Hamburg. Es geht um Millionen: HSV-Profi soll bis an sein Lebensende zahlen. Dunkle Hintergründe im Prozess offenbart.
Auf einmal reichte es Thomas Bliwier. Der sonst so besonnene Anwalt von HSV-Profi Bakery Jatta fuhr aus der Haut, als er Marius Breucker, dem ihm wiederholt ins Wort fallenden Anwalt von Kläger Mahmut Aktas, lautstark auf sein Fragerecht hinwies. Erst nach mehreren Aufforderungen Bliwiers ergriff auch die Richterin das Wort und drohte Breucker mit einem Protokollverweis. Zumindest diese Ansage fruchtete und brachte etwas Ordnung in diese beispiellose, vor Gericht ausgetragene Schlammschlacht um Jatta.
Rückblick: Der frühere Betreuer des Gambiers, Mahmut Aktas, fordert zehn Prozent der Einkünfte des HSV-Profis. Und zwar auf Lebenszeit. Er pocht darauf, eine solche Vereinbarung im Januar 2016 mit Jatta und dessen Berater Efe Aktas, mit dem er nicht verwandt ist, in der Bremer Fußballhalle Soccerking getroffen zu haben. Der Streitwert hat sich inzwischen auf 1,25 Millionen Euro summiert.
Mahmut Aktas’ feines, aber vermutlich entscheidendes Problem: Eine solche mutmaßliche Vereinbarung ist nie schriftlich fixiert worden.
Bakery Jatta: Zeugin sagt gegen HSV-Profi aus
Am Montag fand die vierte Sitzung der sich zum Marathonprozess entwickelnden Posse in Saal B223 im Hamburger Ziviljustizgebäude am Sievekingplatz statt. Diesmal war Mahmut Aktas’ Ex-Frau Melanie K.* als Zeugin geladen.
„Ich weiß, dass Verträge zwischen Jatta, Mahmut Aktas und Efe Aktas abgeschlossen wurden“, sagte die 35-Jährige zu Beginn. Im weiteren Verlauf der Verhandlung räumte sie allerdings ein, von einem solchen Schriftstück nur gehört zu haben. „Mein Ex-Mann berichtete mir von Vertragsgesprächen und -unterzeichnungen.“ Gesehen habe sie einen Kontrakt allerdings „nie“.
Dunkle Details über Prozess-Motivation
Fast 90 Minuten lang beantwortete die gelernte Betriebswirtin aus Bremen Bliwiers Nachfragen mit einer auffälligen Eloquenz. Und so gewährte sie tiefe Einblicke in ihre offenbar komplizierte private Situation, als es um die Motivation ihrer Zeugenaussage ging. „Mein Ex-Mann beschwerte sich über seine hohen laufenden Kosten und dass er gegen Jatta vor Gericht stünde, als es um die Regelung der Finanzen für unseren gemeinsamen Sohn ging“, sagte Melanie K. mit glasigen Augen.
Mit anderen Worten: Es geht nicht nur um Jatta, sondern auch um Unterhaltszahlungen für einen Fünfjährigen. Als die Zeugin dieses Detail, das die dunklen Hintergründe der Honorarklage verdeutlichte, preisgab, war sie den Tränen nah. Selbst der bis dahin so redefreudige Anwalt Breucker blieb für einen Moment still.
Jatta: Kläger Aktas witterte das große Geld
Zuvor hatte Melanie K. bereits kein Geheimnis daraus gemacht, welche Motivation Mahmut Aktas Anfang 2016 hatte, als er Jatta trainiert und auf das Profigeschäft vorbereitet habe. „Er hat viel Zeit und Geld in das Projekt Jatta investiert. Mahmut sagte, es werde uns finanziell gut gehen, wenn Bakery beim HSV unterschreibe. Er sprach von lebenslangem Profit.“ Selbst die Beteiligung an einer möglichen Verfilmung der rührenden Lebensgeschichte „vom Flüchtling zum Profifußballer“ sei Teil des Deals gewesen.
Im Juni 2016 sollte es schließlich so weit sein. Doch anders, als von Mahmut Aktas geplant, erwies sich Jattas Unterschrift unter seinen ersten, gering dotierten Vertrag beim HSV nicht als Jackpot.
