Hamburg. Der FC St. Pauli scheint die Derbypleite gegen den HSV verkraftet zu haben, doch einige Kontroversen sind noch nicht ausdiskutiert.
Nikola Vasilj wurde nicht wie ein Keeper empfangen, der sich rund 15 Stunden zuvor vier Gegentore in einem Stadtderby eingefangen hatte. Ganz im Gegenteil. "Niko, du bist der Beste und mein großes Vorbild", stand auf Bosnisch auf dem Banner, das Kalle und sein Vater vor dem Trainingsplatz des FC St. Pauli an der Kollaustraße aufgestellt hatten.
Extra aus Altenholz bei Kiel waren die Fans angereist, um etwas kurios Klingendes zu machen: Einen Derbyverlierer zu feiern. Zusätzlich zum 11 Jahre alten Torwart der E-Junioren des TSV Altenholz hatten sich mehrere Anhänger eingefunden, um ihr Team trotz der 3:4-Niederlage gegen den HSV aufzumuntern.
Spieler des FC St. Pauli haben Enttäuschung über Derbyniederlage verkraftet
Eine geradezu idyllische Kulisse bei Sonnenschein. Adam Dzwigala spielte mit seinem vierjährigen Neffen Nikodem Pässe, Oladapo Afolayan und Karol Mets posierten für Fotos, aus dem Fitnessraum, in dem die Stammspieler auf den Fahrrädern strampelten, tönte Musik - in Dur. Kurzum: Nichts erweckte den Eindruck, das am Vorabend ein Derby verloren wurde.
Das nur gut 45-minütige Spielersatztraining wirkte knackig. Die Häupter waren gerichtet, die Enttäuschung schien weitgehend überwunden zu sein.
Fabian Hürzeler und Tim Walter verweigern den Handschlag
Dabei haderten die Kiezkicker am Freitagabend noch mit Schicksal, Schiedsrichter und Schickanierungen. Besonders HSV-Trainer Tim Walter befand sich im Zentrum der Wut der Braun-Weißen. Vasilj brüllte schon während der Begegnung gestenreich in Richtung Walters, Manolis Saliakas konnte sich danach kaum einkriegen.
Die anscheinenden Provokationen des streitbaren Coaches hatten auch St. Paulis Übungsleiter Fabian Hürzeler, selbst mit einem gesunden Temperament ausgestattet, gereizt. So sehr, dass ihn HSV-Vorstand Jonas Boldt zu beruhigen versuchte. Bei der folgenden Pressekonferenz verweigerten beide Trainer sogar den obligatorischen Handschlag.
Hürzeler: "Im Sieg bescheiden bleiben, in der Niederlage Größe zeigen."
"Ich bin so erzogen worden, dass ich im Sieg bescheiden bleibe und in der Niederlage Größe zeige, wenn das andere nicht so machen, müssen sie das wissen. Emotionen gehören dazu, aber ich hätte nicht so reagiert", sagte Hürzeler. Detaillierter wollte sich der Bayer nicht äußern.
Schlechte Träume in der darauffolgenden Nacht bereitete dem 30-Jährigen aber weder Walter noch die Niederlage. "Ich schlafe nach Spielen generell schlecht, da steckt noch so viel Adrenalin in mir", sagte Hürzeler nach der Einheit. Die Stunden nach dem Derby hatte er mit Freunden bei einem gemeinsamen Abendessen verbracht, mit Vertrauten gesprochen. Erst am Sonnabendvormittag stand die Videoanalyse der Partie an.
FC St. Pauli hätte Derby gegen den HSV gewinnen können, doch die Abwehr spielte nicht mit
Und die bekräftigte Hürzeler in seiner Ansicht, "dass wir eigentlich hätten gewinnen können". Grundsätzlich sei es sogar mit allen Spielern zufrieden gewesen, lediglich die vier Gegentore seien zu viel und in der Entstehung vermeidbar gewesen.
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"Die Treffer basierten auf individuellen Fehlern. Aber auch darauf, dass wir nicht konsequent genug verteidigt haben – ein deutlicher Unterschied zu den ersten zehn Spielen der Rückrunde. Auf dieses Niveau müssen wir nun schnellstens wieder kommen", sagte Hürzeler.
Schiedsrichter Sven Jablonski pfeift Tor von Oladapo Afolayan zurück
Ähnlicher Meinung war sein Co-Kapitän Jackson Irvine. "Wir haben eine große Möglichkeit vergeben. Eigentlich sogar mehrere große Möglichkeiten in den Schlüsselmomenten", sagte der Australier.
Für Diskussionen hatten auch zwei Entscheidungen von Schiedsrichter Sven Jablonski (Bremen) gesorgt. Zunächst hatte dieser den sanft ausgestreckten Arm Afolayans in Richtung Miro Muheim, der sich theatralisch fallen ließ, direkt abgepfiffen, anstatt die Szene, die der Brite mit einem Tor abschloss, weiterlaufen zu laufen, um dem Videoassistenten eine Überprüfung zu ermöglichen.
St. Pauli verlor das Derby gegen den HSV kurz vor und kurz nach der Halbzeit
Dann gab er HSV-Kapitän Sebastian Schonlau nach einem Foul an Lukas Daschner die Gelbe Karte. Die Gäste wollten eine Rot-würdige Notbremse gesehen haben. Bereits im Hinspiel, das St. Pauli 3:0 gewann, hatte Schonlau vor dem Seitenwechsel einen Platzverweis kassiert.
Entscheidend waren jedoch die fünf Minuten vor und zehn Minuten nach der Halbzeit, als der HSV aus einem 0:1 ein 3:1 machte. "Die Phasen um die Halbzeit herum sind auswärts immer die, die dich als Gästeteam am meisten verletzen können. Wenn die Fans sich bemerkbar machen", sagte Irvine.
Polizei kann Lage rund um das Derby unter Kontrolle halten
Und wie sie sich bemerkbar gemacht hatten. Beide Anhängerscharen hatten stimmungstechnisch für eine würdige Atmosphäre gesorgt und unterstrichen, dass Hamburg zumindest in diesem Bereich bundesligatauglich ist.
Bei aller Rivalität, zumindest blieb es unter den Fans, abgesehen von Sticheleien und dem Zünden von Pyrotechnik, weitgehend entspannt. Laut Meldung des Polizei-Lagedienstes vom Sonnabendvormittag gab es nach dem Derby keine größeren Zwischenfälle mehr.
FC St. Pauli erstattet Anzeige wegen Sachbeschädigung des Mannschaftsbusses
Der FC St. Pauli erstattete zwar Anzeige wegen Sachbeschädigung, da es nach dem Spiel mutmaßlich zu Flaschenwürfen auf den Mannschaftsbus gekommen sein soll, am Gefährt konnten nach eingehender Kontrolle am Folgetag jedoch keine Beschädigungen festgestellt werden.
Unbeschädigt sollen auch Kalles neue, signierte Torwarthandschuhe bleiben. Die erhielt er nämlich als Dank von Vasilj, der sie gegen das Banner eintauschte.