Hamburg. Ex-Aufsichtsrat, zwei Hamburger und Kühne unterstützten HSV bei der Stadionfinanzierung. Muss der Club das Geld überhaupt zurückzahlen?
Knapp anderthalb Jahre ist es her, dass den Verantwortlichen des HSV ein echtes Kunststück gelang: 20 Millionen Euro in nur sieben Sätzen zu erklären. Unter der Überschrift „Finanzierung der Baumaßnahmen im Volksparkstadion steht“ haben die Hamburger in einem kurzen Club-Kommuniqué genau das gemacht.
Es war der Tag nach einer richtungweisenden Aufsichtsratssitzung, auf der der damalige Finanzdirektor Eric Huwer vor allem eine Botschaft verkünden konnte: Alle erforderlichen Stadionmodernisierungen im Hinblick auf die Euro 2024 können endlich eingeleitet werden. Teilnehmer der damaligen Sitzung sprechen noch heute von einem echten Befreiungsschlag, nachdem zuvor monatelang erfolglos um die millionenschwere Finanzierung gefeilscht, gezittert und gesucht wurde.
HSV und die 20 Millionen: Nur Kühne war bekannt
Der damals bereits geschasste Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld hatte immer wieder auf die Unterstützung der Stadt Hamburg spekuliert, dann plötzlich war seine präferierte Lösung ein Millionen-Darlehen von Hauptsponsor HanseMerkur. Der Haken: Einen Bürgen für diesen Deal konnte er trotz mehrfacher Ankündigung nicht präsentieren. Die Zeit verrann – und die dringend benötigten Modernisierungsarbeiten konnten nicht beauftragt werden. Bis zur bahnbrechenden Aufsichtsratssitzung am 13. Dezember 2022.
Was anderthalb Jahre später die wenigsten wissen: Es war eine Last-minute-Lösung. 24 Stunden vor der damaligen Zusammenkunft der Kontrolleure war noch immer kein Vertrag unterschrieben. Doch alle Partner hielten Wort – und so konnte der spätere HSV-Finanzvorstand Huwer „just in time“ seine Lösung mit vier Hamburger Darlehensgebern präsentieren. Das Gesamtvolumen: 20 Millionen Euro.
Ex-Aufsichtsrat Goedhart wollte anonym bleiben
In der Pressemitteilung hieß es am Tag danach etwas nebulös: „Kühne Holding AG und weitere Darlehensgeber stellen Millionenbeträge zur Verfügung und unterstützen die HSV Fußball AG.“ Relativ schnell machte die Runde, dass Klaus-Michael Kühne von dem 20-Millionen-Euro-Darlehen 10 Millionen Euro bereitgestellt hatte. Nur die Frage, wer denn die „weiteren Darlehensgeber“ sind, wurde nie aufgeklärt.
Bis jetzt. Wie das Abendblatt nun erfuhr, stellten drei weitere Hamburger die restlichen 10 Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung – und einer von ihnen ist im HSV-Kosmos auch kein Unbekannter. Gemeint ist der frühere HSV-Aufsichtsrat Felix Goedhart, der bis Ende 2021 sieben Jahre lang im Kontrollgremium seines Herzensclubs saß.
Als das Abendblatt Goedhart mit dieser Information konfrontiert, rollt dieser mit den Augen. „Ich muss meinen Namen nicht in der Öffentlichkeit lesen, daher haben wir es anonym gehalten“, sagt der Hamburger Unternehmer im Besprechungszimmer seiner Firma Blue Elephant mit bestem Blick auf die Binnenalster.
Doch nun ist die Katze aus dem Sack – Dementi zwecklos. „Ich habe mich beim HSV finanziell engagiert, weil ich dem eingeschlagenen Weg vertraue und der Vorstand in seiner jetzigen Konstellation stets sein Wort gehalten hat“, erklärt er sein millionenschweres Bekenntnis – wobei das nur die halbe Wahrheit ist.
