Hamburg. Gibt es eine Mehrheit für Jansen, bleibt der HSV zerrissen. Gibt es eine Mehrheit gegen den Präsidenten, droht ein gelähmter Verein.
Die gute Nachricht machte bereits am Freitagvormittag die Runde: Die wegweisende Entscheidung auf der ordentlichen Mitgliederversammlung, ob der HSV mit oder ohne Marcell Jansen als Präsident in die Zukunft gehen wird, soll an diesem Sonnabend nicht erst nach einer möglichen Mammutsitzung am Abend entschieden werden. Sondern aller Voraussicht nach bereits rund um die Mittagszeit.
Der Hintergrund: Nachdem auf der ursprünglichen Tagesordnung die Abwahlanträge der Mitglieder Till Hischemöller und Ulrich Becker als letzter Punkt (19) vor Verschiedenes und dem Sitzungsende angedacht waren, soll nun ganz am Anfang der Sitzung darüber abgestimmt werden, die beiden Anträge nach dem Bericht des Präsidiums (7) vorzuziehen. Mit anderen Worten: Es dürfte ein HSV-High-Noon rund um zwölf Uhr geben.
Marcell Jansen ändert HSV-Regeln für sich selbst
Marcell Jansen oder nicht Marcell Jansen – das ist hier die Frage. Und die Spielregeln sind klar: Nicht die in der Satzung festgeschriebenen zwei Drittel sind für die Abwahl erforderlich, sondern bereits die Hälfte der Stimmen würde für einen Neustart ohne Jansen reichen. Entschieden hat er das selbst.
Bei unter 50 Prozent Zustimmung würde er keine Legitimation erkennen weiterzumachen, sagte der Präsident im Abendblatt-Interview. „Aber 50 Prozent oder mehr gegen diese Abwahlanträge, so ist das ein Bekenntnis – und ich gehe als Präsident gemeinsam mit meinen Präsidiumskollegen und allen Mitgliedern die nächsten Aufgaben beim HSV professionell und leidenschaftlich an!“
Kann Jansen entzweiten HSV wieder einen?
Die Rahmenbedingungen für die Versammlung scheinen also simpel – sind in Wahrheit aber hoch kompliziert. Denn die beliebten „Was wäre wenn“-Fragen lassen sich nur teilweise im Vorwege beantworten.
Beispiel: Was wäre, wenn sich eine Mehrheit für Jansen ausspricht? Dann bleibt das komplette Präsidium bis 2025 im Amt – und darf sich direkt auf die am 2. Februar anstehende Hauptversammlung der HSV Fußball AG freuen. Dort soll laut Tagesordnung ein neuer Aufsichtsrat bestellt werden. Die Kontrolleure Lena Schrum und Andreas Peters sollen nach dem Wunsch von Jansen und Co. durch Stephan von Bülow (CEO Block-Gruppe) und den früheren Ultra Henrik Köncke ersetzt werden.
Ob diese Personalentscheidungen helfen, den entzweiten Club zu einen, bleibt abzuwarten. Alle Minderheitsaktionäre (außer Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld) hatten sich gegen Jansen ausgesprochen, dem gerade erst verlängerten Vorstand wird ein angespanntes Verhältnis zu ihm nachgesagt, der Aufsichtsrat ist zerstritten, innerhalb des Präsidiums wurde er überstimmt, und auch bei den Supporters soll der 37-Jährige den Rückhalt verloren haben.
Was passiert, wenn Jansen abtritt
Doch was wäre, wenn Jansen tatsächlich abgewählt oder er bei mehr als 50 Prozent der Stimmen gegen sich zurücktreten wird? Dann gehen zunächst einmal die Blicke auf seine Vizepräsidenten Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer. Würden auch sie zurücktreten oder bleiben sie vorerst im Amt?
Auf offizielle Nachfrage zu den Konsequenzen lassen die beiden Raum für Spekulationen: „Für uns wäre das ein Hinweis, dass die nach unserer Überzeugung erfolgreiche Arbeit als ehrenamtliches Präsidium des Hamburger Sport-Verein e. V. nicht wahrgenommen und gewürdigt wird“, schreiben Wehmeyer und Papenfuß in ihrer Antwort an das Abendblatt – und lassen direkt zwei weitere „Was wäre wenn“-Fragen folgen.
Erstens: Was wäre, wenn auch sie hinschmeißen? Dann bräuchte der HSV e. V. einen „Besonderen Vertreter“ für die Leitung des Vereins. Möglicherweise würde Geschäftsführer Kumar Tschana, der bereits nach Jansens erstem Rücktritt vor zwei Jahren als Interimspräsident eingesetzt wurde, diese Rolle erneut übernehmen. Doch mit der weiterführenden Frage, ob Tschana den e. V. auch auf der bereits angesetzten Hauptversammlung vertreten kann, will man sich beim HSV erst nach der Mitgliederversammlung beschäftigen.
HSV droht ein gelähmter Verein
Genauso mit zweitens: Was wäre, wenn Wehmeyer und Papenfuß bis zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, auf der ein neues Präsidium gewählt würde, im Amt blieben? Nach Abendblatt-Informationen wäre das die wahrscheinlichere Variante.
Doch würden die beiden Vizes auf einer Hauptversammlung noch die zuvor mit Jansen abgestimmten Aufsichtsratskandidaten verabschieden? Oder würden sie diese Entscheidung einem neuen Präsidium überlassen? Im schlimmsten Fall droht dem HSV ein gelähmter Verein, da man weder im Präsidium noch im Aufsichtsrat Klarheit für die Zukunft hätte. Dabei ist diese jetzt so wichtig, weil sich die einen auch noch über eine neue Rechtsform Gedanken machen und die anderen eine komplette Strukturreform anmahnen.
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Bleibt Marcell Jansen HSV-Aufsichtsratschef?
Was wäre, wenn ...? So oder so dürfte der HSV nach dem verlorenen Jahr 2022 auch in diesem Jahr vor unruhigen Zeiten stehen. Während hier und da bereits über mögliche Jansen-Nachfolger geraunt wird, hat sich bislang kein möglicher Kandidat öffentlich aus der Deckung gewagt. Und auch im Fall einer Jansen-Bestätigung bleibt es spannend.
Offen wäre zum Beispiel, ob Jansen als Präsident auch weiterhin Aufsichtsratsvorsitzender bleiben wollte. „Die Eitelkeit, unbedingt einen Posten ausüben zu wollen, hatte ich nie“, sagte er dem Abendblatt. Zur Erinnerung: Im Winter 2021 hatte Jansen bereits für einen Monat den Vorsitz an Thomas Wüstefeld abgegeben, ehe er nach dessen Entsendung wieder zum Chef des Kontrollgremiums wurde. Und auch im vergangenen Jahr gab es Gedankenspiele, den Vorsitz an Detlef Dinsel abzugeben.
Bei all den Jansen-Überlegungen kann man glatt vergessen, dass auf der Mitgliederversammlung auch andere Themen auf der Tagesordnung stehen. Anna Stocken soll neue Ehrenrätin werden, Mike Schwerdtfeger und Patrick Ehlers wollen als Beiräte wiedergewählt werden. Es gibt Informationen zur möglichen Rechtsformänderung und Anträge zur Satzungsänderung. Fehlen nur noch die Mitglieder. Mehr als 90.000 hat der HSV – dem Vernehmen nach kommen wollen rund 900 ...