Hamburg. Immer wieder Proteste der Ultras. Wie der HSV seine Preispolitik begründet und worüber sich ein bekannter Fan ärgert.

Fernando Silva sitzt an seinem Schreibtisch, als ihn das Abendblatt telefonisch erreicht. Hier nimmt der 44 Jahre alte HSV-Fan, den die meisten einfach nur „Nando“ nennen, einmal wöchentlich seinen in Fankreisen weit verbreiteten Podcast Volksparkgeflüster auf. Diesmal ist der Anlass, warum er vor seinem Mikrofon Platz nimmt, jedoch ein anderer. Denn Silva ist verärgert. Nicht über das Abendblatt und auch nicht über seinen Podcast, aber über die Ticketpreise beim HSV.

„Ich finde, die Ticketpreise sind zu teuer und stehen nicht im Verhältnis zur Leistung. Wir spielen nicht in der Bundesliga oder im Europapokal“, sagt der langjährige HSV-Fan, der mit seiner Sichtweise nicht allein dasteht. Die Ticketpreise sorgen seit Jahr und Tag für Ärger beim HSV.

In regelmäßigen Abständen bringt die aktive Fanszene ihren Protest auf großen Bannern zum Ausdruck. So auch beim jüngsten Heimsieg gegen Kaiserslautern (2:1), als die Ultras die Ticketpreise für das Stadtderby gegen St. Pauli (3. Mai) zum Anlass für neue Spruchbänder nahmen. „Die Fans sind uns egal“, „ganz gleich wie loyal“ und „unsere Preise asozial“ stand in großen Lettern auf der Nordtribüne.

HSV-Tickets: Fan-Ärger! Was der Club entgegnet

Zwischen 38 und 99 Euro kostet ein Sitzplatz im Derby. 33 bis 74 Euro sind es beim Zweitligagipfel am Sonnabend gegen Tabellenführer Holstein Kiel (20.30 Uhr). Das Nordduell gehört auch deshalb zu den teuersten Heimspielen dieser Saison, weil die Partie in der „Crunchtime“ stattfindet, in der es um den Aufstieg geht. Ein solches Spektakel hat auch seinen Preis, wird im Volkspark argumentiert.

Zugleich stört sich der HSV daran, dass die Kritik der Ultras immer wieder auf die teuerste Kategorie heruntergebrochen wird. Schließlich wurden in der vergangenen Saison gegen St. Pauli nur sieben Prozent der Gesamtkapazität für 99 Euro pro Person angeboten, während jeder vierte Zuschauer 20 Euro oder weniger zahlte. Etwas mehr als jeder Zweite legte 40 Euro oder weniger für sein Ticket hin, und zwei Drittel zahlten nicht mehr als 55 Euro.

Es sind Quoten, die durch die hohe Anzahl an Dauerkarteninhaber (22.900) möglich wurden. Gerade auf der stimmungsvollen Nordtribüne sind fast alle Plätze an Ticket-Abonnenten vergeben. Gerade einmal 1500 Stehplätze werden pro Heimspiel an Mitglieder verkauft. Die Preise in Höhe von 18 Euro wurden zwar seit zehn Jahren nicht mehr erhöht. Dass die Nachfrage dieses Angebot um Längen übertrifft, versteht sich jedoch von selbst.

HSV-Fan steht hinter Kritik der Ultras

Ähnlich wie die Ultras moniert deshalb auch Silva, dass eine realistische Chance für Kartenkäufer nur in den drei teuersten Kategorien besteht – also beim Derby ab 65 Euro und gegen Kiel ab 54 Euro. „Tickets in den unteren beiden Kategorien sind für normale Fans bei beliebten Topspielen kaum zu ergattern, da viele Plätze durch Dauerkarten vergeben sind. Eine realistische Chance auf eine Eintrittskarte besteht häufig erst ab Kategorie drei – und dort wird es richtig teuer, gerade wenn man mit der Familie hingeht“, sagt die Führungskraft im Finanzbereich beim Großhandelsunternehmen Reyher.

Mit Ausnahme einer Unterbrechung ist Silva seit 1993 Mitglied beim HSV. Als Inhaber einer Dauerkarte im Block 10 B auf der Südtribüne hat er seinen festen Platz zwar auch in den teureren Topspielen sicher. Wenn er aber mit seinem sieben Jahre alten Patensohn ins Volksparkstadion geht, dann bekommt auch er die Preispolitik des HSV zu spüren. „Es ist nicht fair, dass Kinder- und Jugendticketpreise nur für den Familienblock gelten. Damit wird der HSV dem Familiengedanken, den er gegenüber seinen treuen Mitgliedern suggeriert, nicht gerecht“, klagt Silva.