Goedharts Firma erhielt französischen Großinvestor
Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass kurz vor Huwers Anruf im Winter 2022 Goedhart ein echtes Problem hatte. Der Firmengründer hatte einen französischen Großinvestor für seine erfolgreiche Solar- und Windparkbetreiberfirma Blue Elephant gefunden – und somit von dem einen auf den anderen Moment ganz einfach zu viel Geld.
Ein millionenschweres Luxusproblem, das man natürlich lösen kann. Ähnlich wie bei Kühne überzeugte Huwer auch Goedhart und die anderen beiden Darlehensgeber, die allerdings beide weiterhin anonym bleiben wollen, von seinem Konzept. Seine Idee: Ähnlich wie bei den Anteilseignern suchte Huwer auch bei der teuren, aber alternativlosen Stadionmodernisierung HSV-Sympathisanten, die sich kein renditegetriebenes Geschäft erhofften.
HSV-Vorstand Huwer über den Millionendeal
„Die Darlehensgeber stammen aus dem direkten Umfeld unseres Clubs. Ein ausgewählter Unterstützerkreis hanseatischer Kaufleute mit der Raute im Herzen war stets unser Wunsch“, sagt Huwer nun anderthalb Jahre später. „Ihr Beitrag ist aus meiner Sicht auch als Bekenntnis für unseren Weg einer ligaunabhängigen wirtschaftlichen Zukunftstauglichkeit und als Vertrauensbeweis zu verstehen.“
Tatsächlich sind die Konditionen für alle vier Darlehensgeber nach Abendblatt-Informationen alles andere als marktüblich. Die Kreditlaufzeit liegt bei fünf Jahren, der durchschnittliche Zinssatz bei unter fünf Prozent. Sicherheiten gibt es keine, genauso wenig wie ein Mitspracherecht bei Entscheidungen.
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Auf direkte Nachfrage an Milliardär Kühne lässt dieser ausrichten: „Die Kühne Holding AG freut sich über das Engagement von Herrn Goedhardt und weiteren Hamburgern.“ Und die Freude beruht auf Gegenseitigkeit. Denn auch beim HSV ist man nun, da die finanzielle Unterstützung Goedharts öffentlich wurde, noch immer stolz auf den risikoarmen Deal von damals.
Dabei macht man auch kein Geheimnis daraus, dass die Darlehensgeber rund um Goedhart, passend zum Firmennamen seines Unternehmens Blue Elephant, so etwas wie eine Blaupause für den nächsten zentralen Zukunftsschritt sein soll. Denn auch nach der angepeilten Rechtsformänderung, die auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 23. März beschlossen werden soll, wollen die Hamburger Verantwortlichen zukünftig auf ähnliche Anteilseigner in einer möglichen HSV Fußball AG & Co. KGaA setzen.
Wandelt Goedhart Millionen in HSV-Anteile um?
Also anders als früher, als bei der Ausgliederung 2014 strategische Partner und blühende Europa-Landschaften versprochen wurden, hofft man nun auf vermögende HSV-Sympathisanten, die nicht renditeorientiert sind. Das gilt auch für Kühne, für Goedhart und für die beiden anderen HSV-Darlehensgeber. Alle vier haben die Möglichkeit, im Falle einer Rechtsformänderung ihr Darlehen in Anteile zu wandeln.
Mit anderen Worten: Sollten „die fantastischen Vier“ tatsächlich ihr Darlehen in Anteile umwandeln, müsste der HSV die 20 Millionen Euro für die dringend erforderliche Stadionfinanzierung nicht einmal zurückzahlen. Es wäre ein Meilenstein bei Huwers Versuch, den Club schuldenfrei aufzustellen. Der Clou aus HSV-Sicht: Die ziemlich hoch angesetzte Bewertung von 64 Euro pro Aktie ist vertraglich zementiert.
HSV-Mitglieder stimmen über Rechtsform ab
Gelingt es dem Vorstand des HSV dann auch noch, die Mitglieder von diesem Weg bis zur Abstimmung über eine neue Rechtsform am 23. März zu überzeugen, wäre finanziell der nächste Befreiungsschlag gewiss – und eine erneute Pressemitteilung erforderlich.