Hamburg. Mit einem Sieg gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück wäre dem HSV Platz zwei sicher gewesen. Der Trainer stellt die Mentalitätsfrage.
Steffen Baumgart wendete sich enttäuscht vom Spielfeld ab, als Schiedsrichter Richard Hempel kurz vor Schluss auf den Elfmeterpunkt zeigte. HSV-Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt war gegen den VfL Osnabrück ein folgenschwerer Blackout unterlaufen, als er den Ball annahm und sich für seinen vermeintlichen Befreiungsschlag zu viel Zeit ließ.
Statt des Balls traf Van der Brempt nur den dazwischen gegangenen Ex-Hamburger Robert Tesche. Den fälligen Strafstoß verwandelte Michaël Cuisance eiskalt mit Unterstützung der Unterkante der Latte zum 2:1-Auswärtssieg im Volksparkstadion (89.). „Es wäre völlig vermessen, von einem verdienten Sieg zu sprechen", gab Osnabrücks Trainer Uwe Koschinat zu. Aber das half dem HSV auch nicht.
HSV tut sich auch unter Baumgart schwer
Auch unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart tut sich der HSV schwer, zwei Spiele in Folge zu gewinnen. Eine Woche nach dem hart erkämpften 1:0-Erfolg gegen Elversberg erwies sich der Tabellenletzte aus Osnabrück als zu große Hürde, weil zwei Freistöße zu Gegentoren führten.
„Wir können sagen, dass wir die Freistöße besser verteidigen können. Das nehme ich jetzt aber mal raus. Mir gefallen andere Sachen nicht. Es geht nicht um Qualität der Mannschaft, sondern darum, dass man die Qualität auch mit Willen rüberbringt. Das hat mir ein bisschen gefehlt", sagte Baumgart. „Osnabrück hat mit viel mehr Leidenschaft gespielt.“
Dabei wäre mit einem Heimsieg Platz zwei sicher gewesen, nachdem Holstein Kiel am Freitag bei Hertha BSC 2:2 gespielt hatte. So aber bleibt der HSV auf dem Relegationsrang – und es reift die Erkenntnis, dass Baumgart für die Mission Aufstieg noch viel Arbeit vor sich hat.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Kiel 29 / 59:34 / 58
1. FC St. Pauli 29 / 54:32 / 57
3. Düsseldorf 29 / 63:35 / 52
4. HSV 29 / 55:41 / 49
5. Hannover 29 / 51:36 / 45
6. Hertha 29 / 60:48 / 44
7. Karlsruhe 29 / 58:43 / 43
8. Fürth 29 / 40:42 / 42
Wie Osnabrück den HSV knackte
Baumgart veränderte seine Mannschaft auf einer Position: Noah Katterbach ersetzte den kurzfristig erkrankten Miro Muheim. Elversberg-Matchwinner Ransford Königsdörffer erhielt den Vorzug vor dem wieder genesenen Jean-Luc Dompé. Im Tor blieb Matheo Raab, der bereits nach sechs Minuten hinter sich greifen musste.
Michaël Cuisance zirkelte einen Freistoß auf den langen Pfosten, wo Lukas Kunze völlig frei zum Abschluss kam, weil Ludovit Reis nicht mit dem Torschützen mitging (6.). „Da merkt man, dass die Jungs noch zu viel mit sich selbst zu tun haben und normalste Abläufe in dem Moment vergessen", sagte Baumgart bezüglich der fehlenden Aufteilung. Der frühe Schock im Volksparkstadion zum 0:1 für die Gäste, die sehr offensiv begannen.
Bei Ballgewinn sprintete die halbe Mannschaft nach vorne, sodass sich im Nu vier Angreifer auf Höhe der Viererkette des HSV positioniert hatten. Die Hamburger mussten defensiv dadurch häufig Mann gegen Mann spielen. Hier hatte Gästecoach Uwe Koschinat offensichtlich eine Schwachstelle des HSV erkannt. Weil Osnabrück schnell den langen Ball suchte, kamen die Gastgeber zudem nicht in Baumgarts erwünschte Pressingmomente im vorderen Drittel.
