Karlsruhe. Zwei Szenen in der Nachspielzeit sorgen dafür, dass der HSV den Sieg beim KSC spät aus der Hand gibt. Die Analyse.
Das Auswärtsspiel des HSV beim Karlsruher SC war seit rund einer Stunde vorbei, als KSC-Trainer Christian Eichner geduldig auf Tim Walter wartete. Der badische HSV-Coach hielt gerade einen kurzen Plausch mit einem früheren Weggefährten.
Für einen kurzen Moment wirkte sein Ärger über den späten Ausgleich zum 2:2 (0:1) bei der Pflichtspielpremiere des neuen Wildparks wie verflogen. Dann drehte sich Walter um und reichte dem wartenden Eichner die Hand.
HSV: Woran es in Karlsruhe haperte
Es war so etwas wie eine kleine Versöhnung der sich in der Vergangenheit mehrmals so hitzig gegenübergestandenen Trainer. Erst im März dieses Jahres, als der HSV 2:4 in Karlsruhe verloren hatte, soll Walter einen Handschlag mit seinem Amtskollegen verweigert haben.
Eine Szene, die sich genauso wenig wiederholen sollte wie der damalige desaströse Auftritt der Hamburger. Und dennoch fühlte sich auch das Unentschieden „wie eine Niederlage an“, sagte Mittelfeldspieler Laszlo Benes, der mit einem Freistoßtor und einer Vorlage wie schon vor einer Woche gegen Schalke (5:3) auftrumpfte.
Mit dem dynamischen Spiel gegen den Bundesligaabsteiger hatte die Leistung des HSV beim Aufstiegsanwärter KSC allerdings nicht viel gemein. „Uns fehlte mehr Konsequenz, Mut und Bereitschaft. Das sind alles Attribute, die unser Fundament ausmachen, die wir heute aber haben vermissen lassen“, klagte Walter.
HSV: Walter wechselt Jatta ein und aus
Dabei sah es bis zur Nachspielzeit danach aus, als könnte eine durchschnittliche Leistung des HSV reichen, um den zweiten Saisonsieg einzufahren. Doch dann folgten zwei Szenen binnen zwei Minuten, die entscheidend dafür waren, dass es nur zu einem Punkt reichte.
Zunächst dribbelte sich Jean-Luc Dompé bis zur Strafraumkante vor, schloss aber zu harmlos ab. Noch kläglicher war allerdings der Nachschuss von Bakery Jatta, der gleich mehrere Optionen hatte. Er hätte den Ball entweder auf den ebenfalls frei stehenden Robert Glatzel querlegen, erneut Dompé bedienen oder selber die Vorentscheidung erzielen können. Stattdessen jagte der Gambier die Kugel auf die neu gebaute Südtribüne.
Walter war über diese Szene derart verärgert, dass er den erst in der zweiten Halbzeit eingewechselten Flügelstürmer wieder auswechselte. Gleichzeitig wollte der Trainer mit Miro Muheims Hereinnahme den Sieg sichern. Für den in mehreren Aktionen lethargisch wirkenden Jatta, der sein Tempo kaum auszuspielen wusste, war es trotzdem die Höchststrafe.
„Wir müssen den Deckel draufmachen und die Konter besser ausspielen“, monierte Glatzel, der das Unheil wohl schon kommen sah, denn kurz darauf glich Budu Zivivadze für den KSC aus, nachdem er exzellent von Lars Stindl freigespielt worden war. „Das darf uns nicht passieren“, kritisierte Glatzel. „Wir müssen vorher die Konterchance nutzen und geben stattdessen gefühlt sichere drei Punkte her.“
HSV-Abwehr wirkt überfordert von Walter
Doch der Torjäger, der auch in Karlsruhe die zwischenzeitliche Führung erzielte, kann eben nicht immer doppelt treffen. Inzwischen scheint es sich jedoch eingependelt zu haben, dass der HSV mindestens drei Tore schießen muss, um einen Sieg einzufahren, denn die Gegentorflut hält auch in der neuen Saison an.
Auffällig war, dass die neu formierte Abwehr erhebliche Probleme hat, Walters Spielidee umzusetzen. Gerade Neuzugang Dennis Hadzikadunic wirkte phasenweise auf verlorenem Posten, als ihm Torhüter Daniel Heuer Fernandes immer wieder die Laufwege erklärte.
„Wir sind noch ein Stück weit in der Vorbereitungsphase“, sagte Walter nach dem zweiten Spieltag und räumte ein, dass sein Innenverteidiger-Duo Guilherme Ramos und Hadzikadunic zu häufig die falschen Entscheidungen getroffen habe, weil beide im Spielaufbau nicht andribbelten, sondern den Rückpass zu Heuer Fernandes suchten.
HSV-Probleme auf den Flügeln
„Es ist klar, dass noch nicht alle Abläufe passen“, ergänzte Glatzel. „Das, was der Trainer sehen will, ist sehr anspruchsvoll für die Verteidiger.“ Der Stürmer hofft nun auf die Rückkehr von Kapitän Sebastian Schonlau (Wade), an dem sich Hadzikadunic oder Ramos, der Gelb-Rot-gefährdet war, orientieren könnten.
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Probleme hat der HSV allerdings auch offensiv, wenn die Flügelzange nicht funktioniert. In Karlsruhe ließ Walter alle vier Außenbahnspieler (Königsdörffer, Öztunali, Jatta, Dompé) fast eine Halbzeit lang spielen. Zufrieden war er mit keinem. „Wenn wir nicht über die Außen kommen, dann hakt unser Spiel“, klagt Walter, der aufgrund der schwachen ersten Halbzeit und einem ausgeglichenen Spielverlauf von einem „unglücklichen, aber verdienten“ Ergebnis sprach.
Das sah auch Glatzel so, auch wenn der Ärger über die letzte Szene des Spiels überwog. „Der Punkt ist zwar gerecht, aber es geht einfach nicht, mit der letzten Aktion so ein Gegentor zu kassieren“, schimpfte der Stürmer stellvertretend für sein Team. Denn bis auf Walter beim Handschlag mit Eichner war nach dem Abpfiff kein Mitarbeiter vom HSV mit einem Lachen zu sehen.
Die Statistik:
- KSC: Drewes – Jung (90. Marino), Bormuth, Franke, Heise (87. Herold) – Gondorf – Nebel (78. Burnic), Wanitzek, Stindl – Rossmann (78. Siwsiwadse), Schleusener.
- HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Ramos (55. Ambrosius), Hadzikadunic, Heyer – Meffert – Pherai (90. Krahn), Bénes – Königsdörffer (55. Dompé), Glatzel, Öztunali (55. Jatta/90.+3 Muheim).
- Schiedsrichter: Brych (München).
- Tore: 1:0 Schleusener (14.), 1:1 Bénes (61.), 1:2 Glatzel (65.), 2:2 Siwsiwadse (90.+5).
- Zuschauer: 33.000 (ausverkauft).
- Gelb: Nebel, Gondorf, Heise – Ramos, Hadzikadunic.
- Statistik: Torschüsse: 17:13; Ecken: 7:3; Ballbesitz: 53:47 Prozent; gewonnene Zweikämpfe: 74:68.