Hamburg. Spielweise löst Diskussion aus, Formschwäche könnte bedrohlich werden. Wofür Walter nichts kann und wo er Lösungen finden muss.

Tim Walters Selbstvertrauen war auch nach der 2:4-Pleite in Karlsruhe und seinem Platzverweis ungebrochen groß. „Die, die sagen ,HSV immer Zweite Liga', die wissen nicht, dass wir nächstes Jahr in der Ersten Liga spielen“, sagte der HSV-Trainer kurz nach der Partie in ein NDR-Mikrofon. Seine Aussage wurde am späten Abend im „Sportclub“ ausgestrahlt.

Zu diesem Zeitpunkt war längst eine Diskussion über Walters Rolle ausgebrochen. Nicht zum ersten Mal, seit der Coach vor 20 Monaten beim HSV übernommen hat, sorgt seine Spielweise nicht ausschließlich für Begeisterung bei den Fans, sondern eben auch für das eine oder andere Fragezeichen.

Gefährdet der zum Teil riskante Spielaufbau den Aufstieg? Braucht der Trainer auch mal einen Plan B, wenn seine Mannschaft ganz offensichtlich mit dem aggressiven Pressing des Gegners, so wie vom KSC perfektioniert, nicht zurechtkommt? Gilt noch das Leistungsprinzip, wenn Spieler wie Miro Muheim trotz sich wiederholender Defensiv-Aussetzer immer wieder das Vertrauen erhalten?

HSV-Coach Tim Walter kontert Kritikern

Walters Antwort: „Uns werfen Niederlagen nicht um. Wir haben in der vergangenen Saison auch Rückschläge hinnehmen müssen, damit können wir schon umgehen.“ Mit anderen Worten will Walter sagen: Habt Vertrauen und lasst das mal den Papa machen. Aber reicht diese Einstellung, um am Ende, so wie von Walter angekündigt, in die Bundesliga aufzusteigen?

Auf der Suche nach einer Antwort müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Zum einen muss zu Walters Verteidigung berücksichtigt werden, dass seiner zweikampfschwachen Mannschaft in Karlsruhe mit Kapitän Sebastian Schonlau (Sprunggelenksverletzung) und Mario Vuskovic (vorläufige Dopingsperre) die beiden besten Zweikämpfer fehlten.

Auch dass der wohl wichtigste HSV-Profi Ludovit Reis nach seiner Erkältung ganz offensichtlich nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, kann dem Coach nicht negativ angelastet werden.

HSV-Formschwäche wird zum Problem für Walter

Aufstiegsgefährdend kommt allerdings die Formschwäche einiger Profis hinzu – und an dieser Stelle kann und will sich auch Tim Walter nicht wegducken. Jonas Meffert plagt sich seit Monaten mit Knieproblemen herum und ist nicht mehr der souveräne Taktgeber aus der Hinrunde. Müsste er seinen Körper möglicherweise schonen und ein, zwei Spiele aussetzen, um dann wieder der Alte zu sein?

Mefferts 80-Prozent-Modus fiele mutmaßlich nicht weiter ins Gewicht, wenn mit Laszlo Benes nicht noch ein zweiter zentraler Mittelfeldspieler seit Wochen die in ihn gesteckten Erwartungen unerfüllt ließe. Der Slowake stellt die Verantwortlichen aktuell vor Rätsel. Als er die ersten drei Rückrundenpartien nur eingewechselt wurde – laut Walter wegen schwacher Trainingsleistungen –, bereitete er jeweils einen Treffer vor und zeigte die erhoffte Dominanz auf dem Platz.

Seitdem darf Benes wieder von Beginn an ran. Seine Bilanz: 0 Vorlagen, 0 Tore und eine wenig dominante Spielweise. In Karlsruhe wurde er deshalb schon zur Halbzeit ausgewechselt.

Walters Aufgabe ist es nun, Benes wieder in eine Form zu bringen, in der er beim HSV den Unterschied machen kann. Beim anstehenden Heimspiel am Sonnabend gegen Kiel droht dem Ex-Gladbacher aber erst einmal die Reservistenrolle.

HSV: Walter muss Einstellunsproblem lösen

Noch gravierender als die Formschwäche einzelner Profis erscheint allerdings die Einstellung der Spieler. Zweimal binnen eines Monats zur Halbzeit bereits mit 0:3 zurückzuliegen (Heidenheim und Karlsruhe), ist für den HSV nicht akzeptabel. Gerade die lustlose Zweikampfführung einiger Spieler wie von Muheim vor dem 0:2 beim KSC oder Jonas David vor dem 0:1 sowie der Großchance von Ex-HSV-Stürmer Mikkel Kaufmann, der frei vor Torhüter Daniel Heuer Fernandes kläglich vergab (19.), verärgern nicht nur Walter, sondern auch die Führungsspieler.

Torjäger Robert Glatzel sprach hinterher von einer „Vollkatastrophe“, auch das Wort „bodenlos“ fiel. „Zweimal so kurz hintereinander solche Spiele zu haben, das darf man sich einfach nicht erlauben. Das geht nicht“, klagte Meffert. Auch Heuer Fernandes monierte das Zweikampfverhalten seiner Vorderleute. Nun muss sich Walter an der Aufgabe messen lassen, Wiederholungen solcher Szenen zu vermeiden.

Tatsächlich zeichnete sich ein kleiner negativer Trend bereits in den vergangenen Wochen ab. Bis auf den Heimsieg gegen Nürnberg (3:0) gestaltete der HSV keine Partie nach der WM-Pause über die kompletten 90 Minuten souverän. Immer wieder schlichen sich Nachlässigkeiten in das Spiel der Hamburger ein. Solche Fehler gilt es nun abzustellen, das weiß auch Walter.

Scheitert er an dieser Aufgabe, blieben seine forschen Worte im NDR als leere Ankündigung in Erinnerung. Doch noch, und das soll an dieser Stelle nicht untergehen, hat der HSV den Ausgang der Saison als Tabellenzweiter selbst in der Hand. Doch die ersten Alarmglocken läuten.