Hamburg. Die Euphorie nach dem Auftaktsieg verfliegt bei den Wilhelmsburger nach dem Heimauftakt gegen die Würzburg Baskets direkt wieder.

Es war die gelungenste Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart an diesem ansonsten so missglückten Sonntagabend. Mit einem weiß-roten Willoughby-Trikot mit der Nummer zehn aus der Zeit um das Millennium war ein Fan der Würzburg Baskets in die Wilhelmsburger edel-optics.de Arena gekommen. Marvin Willoughby, inzwischen Sportchef der Veolia Towers Hamburg, hatte von 1998 bis 2002 bei den Mainfranken gespielt.

Dummerweise wirkte auch der von ihm 2013 gegründete Verein zum Heimauftakt in die Basketball-Bundesliga vor 3100 Zuschauern, als wäre er mit dem Kopf noch in der Vergangenheit beim überraschenden Auftaktsieg in Ludwigsburg (87:79) vom Freitag. Durch die krachende 58:88 (12:17, 24:20, 15:33, 5:18)-Niederlage ist jegliche Zukunftseuphorie direkt wieder verpufft.

Veolia Towers Hamburg unterliegen Würzburg

Die ersten sieben Angriffe der Hamburger versandeten in Ballverlusten und Fehlwürfen, fast vier Minuten blieben sie ohne Punkt. Würzburg war da bereits auf 9:0 davon gezogen, setzte sich maximal sogar auf 13:2 (6.) ab.

Der junge Willoughby hätte dem Spiel von hieran vermutlich einen athletischen wie emotionalen Stempel aufgedrückt. Der 45 Jahre alte blieb ungewohnt entspannt auf seinem Stammplatz hinter dem Korb sitzen.

Towers sind vielseitig - zum Guten wie Schlechten

Er hatte seine Gründe dafür. Die Reaktion der Towers war beachtlich. Hätte sich die Mannschaft der Vorsaison nach einem derartigen Stotterstart vermutlich sinngemäß auf den Weg zur 30-Punkte-Klatsche verabschiedet, die aktuelle Auswahl ließ sich dafür noch Zeit, kam zunächst Punkt für Punkt heran.

Ein Vorteil des neuen Teams ist dessen Vielseitigkeit. Bis auf Aufbauspieler Terrell Gomez und die Center Aleksander Dziewa sowie Jonas Wohlfarth-Bottermann können alle Akteure mehrere Positionen bekleiden. Dieser Umstand verschafft Cheftrainer Benka Barloschky die Möglichkeit, effektiv unterschiedlich große Formationen aufs Parkett zu beordern, taktisch variantenreich zu agieren. Außerdem sind die Towers unberechenbar.

Hughes trifft vier Dreier

Ein Nachteil des neuen Teams – ist dessen Vielseitigkeit. Im Kader tummeln sich die Generalisten, Spezialisten sind Rarität. Die braucht es aber, um in der Ligaspitze zu bestehen.

Für den deutschen Mittelstand, zu dem auch Würzburg zählt, genügen jedoch theoretisch auch herkömmliche Leistungen. Mark Hughes mit vier Dreiern, Nico Brauner mit starken Defensivaktionen oder der reboundstarke Will Christmas – die meisten Hamburger hatten punktuell ihre Momente.

Krause Lichtblick der Towers

In Niklas Krause fand sich dann als allerdings der wohl unerwartetste Faktor als über weite Strecken überzeugendster Turm. Der 21 Jahre alte Spielmacher, primär beim Kooperationspartner SC Rist Wedel eingeplant, für den er am Sonnabend in der 2. Bundesliga ProB zum Einsatz gekommen war, überzeugte mit cleverer Ballbewegung und mutigen Abschlüssen. Nebenher besaß der 1,98 Meter große Neuzugang sogar noch den Charme, mit Deutschlands bester Schiedsrichterin Anne Panther (41) zu schäkern.

"Wir waren nicht von Anfang an ready. Ich freue mich natürlich, auf dem Feld zu stehen und Vollgas zu geben, aber verliere nicht gern", sagte er nach dem Spiel.

Towers verlieren zu oft den Ball

Dass ein Ergänzungsspieler wie Krause zum X-Faktor avanciert, ist bei allem Respekt jedoch ein Warnsignal. Den Towers fehlt es offenkundig an mindestens einem Führungsspieler, der die Qualität besitzt, ein Spiel in kritischen Phasen zu tragen. Hughes und Christmas haben theoretisch die Klasse dafür, zeigten dies gegen die Baskets aber viel zu selten.

Vor allem das offensive Niveau war überschaubar, die Anzahl der Ballverluste auf beiden Seiten war horrend. Beide Mannschaften leisteten sich jeweils 20.

Offensive bricht völlig ein

In diesem Fall hatten die um Ausreden traditionell nie verlegenen Profisportler sogar eine ansatzweise Entschuldigung. Die Liga hat einen neuen Satz Spielbälle gestellt, der zu Saisonbeginn noch nicht abgespielt und griffig genug ist, sodass das Spielgerät mitunter aus den Händen flutschte. Eine schlüssige Begründung für die Inflation an Fehlern war dies indes nicht.

Und eine Erklärung für das katastrophale und spielentscheidende dritte Viertel der Towers schon gar nicht. Die Offensive brach völlig ein, wirkte wenig zielgerichtet.

Brauner: "Kollektives Versagen"

"Die zweite Halbzeit war kollektives Versagen. So kannst Du kein Spiel gewinnen", sagte Brauner frustriert. "Es war wirklich hässlich für uns, wir müssen aber den Hut vor Würzburg ziehen", fasste Hughes die Begegnung zusammen.

6:46 Minuten – eine Ewigkeit im Basketball – blieben die Gastgeber im dritten Abschnitt ohne Punkt, Würzburg erzielte in dieser Spanne 18. Barloschky versank derweil genervt in seinem Trainerstuhl.

Barloschky: "Hätte zehn Auszeiten nehmen können"

Der 35-Jährige lässt seine Mannschaft häufiger durch Schwächephasen durchspielen, ohne eine Auszeit zu nehmen, um einen Lernprozess anzuregen. „Heute hätte ich zehn Auszeiten nehmen können, es hätte nichts gebracht. Wir waren zwei Tage nach dem Ludwigsburg-Spiel zu müde“, sagte der Coach.

"Durchdrehen" wolle er aber nicht, weder nach dem Erfolg in Ludwigsburg, noch nach der Pleite gegen Würzburg, für die am Mittwoch (18 Uhr/Dyn) zum EuroCup-Auftakt in Riga gegen Prometey Sloboschanske (Ukraine) Chance auf Wiedergutmachung besteht.

Hughes Topscorer mit zwölf Punkten

Willoughby verfolgte die ernüchternde Schlussphase konsterniert. Er dachte womöglich an bessere alte Zeiten, blickt aber einer kniffligen Zukunft entgegen.

Veolia Towers Hamburg: Hughes (12 Punkte), King (10), Dziewa (9), Christmas (5), Meisner (5), Krause (5), Gomez (3), Hinrichs (3), Wohlfarth-Bottermann (3), Brauner (3), Möller.