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HSV glich per Elfmeter aus
Bis auf einen Kopfball von Kapitän Sebastian Schonlau nach einer Ecke Immanuel Pherais (34.), tat sich der HSV in der Folge schwer beim Erspielen von Torchancen. Kurz vor der Pause sorgte eine Einzelaktion von Pherai dann aber doch noch für den Ausgleich. Nach einem Doppelpass mit Robert Glatzel drang der Niederländer in den Strafraum ein, wo er rüde vom Ex-Hamburger Maxwell Gyamfi abgeräumt wurde. Ein klarer Foulelfmeter, den Glatzel mit einem platzierten Schuss ins linke Eck zum 1:1 verwandelte (45.+2).
Der zweite Durchgang begann mit einer Großchance für den HSV, um das Spiel zu drehen. Nach einer technisch anspruchsvollen Kombination zwischen Ignace Van der Brempt und Jonas Meffert musste Königsdörffer den Ball eigentlich nur noch über die Torlinie drücken. Doch der Außenstürmer erwischte kein gutes Timing beim Kopfball und verfehlte das Gehäuse deutlich (52.).
Baumgart brachte jetzt Dompé für Königsdörffer, um mehr Eins-gegen-eins-Situationen zu erzwingen (58.). Doch der Franzose fügte sich mit einer Gelben Karte nach dem dreisten Versuch, mit einer Schwalbe zu einem Elfmeter zu kommen, nicht gerade glücklich ein (65.).
HSV verliert gegen Osnabrück
Dafür trieb der beste Mann auf dem Platz, Pherai, immer wieder das Offensivspiel an. Nach einem optimal getimten Steckpass hatte Bakery Jatta die Führung auf dem Fuß, doch der Gambier verzog deutlich – und es gab sogar Einwurf für Osnabrück (70.).
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In der Schlussviertelstunde wurde es noch einmal laut im Volkspark, weil der HSV plötzlich in Überzahl spielte, nachdem Osnabrücks Innenverteidiger Gyamfi wegen eines eigentlich harmlosen Einsteigens gegen Van der Brempt mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wurde. Die Gäste standen daraufhin noch tiefer, um den Punkt über die Zeit zu bringen. Mit der Hereinnahme von Andras Nemeth stellte Baumgart in der Schlussphase auf zwei Spitzen um (81.), doch auch diese Maßnahme führte nicht zum Erfolg.
Stattdessen entführte Osnabrück durch den Last-Minute-Elfmeter drei Punkte aus dem Volkspark.
„Man muss über 90 Minuten die richtige Körpersprache an den Tag legen, wenn man in der Zweiten Liga bestehen will", wurde Baumgart deutlich. „Es gibt Gründe dafür, wieso der Verein schon so lange in der Zweiten Liga ist. Die haben noch nie mit Qualität zu tun gehabt, sondern damit, dass man über Grenzen gehen muss. Man muss den eigenen Schweinehund überwinden.“
Die Statistik:
- HSV: Raab – Van der Brempt, Hadzikadunic, Schonlau, Katterbach (90. Öztunali) – Meffert (81. Suhonen) – Reis (58. Poreba), Pherai – Jatta (81. Nemeth), Glatzel, Königsdörffer (58. Dompé).
- Osnabrück: Kühn – Ajdini (72. Androutsos), Gyamfi, Diakhite, Kleinhansl – Gnaase, Kunze (62. Tesche) - Conteh (78. Wulff), Cuisance, Makridis (62. Niemann) – Engelhardt (78. Wiemann).
- Tore: 0:1 Kunze (6.), 1:1 Glatzel (FE/45.+2), 1:2 Cuisance (FE/89.).
- Schiedsrichter: Richard Hempel.
- Gelb-Rot: Gyamfi (76.).
- Gelbe Karten: Reis (3), Pherai (3), Dompé (3), Poręba – Kleinhansl, Cuisance (5)
- Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
- Torschüsse: 13:3. Ecken: 11:5. Ballbesitz: 63:37 Prozent. Zweikämpfe: 126:104