Hamburg. Die Fälle um Bakery Jattas Geld und den Transfer von Douglas Santos werden neu aufgerollt. Die Frage lautet: Warum eigentlich?
Wer sich in diesen Tagen beim Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) nach dem HSV erkundigt, der kann schon mal ein müdes Lächeln als Reaktion bekommen. Das hat allerdings weniger mit den sportlichen Leistungen des aktuellen Tabellenzweiten der Zweiten Bundesliga zu tun. Vielmehr ist den Mitarbeitern am Sievekingplatz nicht entgangen, dass der HSV inzwischen zu den Stammgästen des Ziviljustizgebäudes zählt, teilweise selbst verschuldet, teilweise auch nicht.
Immer wieder waren Verhandlungen, Gütetermine und Urteilsverkündungen unter Beteiligung des HSV beziehungsweise eines seiner Spieler oder Ex-Funktionäre angesetzt. Ein Ende dieses Kreislaufs scheint vorerst nicht in Sicht, denn wie das Abendblatt erfuhr, gehen gleich zwei eigentlich bereits zum Abschluss gekommenen Prozesse in die Verlängerung.
Zwei HSV-Prozesse werden neu verhandelt
Konkret geht es um den vor viereinhalb Jahren abgewickelten Transfer des ehemaligen HSV-Profis Douglas Santos zum russischen Topclub Zenit St. Petersburg sowie eine von einem früheren Betreuer geforderte Beteiligung an Bakery Jattas Gehalt. Beide Fälle werden in einem Berufungsverfahren vor dem OLG neu aufgerollt. Nach den in ihrer Deutlichkeit jeweils eindeutigen Urteilen in erster Instanz am Landgericht stellt sich allerdings die Frage: Warum eigentlich?
Eine Antwort auf diese Frage müssen die jeweils unterlegenen Parteien schriftlich beim Gericht einreichen. Im Fall von Douglas Santos betrifft es seinen damaligen Berater Marcus Haase, der sich vom HSV eine Provision für die Abwicklung des zwölf Millionen Euro schweren Wechsels nach Russland wünscht. Unter anderem weil sich die Ablöse durch Erfolgsprämien bereits auf 14 Millionen Euro erhöhte, hat sich Haases ursprüngliche Forderung in Höhe von 1,2 Millionen Euro inklusive Prozesszinsen inzwischen auf mehr als zwei Millionen Euro summiert.
Nach einer genehmigten Fristverlängerung muss der Berliner Agent seine Berufung bis zum 5. März begründen, wie das OLG auf Anfrage bestätigte. Anders als in möglichen weiteren Instanzen muss die Berufung nicht erst zugelassen werden. Es handelt sich dabei um ein legitimes Rechtsmittel des Unterlegenen, der eine weitere mündliche Verhandlung erzwingt.
Was Ex-Betreuer von Jatta verlangt
Gleiches gilt für Mahmut Aktas, der von Bakery Jatta nicht weniger als 416.500 Euro für seine Dienste verlangt. Nach Jattas Ankunft als Geflüchteter in Hamburg fuhr der Kläger den HSV-Profi zum Training und zu Spielen, organisierte nach eigenen Angaben Deutschkurse sowie einen Fitnesstrainer und brachte ihm das Schwimmen bei.
Im Gegenzug erhielt er eine tatsächlich vertraglich vereinbarte Einmalzahlung in Höhe von 12.000 Euro – gezahlt von Jattas eigentlichem Berater Efe Aktas, der ihn engagiert hatte und nicht verwandt mit dem Kläger ist. Doch Mahmut Aktas will mehr. Er fordert zehn Prozent der Einkünfte des HSV-Profis. Und zwar auf Lebenszeit.
Der Betreuer pocht darauf, eine solche Vereinbarung im Januar 2016 mit Jatta und Efe Aktas in der Bremer Fußballhalle Soccerking getroffen zu haben. Weil es dafür allerdings keinen schriftlichen Beweis gibt und Mahmut Aktas’ Zeugen seine Sichtweise lediglich vom Hörensagen unterstützten, hatte die Richterin die Klage kurz vor Weihnachten am 20. Dezember abgewiesen. „Mir fehlt die Überzeugung, dass die Behauptung des Klägers stimmt“, sagte sie in ihrer Urteilsbegründung, bei der nur das Abendblatt anwesend war.
Jatta-Anwalt hält Berufung für „aussichtslos“
In ihrem schriftlich an Mahmut Aktas und Jatta verschickten Urteil wies die Richterin jeden einzelnen Vorwurf des Klägers als unbegründet zurück. Obwohl sich die Beweislage seitdem nicht verändert hat, ist Mahmut Aktas fest davon überzeugt, das Berufungsverfahren zu gewinnen. Weil er eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, trägt er die zusätzlich entstehenden Kosten in fünfstelliger Höhe nicht selbst.
Jattas Anwalt Thomas Bliwier blickt dem erneuten Prozess gelassen entgegen. „Ich halte die Berufung für absolut aussichtslos, weil sich das Landgericht ausführlich mit der Beweislage auseinandergesetzt hat und richtigerweise zu dem Schluss gekommen ist, dass der Kläger seine behaupteten Ansprüche nicht begründen konnte“, sagt Bliwier auf Anfrage.
Ähnlich sah es auch beim Fall Douglas Santos aus, als die Honorarklage von Berater Haase Ende November abgewiesen wurde. Die Richterin äußerte damals „erhebliche Bedenken“, dass es jemals eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem HSV und dem Spieleragenten gegeben habe. Denn es sei „nichts Schriftliches abgeschlossen worden“.
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HSV: Werden Urteile bei Jatta und Santos bestätigt?
Laut der detaillierten Urteilsbegründung ließe sich die Provisionsforderung, die branchenüblich, wenn überhaupt, vom aufnehmenden Verein Zenit St. Petersburg hätte bezahlt werden müssen, nicht beweisen. Zudem zweifele die Richterin daran, dass Haase tatsächlich vom HSV für den Transfer von Douglas Santos beauftragt worden sei, weil die Zeugen Ex-Sportchef Ralf Becker, Ex-Vorstand Bernd Hoffmann und Sportvorstand Jonas Boldt „alle das Gegenteil begründet hatten“.
Doch Haase soll seine Berufungsbegründung nun maßgeblich darauf aufbauen, dass Hoffmann eine Falschaussage vor Gericht getätigt habe. Ein harter Vorwurf, der auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich zöge. Allerdings handelt es sich auch dabei um eine Behauptung, der es an Beweisen fehlt. Geklärt ist bislang nur, dass die Beweispflicht bei Haase liegt und seine Aussagen mit denen von Hoffmann, Boldt und Becker überhaupt nicht zusammenpassen.
Das Landgericht folgte schon einmal der Version des HSV in allen Punkten. Gleiches gilt für Bakery Jatta in der teilweise als Schlammschlacht ausgearteten Verhandlung um sein Geld. Ob das Hanseatischen Oberlandesgericht nun beide Urteile bestätigt?