Dopingkrimi um HSV-Profi Mario Vuskovic liefert neue Höhepunkte: Es geht um Epo, fragwürdige Bildbearbeitung und uneinige Experten.

  • Der Dopingprozess gegen HSV-Profi Mario Vuskovic entwickelt sich immer mehr zum Thriller
  • Die Experten sind sich uneinig – auch nach zwei Verhandlungstagen gibt es noch kein Urteil
  • Der HSV wittert Befangenheit

Frankfurt am Main. Auf einmal war Mario Vuskovic den Tränen nah. Immer wieder schlug er die Hände vor sein hochrotes Gesicht und wischte sich mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand über seine glasigen Augen. Verzweifelt suchte der HSV-Profi dabei die Blicke seiner im Verhandlungssaal des DFB-Sportgerichts anwesenden Mutter und seines Beraters Damir Smoljan. Dabei wurde deutlich, wie sehr Vuskovic der sich immer mehr zu einem Thriller entwickelnde Dopingprozess gegen ihn belastet. Was aber war passiert?

Lorenz Hofbauer, der relativ zu Beginn des zweiten Verhandlungstages im Dopingprozess um den Verteidiger digital zugeschaltete und womöglich wichtigste seiner vier Gutachter – die beteuern, dass Vuskovics Dopingprobe gar nicht positiv ist –, hatte technische Probleme und war nicht in der Lage, seine Präsentation per Bildtelefonie zu teilen. Bange Minuten vergingen, die Vuskovic wie eine gefühlte Ewigkeit vorgekommen sein müssen. Dann aber wurden die technischen Hürden doch noch gelöst – und Hofbauer legte los.

HSV-Verteidiger Mario Vuskovic hatte auch am zweiten Verhandlungstag am Donnerstag schwierige Momente auszustehen.
HSV-Verteidiger Mario Vuskovic hatte auch am zweiten Verhandlungstag am Donnerstag schwierige Momente auszustehen. © dpa

Vuskovics Epo-Probe: Gutacher vs. Nada-Labor

Die von ihm zusammengefassten Vorwürfe aus den vier Gutachten haben es in sich und könnten, sofern das Gericht der Argumentation folgt, zur Schließung des für Vuskovic zuständigen Labors in Kreischa bei Dresden führen. Die Unterbrechung der für die Qualität der Probe so wichtigen Kühlkette (der DHL-Kurier benötigte 24 Stunden, um den letztlich positiv auf Epo getesteten Urinbecher vom Dopingkontrolleur in Bad Bramstedt nach Kreischa zu bringen), eine zu große Urinmenge im Analyseverfahren, eine fragwürdige Bildbearbeitung und deren falsche Interpretation hätten zu einem falsch-positiven Ergebnis geführt.

So weit, so gut. Das Problem an der Geschichte: Der Institutsleiter von Kreischa, Sven Voss, widerspricht in allen Punkten und hält an seinem Ergebnis fest. Seiner Ansicht nach gilt es als erwiesen, dass Mario Vuskovic mit Epo betrogen habe. „Das Ergebnis ist klar, es wurde nicht beeinflusst“, sagt Voss.

Vuskovics Urin wird in Kanada erneut untersucht

Nicht beeinflussen lassen darf sich vor allem der Vorsitzende des Sportgerichts, Stephan Oberholz, der vor der schwierigen Aufgabe steht, ein Urteil fällen zu müssen. Anders als ursprünglich vorgesehen, kam es an diesem Donnerstag noch nicht dazu.

Stattdessen setzte Oberholz einen dritten Verhandlungstag für den 10. März an und beauftragte ein unabhängiges Gutachten. Zudem soll der restliche Urin Vuskovics vom zertifizierten Wissenschaftler Jean-François Naud in Québec (Kanada) erneut auf Epo untersucht werden. Die neuen Analysen sollen dafür sorgen, alle Widersprüche beider Parteien aus dem Weg zu räumen.

HSV-Verteidiger Mario Vuskovic muss im März ein weiteres Mal den schweren Gang nach Frankfurt antreten.
HSV-Verteidiger Mario Vuskovic muss im März ein weiteres Mal den schweren Gang nach Frankfurt antreten. © dpa

HSV wittert Befangenheit – Richter widerspricht

Sowohl Vuskovics Anwälte als auch der HSV äußerten bereits unmittelbar nach dem Beschluss von Richter Oberholz ihren Unmut. Sie wittern Befangenheit, da Naud wie Voss zu einem achtköpfigen Epo-Expertengremium der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) gehört. Einer Bitte, seine Auswahl zu überdenken, kam Oberholz jedoch nicht nach.

„Wir schließen eine Befangenheit aus“, sagte der Richter. Der HSV plädiert für einen nicht im Wada-Kosmos agierenden Biochemiker und prüft, dagegen vorzugehen. Ein bei richterlichen Beschlüssen extrem schwieriges Unterfangen und ein weiterer Höhepunkt eines nicht endenden Krimis.

Wurde Vuskovics Epo-Probe missinterpretiert?

