Hamburg. HSV-Abwehrchef Schonlau fliegt nach Notbremse. In der zweiten Halbzeit schlägt der Kiezclub dreifach Kapital aus der Überzahl.
Der FC St. Pauli darf sich mindestens bis zum nächsten Frühjahr wieder einmal Hamburger Stadtmeister nennen. Der Kiezclub entschied am Freitagabend das Derby gegen den HSV in der Zweiten Fußball-Bundesliga mit 3:0 (0:0) für sich.
Gegen den großen Rivalen, der nach einer Roten Karte für Kapitän Sebastian Schonlau in der 28. Minute (Notbremse) lange in Unterzahl agieren musste, trafen Eric Smith (61.), Marcel Hartel (75.) und Joker David Otto (89.) mit seinem ersten Tor für den Kiezclub.
HSV bei St. Pauli lange in Unterzahl
Begünstigt wurde der klare Erfolg durch die Schlüsselszene in der ersten Hälfte: Schonlau brachte St. Paulis Angreifer Etienne Amenyido als letzter Mann zu Fall.
Der erfahrene Fifa-Schiedsrichter Deniz Aytekin (Oberasbach) zögerte keine Sekunde und musste in seiner Entscheidung, Schonlau mit glatt Rot in die Kabine zu schicken, auch nicht aus dem Kölner Videokeller korrigiert werden.
Es war der dritte Platzverweis gegen den HSV in der laufenden Saison. "Das hat das Spiel natürlich verändert", sagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der erstmals seit Februar (2:3 gegen Werder Bremen) wieder dreimal hinter sich greifen musste.
Einen echten Vorteil verschaffen aus der Überzahl konnte sich St. Pauli zunächst allerdings nicht. Vielmehr war es der HSV, der ohne seinen Abwehrchef die Kräfte noch einmal mehr als ohnehin schon bündelte und die Gastgeber zunächst erfolgreich vom eigenen Tor fernhielt.
Erst kurz vor dem Pausenpfiff brach Rückkehrer Leart Paqarada dann doch einmal über links durch – doch seine Flanke konnte Igor Matanovic mit dem Außenrist nur an den rechten Außenpfosten setzen.
„Wir wollten klar zeigen, wer Herr im Haus ist. Das haben wir auch vor der Roten Karte schon gut gemacht“, sagte St. Paulis Außenverteidiger Paqarada. Gleichwohl habe der Platzverweis seinem Team sprichwörtlich „in die Karten“ gespielt.
FC St. Pauli – HSV
St. Pauli drängt den HSV weit nach hinten
Nach dem Wechsel versuchten die Gastgeber, das zahlenmäßige Plus besser zu nutzen. Phasenweise drängten sie den HSV weit in dessen Hälfte rein. Doch erst Smiths Kopfballtor nach einem Eckball von Hartel und eben jener selbst belohnten den FC St. Pauli für seine Mühe. Den Schlusspunkt setzte Otto per Kopf.
„Alle waren kaputt“, sagte St. Paulis Trainer Timo Schultz hinterher. „Heute war zum ersten Mal meine Handschrift zu sehen, es war dreckiger Fußball.“ Daher hätten seine Jungs sich auch „ein Bierchen“ verdient.
Anders sah die Stimmungslage naturgemäß bei Schultz' Gegenüber aus. „Man ist nie gerne derjenige in der Stadt, der verliert“, gestand HSV-Trainer Tim Walter – und ließ sogleich aber eine erste Ansage fürs Rückspiel folgen: „Aber St. Pauli kommt ja auch noch zum HSV.“
St. Pauli gegen HSV: Gewaltszenen vor dem Derby
Vor dem Risikospiel hatte ein Polizeieinsatz für Aufregung gesorgt. Die Polizei hatte mehrere Anhänger des FC St. Pauli in Gewahrsam genommen. Ein auf Twitter kursierendes Video zeigt eine solche Ingewahrsamnahme, bei der ein Polizist Zwang in Form von körperlicher Gewalt anwendet.
„Ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, gilt es zu prüfen“, teilte die Polizei via Twitter mit. In dem Video ist zu sehen, wie mehrere Menschen von Polizisten auf dem Boden fixiert werden. Ein Beamter schlägt auf einen am Boden liegenden Mann ein, während ein anderer dessen Beine fixiert. Der FC St. Pauli forderte Aufklärung.
Stadtderby St. Pauli gegen HSV: Vor dem Spiel
Den ersten kleinen Erfolg feierte der FC St. Pauli bereits vor dem Stadtderby gegen den HSV. Der Kiezclub veröffentlichte seine Mannschaftsaufstellung um kurz nach 17.30 Uhr, etwas schneller als der Lokalrivale HSV.
Auf große Experimente verzichtet Trainer Timo Schultz. Für den an den Adduktoren verletzten Abwehrspieler David Nemeth rückt Adam Dzwigala in die Innenverteidigung. Im Sturm sitzt etwas überraschend erneut Johannes Eggestein nur auf der Bank.
Stadtderby live: Kittel nur auf der Bank beim HSV
Knapp zehn Minuten später verriet auch der HSV, welches Personal für das prestigeträchtige Derby aufgeboten wird. Der gegen Kaiserslautern noch erkrankte Daniel Heuer Fernandes kehrt ins Tor des Tabellenführers zurück.
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Für den zuletzt schwachen Spielmacher Sonny Kittel erhält Ransford Königsdörffer den Vorzug vor Jean-Luc Dompé, der nach seinem Bänderanriss eigentlich wieder fit ist.