Hamburg. Baumgart soll neuer HSV-Trainer werden. Zuvor diskutierte der Aufsichtsrat über große Lösung mit Magath. Rückhalt für Boldt bröckelt.

Wenn sich die HSV-Profis am Dienstag um 16 Uhr auf dem Trainingsplatz neben dem Volksparkstadion versammeln, soll ihnen ein neuer Coach Anweisungen geben. Auch wenn am Montagabend noch letzte Vertragsdetails zu klären waren, dürfte Steffen Baumgart der neue Cheftrainer werden und soll die Hamburger zum Aufstieg führen. Der Plan sieht vor, Baumgart noch vor der Trainingseinheit am Dienstag auf einer Pressekonferenz vorzustellen.

Nach dem enttäuschenden 2:2 bei Hansa Rostock wurde die Suche nach einem Nachfolger für Interimscoach Merlin Polzin intensiviert. Zuvor hatte sich der HSV konkret mit dem Übergangsszenario beschäftigt, den 33-Jährigen bis Saisonende im Amt zu lassen und ihn unabhängig vom Aufstieg im Sommer durch einen erfahrenen Trainer zu ersetzen.

Als aussichtsreichster Kandidat für diesen Plan galt Lukas Kwasniok von Ligarivale SC Paderborn, der erst nach dieser Spielzeit zur Verfügung stehen könnte. Nach Abendblatt-Informationen standen die Hamburger noch vor Baumgart mit dem 42-Jährigen im Austausch. Doch nach dem Rostock-Spiel stieg der Druck auf Sportvorstand Jonas Boldt, eine schnelle aufstiegstaugliche Lösung zu präsentieren.

HSV-Boss Boldt wählt Baumgart statt Thorup

Am Sonntagabend nahm der HSV schließlich erstmals Kontakt mit Baumgart auf, der seinen Vertrag beim 1. FC Köln bereits aufgelöst hat, also keine Ablöse kostet. Der 52-Jährige setzte sich gegen den Dänen Johannes Thorup vom Erstligisten FC Nordsjælland durch, der ebenfalls als Trainerkandidat im Volkspark gehandelt wurde.

Steffen Baumgart (52) war bis Ende Dezember als Trainer des Bundesligisten 1. FC Köln tätig. Nun soll er den HSV zum Aufstieg führen.
Steffen Baumgart (52) war bis Ende Dezember als Trainer des Bundesligisten 1. FC Köln tätig. Nun soll er den HSV zum Aufstieg führen. © dpa | Bernd Thissen

HSV-Aufsichtsrat kritisiert: Hat Boldt zu lange an Walter festgehalten?

Vom Erfolg Baumgarts, der nach Tim Walter und Polzin bereits der dritte Trainer in dieser Saison ist, hängt nun auch die Zukunft von Sportvorstand Jonas Boldt ab, der nach Abendblatt-Informationen im Aufsichtsrat zunehmend kritisch gesehen wird.

Der Hauptvorwurf von Teilen des Kontrollgremiums ist das möglicherweise zu lange Festhalten an Ex-Trainer Walter, der es in dieser Saison nicht schaffte, die Mannschaft konstant zu Siegen zu führen. Einige Räte hätten von Boldt erwartet, sich bereits im Winter von Walter zu trennen, damit sein Nachfolger eine komplette Trainingsvorbereitung bekommt, um eine neue Spielweise für mehr defensive Stabilität einzustudieren.

Doch der Manager entschied sich aus Überzeugung gegen einen Trainerwechsel im Winter, obwohl auch Baumgart zu diesem Zeitpunkt bereits zur Verfügung stand und dem Vernehmen nach keine Verschnaufpause kurz nach seiner Entlassung in Köln gebraucht hätte.

HSV-Aufsichtsräte wollten Magath für Boldt

Weil einige Aufsichtsräte Boldts Entscheidung nicht nachvollziehen konnten, soll noch vor dem Jahreswechsel über ein sofortiges Aus des Sportvorstands abgestimmt worden sein. Nach Abendblatt-Informationen entschieden sich die Räte mit 4:2-Stimmen für ein Weiter so mit Boldt. Doch alleine die Tatsache, dass es zu dieser inoffiziellen Wahl kam, untermauert, dass der Rückhalt für den 42-Jährigen nach fast fünf Jahren beim HSV bröckelt.

Als dann auch noch der Rückrundenstart mit Walter nicht wie sportlich erhofft verlief, stimmte sich das Kontrollgremium abermals ab. Diesmal ging es um die ganz große Lösung, die im Volkspark für ein mittelschweres Beben gesorgt hätte.