Dabei könnte aus Sicht des HSV alles so einfach sein. Denn alle vier vom Club und dem Spieler gleichermaßen sowohl beauftragten als auch bezahlten Institute sind einheitlich zu der Erkenntnis gekommen, dass Vuskovics Dopingprobe falsch-positiv sei.

Wie berichtet, gibt es für Epo keinen Grenzwert. Stattdessen werden Bilder ausgewertet, indem diese sowohl mit positiven als auch negativen Proben verglichen werden. Zu sehen sind dabei schwarze Rechtecke, die eine Art Schatten abwerfen. Und genau diese sind nach Ansicht der Verteidigung missinterpretiert worden. Wie aber soll es dazu gekommen sein?

Gutacher: Epo-Test zu 80 bis 90 Prozent falsch-positiv

Die Gutachter aus Vancouver, Oslo, Dresden und Leipzig werfen dem Labor in Kreischa mehrere wissenschaftliche Fehler vor. Sie behaupten, dass bei der Auswertung von Vuskovics Dopingprobe 20 Milliliter seines mit 90 Milliliter gefüllten Urinbechers verwendet worden sein sollen. Laut Vorschrift der Wada liege die Obergrenze allerdings bei 15 Millilitern. Dadurch soll es, so behauptet es jedenfalls die Verteidigung, zu einer höheren Eiweißkonzentration gekommen sein, wodurch der Epo-Test positiv ausgefallen sein könnte.

Auch das Schmerzmittel Ibuprofen, das Vuskovic am 16. September, dem Tag des Dopingtests, wegen eines genähten Lochs im Fuß – eine Verletzung aus dem Karlsruhe-Spiel (1:0) zwei Wochen zuvor – eingenommen hatte, könne zu einer höheren Eiweißkonzentration führen.

Doch damit nicht genug: Zu den gleichen mutmaßlichen Verfahrensfehlern soll es auch bei der B-Probe gekommen sein, die ebenfalls in Kreischa untersucht worden war. „Aus unserer Sicht liegt kein positiver Epo-Test in der A- und B-Probe vor. Wir haben es hier zu 80 bis 90 Prozent mit einem falsch-positiven Test zu tun“, sagte Hofbauer.

Wurde Vuskovic Epo durch Bildbearbeitung untergejubelt?

Die Geschichte könnte hiermit auserzählt sein, wenn das Labor in Kreischa nicht einen komplett anderen Standpunkt vertreten würde. „Im Analyseverfahren wurden 10 Milliliter Urin verwendet. Das haben wir auch klar dokumentiert“, entgegnete Voss, der rund zweieinhalb Stunden vernommen wurde.

Den Vorwurf der unterbrochenen Kühlkette wiegelte er ebenfalls ab. „Durch Hitze kann es passieren, dass man bei der Analyse der Probe nichts mehr sieht. Dass es deshalb aber zu einem falsch-positiven Test gekommen sein soll, halte ich für ausgeschlossen.“

Vuskovics Verteidigung monierte zudem Ungereimtheiten beim gesamten Analyseverfahren. So lautet der Vorwurf, dass die Wissenschaftler in Kreischa die Bilder des Epo-Tests nachträglich bearbeitet hätten. Ein in der Praxis offenbar gängiges Vorgehen.

Allerdings sollen dabei ausschließlich die Kontraste von Vuskovics Probe sowie der positiven Vergleichsproben verstärkt worden sein, während mit den negativen Vergleichsproben das komplette Gegenteil geschehen sein soll. Wurde dem HSV-Profi also Epo durch ein mit Photoshop zu vergleichendes System untergejubelt?

HSV und Vuskovic würden bis vor den CAS ziehen

„In den von mir untersuchten über 10.000 Proben habe ich die Merkmale von Vuskovics Probe noch nie in einer negativen Epo-Probe gesehen“, konterte Voss. „Zu 100 Prozent würde ich diese Probe wieder als positiv einstufen. Das Verfahren funktioniert!“

Sollte Oberholz als Vorsitzender des Sportgerichts der Argumentation der Verteidigung nicht folgen, woraufhin dem Abwehrspieler eine vierjährige Sperre drohte, wären Vuskovic und der HSV bereit, in Berufung vor das DFB-Bundesgericht zu gehen. Die nächsthöhere Instanz wäre das DFB-Schiedsgericht, ehe der Internationale Sportgerichtshof (CAS) final entschiede. Auch zu diesem Schritt wären die Anwälte des Fußballprofis, dessen Karriere im Falle einer Niederlage wohl vorzeitig beendet wäre, bereit.

Richter zum Fall Vuskovic: „Es bleiben ungeklärte Fragen“

„Es bleiben ungeklärte Fragen und aufklärungsbedürftige Umstände“, lautete Oberholz’ Resümee von Tag zwei. „Wenn schon Wissenschaftler unter sich schon uneins über die Bewertung von Bildern sind, wie wir heute gehört haben, dann übersteigt das die Sach- und Fachkunde des Gerichts. Deshalb muss sich das Gericht der Hilfe eines Sachverständigen bedienen.“

Ob danach alle Zweifel ausgeräumt sein werden, darf in Anbetracht des bisherigen Prozessverlaufs allerdings bezweifelt werden. Und so bleibt die Frage: Wird dieser Thriller eigentlich jemals enden?

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