Frankfurt am Main. Vor dem DFB-Sportgericht beteuert Mario Vuskovic seine Unschuld. Kurios: Hat in Wahrheit ein anderer HSV-Profi betrogen?
Als der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, Stephan Oberholz, am Freitagnachmittag um 15.21 Uhr die erste Verhandlung im Dopingprozess von Mario Vuskovic schloss, blieben die 34 anwesenden Beobachter im DFB-Campus mit vielen Fragen zurück. In den vier Stunden und 16 Minuten zuvor beteuerte der am 16. September im Rahmen einer Trainingskontrolle positiv auf Erythropoetin (Epo) getestete HSV-Profi erneut seine Unschuld.
Der zuständige Dopingkontrolleur Markus Jungbluth bestätigte zwar die bisherige Einschätzung sämtlicher Dopingexperten, dass die Dopingprobe weder manipuliert noch ausgetauscht werden konnte. Da sich der Leitende Arzt für Orthopädie am Klinikum Bad Bramstedt bei seinen Ausführungen allerdings in teilweise gravierende Widersprüche verstrickte, dürfen Vuskovic, seine fünf Anwälte und der HSV auf einen Verfahrensfehler hoffen.
Mario Vuskovic: HSV-Profi beteuert im Dopingprozess vor DFB seine Unschuld
Bei der Sitzung am Freitag ging es ausschließlich um den Ablauf der Probeentnahme sowie der weiteren Aufbewahrung bis zur Laborauswertung. Bei dem zweiten Verhandlungstag am kommenden Donnerstag wird die Auswertung der Probe in den Fokus rücken. Die Verteidigung hat dazu mehrere Gutachten angekündigt, eins aus Vancouver (Kanada), die Vuskovic entlasten sollen. Ob im Anschluss bereits ein Urteil gesprochen wird oder ein weiterer Termin angesetzt werden muss, ist noch völlig offen. Eine Tendenz über den Ausgang des Prozesses ist nach der Sitzung vom Freitag noch nicht zu erkennen.
Vuskovic saß an der Seite seiner Anwälte Joachim Rain und Rainer Tarek Cherkeh (es waren nur zwei für die vorderen Plätze vorgesehen) sowie HSV-Justiziar Philipp Winter und Dolmetscher Aleksandar Miladinovic. Sportvorstand Jonas Boldt fand sich in der letzten Reihe als stiller Beobachter ein.
Gleich zu Beginn stellte Vuskovic klar, aussagen zu wollen, „um meine Unschuld zu beweisen“, und schilderte im Detail den Ablauf der Probenentnahme. So wurde bekannt, dass neben dem Angeklagten auch Xavier Amaechi an jene 16. September auf Dopingsubstanzen getestet worden war. Vuskovic benötigte zwei Versuche, ehe sein Urinbecher mit den notwendigen 90 Milliliter gefüllt war.
Hat in Wahrheit Vuskovics HSV-Kollege Amaechi gedopt?
Kritik äußerte er am Vorgehen von Kontrolloffizier Jungbluth, der ihn nicht über seine Rechte aufgeklärt habe. Dies sei laut den Regularien der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) jedoch zwingend erforderlich, weshalb die Anwälte des Verteidigers einen Verfahrensfehler witterten.
Es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Die weiteren Vorwürfe der Verteidigung: Der Urinbecher könnte zwischen Vuskovics erster und zweiter Teilprobe nicht ordnungsgemäß verschlossen worden sein und der Kroate soll entgegen der Nada-Vorschrift zweimal in denselben Becher uriniert haben. Außerdem könnte die erst drei Tage nach der Entnahme ins Labor gebrachte Probe manipuliert worden sein.
Der pikanteste Vorwurf, den sowohl Rain als auch Winter äußerten, lautete allerdings, dass Vuskovics und Amaechis Dopingproben vertauscht worden sein könnten – möglicherweise sogar zwischen der ersten und zweiten Teilprobenentnahme, die beide HSV-Profis benötigten. Hat also gar nicht Vuskovic, sondern Amaechi mit Epo betrogen?
Dopingkontrolleur Jungbluth verstrickt sich in Widersprüche
Mit den Vorwürfen konfrontiert entwickelte sich eine filmreife Vernehmung von Kontrolloffizier Jungbluth, der sich teilweise binnen weniger Minuten selbst widersprach. Erst beteuerte er, Amaechi sei erst nach Vuskovics vollständiger Urinprobe an der Reihe gewesen. Später bezeichnete er es als „spekulativ“, sich genau darüber zu äußern. Dann behauptete Jungbluth, den der ebenfalls vernommene Nada-Vorsitzende Lars Mortsiefer wegen bereits 900 im Fußball durchgeführter Dopingproben als „hoch qualifizierten und sehr erfahrenen Kontrolleur“ bezeichnete, Vuskovic über seine Rechte aufgeklärt zu haben.
