spieler der Towers und ihr Trainer sind da weit weniger anspruchsvoll. Sie akzeptieren die Realitäten des Clubs.