Stattdessen erhielt Aktas eine tatsächlich vertraglich vereinbarte Einmalzahlung in Höhe von 12.000 Euro, gezahlt von Efe Aktas, der ihn engagiert hatte. Von diesem Geld musste Mahmut Aktas allerdings sowohl den privat engagierten Fitnesstrainer Lars D. als auch von Melanie K. auf 2000 Euro bezifferte Vertragsstrafen an den HSV bezahlen, weil der damals noch kein Einkommen beziehende Jatta häufiger zu spät zum Training erschienen sei.
Wie Aktas für Jatta arbeitete
„Wenn Mahmut nicht gewesen wäre, hätte es Jatta beim HSV nicht geschafft“, sagte Melanie K. in voller Überzeugung, ehe sie zu einem bemerkenswerten Monolog ansetzte, um dessen zeitaufwendige und kostspielige Aktivitäten zu beschreiben. „Mein Ex-Mann hat Bakery nicht nur zum Training und zu Spielen gefahren. Er hat Deutschkurse für ihn organisiert und ihm das Schwimmen beigebracht. Er ist extra von Stuttgart nach Hamburg gezogen, um ihn Schritt auf Schritt zu begleiten. Mahmut hat Jatta wie ein Kleinkind betreut.“
Laut gängiger Definitionen war Jatta zu diesem Zeitpunkt zwar längst aus dem Kleinkindalter herausgewachsen. Mit 17 Jahren war er allerdings noch minderjährig. Eine Tatsache, die auch einen mündlichen Vertrag, zu dem es bei jenem von allen Seiten bestätigten Treffen in der Bremer Fußballhalle gekommen sein könnte, unwirksam machen würde. Es sei denn, seine damals als Vormund anerkannte Bremer Sozialarbeiterin hätte den mutmaßlichen Vertrag genehmigt.
„Ich weiß, dass Jattas Vormund über diese Geschichte Bescheid wusste“, sagte Melanie K., die bei jenem Gespräch allerdings nicht dabei gewesen sei. Es fehlt also nach wie vor an stichhaltigen Beweisen.
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Jatta bot Vergleichszahlung an
Unbestritten ist dagegen, dass sich Mahmut Aktas um die Anfänge in Jattas fußballerischer Laufbahn kümmerte, nachdem dieser aus Gambia geflüchtet und über Bremen nach Hamburg gekommen war. Aus moralischer Sicht könnte daher angeprangert werden, dass sich der HSV-Profi nun zu wenig dankbar zeige und seinen anfänglichen Unterstützern ein Stück von seinem immer größer werdenden Kuchen verweigere.
Wie das Abendblatt erfuhr, hatte Jatta Mahmut Aktas vor Prozessbeginn tatsächlich eine Vergleichszahlung angeboten. Weil diese allerdings weit entfernt vom aktuellen Streitwert lag, lehnte sein früherer Betreuer das Geld ab.
Dem Vernehmen nach würde der Hamburger Flügelstürmer nach wie vor einer außergerichtlichen Einigung zustimmen, um die unwürdige Schlammschlacht zu beenden. Da die an allen vier Verhandlungstagen vorgetragenen Beweise vom Hörensagen stammen, wie die Richterin monierte, und die Prozesslage auf einen Sieg Jattas hindeutet, müsste das Angebot inzwischen jedoch vom Kläger kommen.
Bakery Jatta: Prozess gegen HSV-Profi vor Urteil
Wie gering Mahmut Aktas’ Aussichten auf Erfolg sind, zeigt der Fall des Fitnesstrainers Lars D., der Jatta vor einigen Jahren ebenfalls auf ein höheres Honorar verklagt hatte und den Prozess vor dem Bremer Landgericht verlor.
Im aktuellen Fall um Mahmut Aktas und Bakery Jatta kündigte die Richterin ein Urteil kurz vor Weihnachten an. Beendet sein wird der Rechtsstreit damit allerdings noch nicht. Es wird mit einer Berufung und dem Gang vor das Oberlandesgericht gerechnet.
*Name geändert