Hamburg. HSV kassierte schon fünf Gegentore nach zwei Spielen. Neuzugänge sind zweikampfstark, fremdeln aber mit dem System.
Am Montag hatte die Social-Media-Abteilung des HSV etwas mitzuteilen. „Stark reingekämpft“, lauteten die einleitenden Worte eines Tweets über Dennis Hadzikadunic, der am Sonntag sein Pflichtspieldebüt beim Karlsruher SC (2:2) gab. Es folgten beeindruckende Zahlen. So habe der bosnische Nationalspieler mit 75 Prozent gewonnenen Zweikämpfen und einer 86-prozentigen Passquote „seine Qualitäten unterstrichen“.
Es liegt in der Natur der Sache, dass der HSV ausschließlich positive Fakten verkündet. Und so fehlten auch bei Hadzikadunic wichtige Erkenntnisse aus dem KSC-Spiel, denn neben der resoluten Zweikampfführung wurden auch seine Probleme im Spielaufbau sichtbar.
HSV: Hadzikadunic hat Probleme mit Walters System
Gerade in der ersten Halbzeit wusste der neue Innenverteidiger teilweise überhaupt nicht, welche Laufwege er für Walters komplexen Spielaufbau zu bestreiten habe. Torhüter Heuer Fernandes nahm phasenweise die Rolle eines Privatcoaches ein, indem er Hadzikadunic den freien Raum aufzeigte. Doch diese Nachhilfestunde schien den neuen Mann mehr zu verwirren als zu helfen.
Ein Beispiel: Immer wenn Hadzikadunic wie von Walter gefordert eine Position im defensiven Mittelfeld auffüllte, wirkte er spürbar verloren, als er mit dem Rücken zum gegnerischen Tor praktisch nicht anspielbar war. In der Folge bekam er auch nicht ein Zuspiel, wenn er auf die Sechs rotierte, weshalb sich die Frage nach dem Sinn stellt.
Hadzikadunic mit guten Diagonalbällen
Interessanterweise überzeugte Hadzikadunic vor allem dann im Spielaufbau, wenn er von der taktischen Vorgabe abwich. Denn seine spielverlagernden Diagonalbälle auf die Außen waren ein gelungenes Stilmittel, mit dem er so manchen Angriff einleitete. Dabei war der Plan ein ganz anderer, wie Walter hinterher erzählte.
„Das Ziel war, dass Dennis und Guilherme Ramos andribbeln und Heuer Fernandes gar nicht so hoch steht. Das hatten wir vorher besprochen, aber die Jungs müssen es auch umsetzen und die richtigen Entscheidungen treffen“, monierte der HSV-Coach. „Wir haben nicht gewonnen. Das ist vielleicht ein kleiner Grund dafür.“
Muss HSV einfacher spielen?
Die neu formierte HSV-Abwehr benötigt offensichtlich noch Zeit, um Walters Abläufe zu verinnerlichen. Neben Moritz Heyer bildeten mit Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt sowie dem Innenverteidiger-Duo Hadzikadunic und Ramos gleich drei Neuzugänge die Viererkette in Karlsruhe.
Drei Spieler, von denen zwei erst während der Vorbereitung verpflichtet worden waren. „Es ist klar, dass noch nicht alle Abläufe passen. Das, was der Trainer sehen will, ist sehr anspruchsvoll für die Verteidiger“, sagte Torjäger Robert Glatzel.
Die Frage lautet daher, ob eine einfachere Spielweise den neuen Verteidigern helfen würde, um für mehr Stabilität zu sorgen. Die Gegenrede des HSV beim Aufwerfen dieser Fragestellung ist häufig, dass die Gegentore nicht wegen des Systems einer hoch stehenden und viel rotierenden Abwehr fielen.
Tatsächlich ist bei beiden Karlsruher Treffern kein Problem in Walters Spielidee erkennbar. Es wäre allerdings zu einfach, allein auf Basis dieser beiden Szenen Rückschlüsse über die defensive Grundstabilität zu treffen.