Im Verlauf der Zeugenbefragung klärte sich allerdings, dass der Arzt den Spieler lediglich fragte, ob er Fragen zum Prozedere habe, was Vuskovic verneinte. Eine Manipulation der Probe wegen des zwischen den beiden Teilproben mutmaßlich nicht ordnungsgemäß geschlossenen Urinbechers wies Jungbluth glaubhaft zurück. „Ohne die Versiegelung der Probe erhalte ich nicht die für das Dokumentationsformular notwendige Nummer. Das ist also ausgeschlossen.“
Zudem bezeichnete er es als „üblichen Vorgang“, den Sportler in zwei verschiedene Becher urinieren zu lassen, wenn die erforderliche Menge nicht beim ersten Mal erreicht werde. Erst im Anschluss sollen die beiden Gefäße zusammengeschüttet werden. Da in dem rund 65-seitigen im Vorfeld eingereichten Schriftsatz des HSV allerdings sowohl Amaechi als auch Vuskovic aussagten, sich jeweils zweimal in demselben Becher erleichtert zu haben, räumte Jungbluth ein, dass ebenjener Ablauf ebenfalls möglich sei. „Was ich sicher sagen kann: Es kann keine Verwechslung der Becher geben“, sagte der Kontrolloffizier. Die Gründe dafür ließ er in seiner Argumentation jedoch vermissen.
Vuskovics Probe lagerte in Privathaus von Dopingkontrolleur
Am kuriosesten wurde es allerdings, als Jungbluth erzählte, Vuskovics Probe sei zwischen der Entnahme am Freitag und der Laborabholung durch einen Kurierdienst in einem Kühlschrank in seinem privaten Haus aufbewahrt worden. Der Arzt behauptete zwar, dass außer ihm und seiner Frau, die zugleich seine Assistentin ist, niemand Zugriff auf den Kühlschrank mit digitaler Temperatursteuerung gehabt habe, räumte dann aber ein, dass das Gerät nicht verschlossen gewesen sei. Hätte sich also doch jemand Zugang zur Dopingprobe verschaffen können? „Dafür müsste jemand in mein Haus eingebrochen sein“, sagte Jungbluth beim Versuch, sein Vorgehen zu verteidigen.
Winter belehrte den Kontrolloffizier zudem, dass laut dem Regelwerk der Nada eine genaue und im Fall von Vuskovic fehlende Dokumentation über die Verwahrung der Probe verpflichtend sei.
HSV-Arzt Welsch zeichnet Bild eines Musterprofis
Ebenfalls vorgeladen als Zeugen wurden die beiden Mannschaftsärzte des HSV, Wolfgang Schillings und Götz Welsch, die beide über Vuskovic das Bild eines Musterprofis zeichneten. Der im Vorfeld vom Abendblatt angekündigte Lügendetektortest, dem sich der Abwehrspieler in England unterzog, war dagegen noch kein Thema in der Verhandlung.
Welsch beschrieb Vuskovic als einen Musterprofi. Der Kroate sei „ein gesunder, mustergültiger Athlet“. Bei allen Gesundheitschecks sei nicht „viel Pathologisches“ festgestellt worden. „Es gibt wenige Spieler wie Mario, die so differenziert und intelligent sind. Er ist interessiert, was eingenommen und therapeutisch gemacht wird“, sagte Welsch. „Er ist, wie man sich einen Spieler wünscht. Er lässt nicht alles über sich ergehen.“
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Während der Verhandlung suchte Vuskovic immer wieder den Blickkontakt zu seiner im Saal ebenfalls anwesenden Freundin Barbara (21) sowie seinem Berater Damir Smoljan. In diesen Momenten war dem HSV-Profi anzusehen, wie sehr ihn das Verfahren emotional mitnimmt. Eine nachvollziehbare Gefühlslage in Anbetracht der drohenden vierjährigen Sperre und der Bedeutung des Prozessausgangs, von dem der Fortbestand seiner Karriere abhängt.
„Die von der Verteidigung vorgetragen Aspekte sind schlüssig und nachvollziehbar. Diese Punkte müssen wir nun verifizieren. Wenn sich gewisse Positionen nächste Woche nicht vollständig klären lassen, ist natürlich klar, dass wir dazu verpflichtet sind, die Sache durch ein Gutachten bewerten zu lassen“, sagte Richter Oberholz zum Abschluss der Verhandlung. Auch dem Vorsitzenden des Sportgerichts ist klar, dass viele Fragen vorerst ungeklärt bleiben.