Tickets für HSV wichtige Einnahmequelle

Als betroffener Fan könne er zwar die „wirtschaftlichen Zwänge“ des HSV nachvollziehen, für den die Ticketverkäufe gerade in der Zweiten Liga, in der die Erlöse aus dem Sponsoring und das TV-Geld geringer ausfallen, eine wichtige Einnahmequelle bedeuten. So steuert der HSV nach Abendblatt-Informationen auch in dieser Saison wieder auf einen Gewinn zu – da der Zuschauerschnitt höher ausfällt als erwartet.

Die Vorstände Jonas Boldt (l.) und Eric Huwer führen Gespräche mit dem HSV Supporters Club über sozialverträglichere Ticketpreise.
Die Vorstände Jonas Boldt (l.) und Eric Huwer führen Gespräche mit dem HSV Supporters Club über sozialverträglichere Ticketpreise. © Witters

Silva sei es auch bewusst, dass die Nachfrage den Preis bestimme und „die Fans dem HSV die Bude einrennen“. Er findet aber, „dass der Club nicht um jeden Preis ins oberste Preisregal greifen sollte – insbesondere wegen des herausragenden Zuspruchs der Fans“, sagt Silva. „Der HSV ist vor allem attraktiv für Sponsoren, weil wir treuen Fans das Stadion voll machen und für eine beeindruckende Stimmung sorgen. Das sollte der Club bei seinen Ticketpreisen wertschätzend berücksichtigen.“

HSV-Fan schlägt Ticket-Lösung vor

Sein Lösungsansatz ist daher, dass der HSV das Familienticketkontingent erweitern sollte. „Damit brächte man die junge Generation, also die Zukunft der Anhängerschaft, ins Stadion“, sagt Silva, der nicht nur den HSV, sondern auch die Dachorganisation der Fans kritisiert.

„Der Supporters Club hat sich auf die Fahne geschrieben, für sozialverträgliche Ticketpreise einzustehen. Von diesem Engagement sehe ich nichts“, ärgert sich der 44-Jährige. „Wenn der Supporters Club öffentlich zu der Thematik schweigt, bekommen wir Fans den Eindruck, dass die aktuellen Ticketpreise offenbar von der Supporters-Führung akzeptiert werden.“

HSV-Arbeitsgruppe feilt an gerechten Ticketpreisen

Es ist eine Kritik, die der Supporters Club zum einen nachvollziehen, aber eben auch entkräften kann. Zwar hat sich die Fanorganisation tatsächlich nicht öffentlich zu der Thematik positioniert. Im Hintergrund finden allerdings Gespräche mit der Clubführung statt, in denen sich der Supporters Club für sozialverträglichere Ticketpreise einsetzt. So soll der Dauerärger über die Ticketpreise oberste Priorität in den Terminen mit den Vorständen Eric Huwer und Jonas Boldt genießen.

Was zudem bislang niemand wusste: Vor rund neun Monaten wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus dem HSV-Vorstand sowie Vertretern des Ticketing und der Supporters, ins Leben gerufen. Aktuell ist die Führung der Fan-Organisation optimistisch, eine Lösung zu finden.

HSV-Tickets: Austausch auf allen Ebenen

Im Aufsichtsrat ist es der frühere Vorsänger Henrik Köncke, der dem HSV-Vorstand kritische Fragen stellt, wie mit der Fankritik an den Preisen umgegangen wird. Auch Vertreter aus dem Bereich Fankultur, dem Fan- und Gremienrat sowie dem Nordtribünen e. V., ein Zusammenschluss aus den verschiedenen Ultragruppen und aktiven Fanclubs beim HSV, tauschen sich regelmäßig aus. Dabei soll sachlich und kontrovers über die unterschiedlichen Interessen diskutiert werden.

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Eines der Argumente ist dabei auch immer wieder die im Ticketpreis enthaltene Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Für diesen Service zahlt der HSV jährlich eine fast siebenstellige Summe an den HVV, wodurch auch die Shuttlebusse vom Bahnhof Stellingen zum Stadion finanziert werden. Beim Branchenprimus FC Bayern ist der Personennahverkehr beispielsweise nicht inklusive. Beim FC St. Pauli auch nicht.

Letztlich gelingt es dem HSV trotz seiner stolzen Preise, dass die Arena fast immer ausverkauft ist. „Dadurch fehlen uns Kritikern die Argumente“, weiß auch Silva, der neben einer höheren Anzahl an sozialverträglichen Tickets nur noch einen Wunsch hat: „Dass wir aufsteigen.“