HSV kassiert zu viele Gegentore
Ein Teil der Analyse ist eben auch, dass Hadzikadunic durch die taktischen Vorgaben verunsichert schien und teilweise über den Platz irrte. Kann ein Spieler seine zweifellos vorhandenen Qualitäten in vollem Umfang geltend machen, wenn er permanent damit beschäftigt ist, welche Laufwege er einzuhalten habe, da die Abläufe eben noch keine Automatismen sind? Und kann sich die daraus resultierende Verunsicherung auf die gesamte Mannschaft übertragen?
„Wir sind noch ein Stück weit in der Vorbereitungsphase, weil wir die Mannschaft sind, die am spätesten ins Training eingestiegen ist“, lautet Walters Erklärung, warum im Spielaufbau der Verteidiger noch nicht alles rund läuft. „In der zweiten Halbzeit war Dennis viel aktiver und besser im Zweikampf.“ Auch diese vom HSV-Trainer angesprochene Verbesserung im zweiten Durchgang soll an dieser Stelle nicht untergehen. Und dennoch bleibt die Abwehr die größte Problemzone.
Nach 45 Gegentoren in der vergangenen Saison war es das erklärte Ziel der Verantwortlichen, die Defensive neu zu besetzen und zu stabilisieren. Doch nach fünf Gegentoren an den ersten zwei Spieltagen der neuen Saison ist im Ergebnis keine Besserung in Sicht: der HSV kassiert weiterhin zu viele Gegentreffer für eine Spitzenmannschaft der Zweiten Liga. Es festigt sich der Eindruck, dass die Hamburger mindestens drei Tore schießen müssen, um dreifach zu punkten.
HSV mit Personalproblemen in der Abwehr
Dabei wurde bei den Neuverpflichtungen explizit auf Zweikampfstärke und eine gewisse Körpergröße geachtet, um die in der Relegation gegen Stuttgart sichtbar gewordene Anfälligkeit bei Standards zu minimieren. Beim Blick auf die Statistik wurde diese Zielvorgabe auch erfüllt. Wirklich sortiert und gefestigt wirkt die Defensive aber weiterhin noch nicht.
Zugutehalten muss man Walter, dass er wegen diverser Verletzungen weder in den Testspielen noch im Ligaalltag auf seine vermeintliche Stammbesetzung in der Viererkette zurückgreifen konnte. Beim Auftakt gegen den FC Schalke 04 bildeten mit Ramos und Stephan Ambrosius zwei als Herausforderer eingeplante Profis das Abwehrzentrum. Links hinten kam bisher der gelernte Innen- und unter Walter zum Rechtsverteidiger umgeschulte Heyer zum Einsatz.
Wahrscheinlich würde allein die vom HSV herbeigesehnte Rückkehr des Kapitäns Sebastian Schonlau für mehr Stabilität sorgen. „Wenn Bascho zurückkommt, wird er uns helfen“, prognostiziert Führungsspieler Glatzel, der allerdings auch den Neuzugängen einen guten Start bescheinigt.
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HSV: Liegt es an Walters System?
Gerade Ramos scheint Walters Spielweise zu gefallen. Im Vergleich zu Abwehrpartner Hadzikadunic ist der Portugiese viel aktiver mit dem Ball und dribbelt auch häufiger an, um in den freien Raum einzudringen. In Karlsruhe übertrieb er es allerdings mit seiner körperbetonten Spielweise, weshalb er schon Anfang der zweiten Hälfte Gelb-Rot-gefährdet vom Platz musste.
Sein Vertreter Stephan Ambrosius, der als Wechselkandidat Nummer eins in die Vorbereitung gegangen war und sich nun zu etablieren scheint, hinterließ erneut einen positiven Eindruck. Allerdings nicht wegen seines Positionsspiels, sondern wegen seiner Zweikampfstärke. Vielleicht sollte beim HSV ein stärkerer Fokus auf diese Qualität, die auch Hadzikadunic auszeichnet, gelegt werden?