Bei einer gleichzeitigen Trennung von Boldt sollte Felix Magath als Sportvorstand und Trainer in Personalunion übernehmen, lautete die Idee einzelner, die allerdings keine Aufsichtsrats-Mehrheit fand. Am Ende erzielte das Kontrollgremium den Konsens, den Manager im Amt zu lassen, und ihn mit der Trainerwahl eine letzte große Entscheidung treffen zu lassen, bevor es im Sommer zu einer offenen Analyse über seine Zukunft kommen wird.

Teile des HSV-Aufsichtsrats wollten Boldt mit Magath ersetzen.
Teile des HSV-Aufsichtsrats wollten Boldt mit Magath ersetzen. © Witters

HSV-Aufsichtsrat diskutiert über Boldt

Dabei sollen auch die Verdienste Boldts berücksichtigt werden, der den HSV wirtschaftlich stabilisiert hat, aber eben bislang viermal am großen Aufstiegsziel gescheitert ist. Der Vorstand hat die Marke HSV auf ein neues Level gehoben. Er ist mitverantwortlich für einige lukrative Sponsorenverträge, die in der jüngeren Vergangenheit ausgehandelt wurden.

In seinem Hauptaufgabengebiet der Profimannschaft hat er dagegen nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. So ist ein weiterer Kritikpunkt einiger Aufsichtsräte, dass es Boldt in nunmehr drei Transferperioden nicht gelungen ist, einen adäquaten Ersatz für den wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic zu verpflichten.

HSV-Kritik: Boldt holte keinen Vuskovic-Ersatz

Bei seinem ersten Versuch präsentierte der Manager den Spanier Javi Montero, der nach zwei Platzverweisen und vielen Fehlern in nur vier Einsätzen keine Berücksichtigung mehr unter dem damaligen Trainer Walter fand. Mit der Verpflichtung von Dennis Hadzikadunic folgte ein neuer Anlauf im vergangenen Sommer. Doch auch der bosnische Nationalspieler, der mit Walters Spielidee fremdelte, hat sich bislang nicht als die erhoffte Verstärkung entpuppt.

Im Winter wollte Boldt schließlich erneut in der Innenverteidigung nachbessern. Lange Zeit setzten die Hamburger alles auf die Karte David Zima vom FC Turin. Nachdem dessen Berater dem HSV signalisiert hatte, für eine Einigung mit den Italienern zu sorgen, stand der Deal schon kurz vor dem Abschluss. Aber eben nur kurz.

Das Ende ist bekannt: Slavia Prag schaltete sich in den Transferpoker ein und schnappte den Hamburgern ihren Wunschverteidiger auf der Zielgeraden weg. Eine Alternative wurde an den letzten drei Tagen der Transferperiode ebenfalls nicht verpflichtet.

Boldt geriet in Erklärungsnot beim HSV

Nach der verpassten Möglichkeit, die Abwehr personell zu verstärken, geriet Boldt beim Aufsichtsrat in Erklärungsnot. Der Vorstand soll berichtet haben, sich mit mehreren Innenverteidigern beschäftigt zu haben. Letztlich ließe sich aber kein Transfer realisieren – zumindest keiner, der die Mannschaft verbessert hätte, und das sei schließlich das Ziel gewesen.

Die Begründung hat nicht jedes Aufsichtsratsmitglied überzeugt. Und nach den ersten Rückrundenspielen, in denen sich das Abwehrzentrum weiterhin als die größte Problemzone erwiesen hat, sahen sich einige Gremienvertreter in ihrer zuvor angebrachten Skepsis bestätigt.

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Baumgart muss Verunsicherung lösen

Nun liegt es also auch an der Arbeit Baumgarts, die Zweifel der Räte zu beseitigen. Der selbst ernannte HSV-Fan soll die Mannschaft defensiv stabilisieren, ohne ihr dabei ihre größte Stärke zu nehmen, nämlich die eigene Torgefahr.

An einer ballbesitzorientierten Spielweise wird Baumgart festhalten. Eine seine Hauptaufgaben in den ersten Tagen seiner Amtszeit wird es daher sein, den verunsicherten Spielern neues Selbstvertrauen zu vermitteln. In den zurückliegenden Spielen liefen viele Leistungsträger ihrer Form hinterher und verursachten teilweise kaum zu erklärende Fehler.

HSV-Boss Boldt: Zukunft hängt von Baumgart ab

Auch Boldt stellte diese Verunsicherung innerhalb der Mannschaft fest, weshalb er sich nun für den Trainerwechsel entschied. Der Sportvorstand soll derweil durchaus mitbekommen haben, dass er aktuell unter Beobachtung steht. Er soll sich auch schon Gedanken gemacht haben, ob er einer möglichen Abberufung im Sommer durch den Aufsichtsrat vielleicht sogar zuvorkommt.

Doch sollte mit Baumgart der sportliche Erfolg zurückkehren und der HSV nach sechs Jahren in der Zweiten Liga den Aufstieg schaffen, müsste sich vielleicht gar keiner intensiver mit diesem Szenario beschäftigen.