HSV-Gutachter ernten Kritik. Kann das neue Labor in Kanada überhaupt befangen sein? Eine Berufung scheint unausweichlich.

  • Verteidigung von Mario Vuskovic mutmaßt Befangenheit bei neuem Gutachter. Was ist an den Vorwürfen dran?
  • Sollte C-Probe den HSV-Profi entlasten, wäre der komplette Doping-Kontrollmechanismus auf den Kopf gestellt
  • Die Wada bereit deshalb schon jetzt Widerstand vor – Zweifel an Kompetenz der HSV-Gutachter

Hamburg. Auch am Tag, nachdem das DFB-Sportgericht den Epo-Dopingprozess um HSV-Profi Mario Vuskovic in die Verlängerung geschickt hat, war der Fall in aller Munde. Unter dem Hashtag #freeVuskovic hat sich auf Twitter längst eine breite Front an Unterstützern des Kroaten gebildet.

Für einen größeren Aufschrei in Fankreisen sorgte vor allem der Vorwurf der Verteidigung, der vom Sportgericht beauftragte unabhängige Sachverständige Jean-Francois Naud, der in seinem Labor in Québec (Kanada) Vuskovics restlichen Urin vom 16. September erneut untersuchen soll, sei gar nicht unabhängig. Stattdessen könnte er befangen sein.

Mario Vuskovic: Kann Gutachter befangen sein?

Fraglich bleibt aber, warum Nauds Objektivität schon im Vorfeld infrage gestellt wird, nur weil er gemeinsam mit Sven Voss, dem Institutsleiter von Kreischa, wo Vuskovic A- und B-Probe positiv auf Epo getestet worden war, einem Expertengremium der Welt Anti-Doping Agentur (Wada) angehört.

Wie das Abendblatt erfuhr, werden sich Naud und Voss vom 26. Fe­bruar bis zum 3. März bei einem Workshop zur Anti-Dopingforschung in Köln persönlich begegnen. Klar ist aber vor allem: Wie beim Labor in Kreischa drohte auch Québec die Schließung, wenn ihnen Fehler in der Auswertung der Dopingprobe unterlaufen. Würde Québec seine Lizenz riskieren, nur um Voss einen Gefallen zu tun? Ein nur schwer vorstellbarer Gedanke.

Vuskovic: Wada wird C-Probe wohl nicht akzeptieren

Es bleibt aber nicht die einzige Unklarheit im Epo-Krimi. Nach Abendblatt-Informationen sollen Mitglieder des Wada-Exekutivkomitees dafür plädieren, ein mögliches negatives Ergebnis der neu beauftragten Dopingprobe nicht zu akzeptieren. Hintergrund ist, dass eine solche C-Probe im Reglement der Wada nicht vorgesehen ist.

Sven Voss, Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa wurde beim Dopingprozess um Mario Vuskovic zweieinhalb Stunden als Zeuge vernommen.
Sven Voss, Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa wurde beim Dopingprozess um Mario Vuskovic zweieinhalb Stunden als Zeuge vernommen. © Frank Rumpenhorst/dpa

Tatsächlich hat es einen vergleichbaren Vorgang in der 23-jährigen Geschichte der Wada noch nie gegeben. Vuskovic könnte also zum Präzedenzfall für kommende positiv getestete Athleten werden. Der komplette Doping-Kontrollmechanismus würde damit auf den Kopf gestellt. Ein Szenario, das die Wada offenbar mit aller Macht verhindern will.

Mario Vuskovic: Berufung ist unausweichlich

Im Falle eines Freispruchs für Vuskovic oder einer richterlichen Akzeptanz der C-Probe halten sich nach Abendblatt-Informationen sowohl die Wada als auch die Nationale Anti-Doping Agentur (Nada) offen, in Berufung zu gehen. Für ein offizielles Statement stand die Wada auf Anfrage nicht zur Verfügung.

Auch die Verteidigung ist gewillt, im Falle einer Sperre des HSV-Profis bis vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu gehen. Die einzige Gemeinsamkeit der sich vor Gericht streitenden Parteien ist somit, das für den 10. März angedachte Urteil im Falle einer Niederlage nicht zu akzeptieren.

Mario Vuskovic: Kritik an HSV-Gutachtern

Doch zunächst einmal soll das neu beauftragte Gutachten in Québec alle offenen Fragen der Verteidigung klären. Kann die unterbrochene Kühlkette nach der Probeentnahme bis zur Ankunft im Labor von Kreischa zu einer Beeinträchtigung des Ergebnisses geführt haben? Liegen Anhaltspunkte für eine zweifelhaft positive Dopingprobe vor? Sind Vuskovics A- und B-Probe der negativen Vergleichsprobe deutlich ähnlicher als der positiven? Wurde die für das Analyseverfahren notwendige Bildbearbeitung fehlerhaft durchgeführt und die anschließenden Epo-Bilder falsch interpretiert?

All das waren die Vorwürfe der Verteidigung – zusammengefasst von vier bezahlten Gutachtern, deren Ergebnisse in Fachkreisen auf Kritik stoßen. Das Abendblatt hat mehrere namhafte Epo-Forscher befragt. Sie alle werfen den Gutachtern mangelnde Erfahrung bei Epo vor. Auch das ist mal wieder nur die eine Seite des Krimis.

Innerhalb von sieben bis zehn Tagen nach Eingang im Labor von Québec soll das neue Gutachten erstellt werden. Bis die Probe über den Atlantik gebracht wird, werden allerdings einige Tage verstreichen. Der DFB prüft erst das Befangenheitsgesuch von Vuskovics Anwälten.