Hamburg. Staatsanwaltschaft bestätigt Eingang der Anzeige wegen Untreue. Thomas Wüstefeld schickte brisantes Schreiben an HSV-Aufsichtsrat.
Der Hamburger Medizin-Unternehmer und HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld (53) gerät weiter unter Druck. Nach den Abendblatt-Berichten über zwei Strafanzeigen wegen Betrugs und Untreue gegen ihn bestätigte nun die Staatsanwaltschaft den Eingang einer Anzeige. Sie sei inzwischen im System erfasst und habe Untreue als zentralen Tatvorwurf zum Gegenstand, sagte Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering dem Abendblatt am Freitag.
Sie betonte, der Sachverhalt werde nun zunächst geprüft. Ob die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht sieht und ein Ermittlungsverfahren einleitet, stehe noch nicht fest. Bis Strafanzeigen nach dem Eintreffen bei der Staatsanwaltschaft auch registriert werden, vergehen häufig mehrere Wochen. Die Verwaltungsstellen der Justiz gelten als chronisch überlastet.
Thomas Wüstefeld: Anzeigen wegen Betrugs und Untreue
Nach Abendblatt-Informationen geht es bei dieser Anzeige vom 9. August gegen Wüstefeld sowohl um sein Wirken als Unternehmer als auch um sein HSV-Engagement. Eine international renommierte Pharmafirma wirft in der Anzeige Wüstefeld vor, sie um einen Millionenbetrag geprellt zu haben. Der Vorwurf: Untreue in einem besonders schweren Fall. Diese Firma hatte mit Wüstefeld ein gemeinsames Unternehmen, in dem Wüstefeld Geschäftsführer war, es aber mittlerweile nicht mehr ist. Der Firmensitz wurde zudem vom Brandshofer Deich in Hamburg wegverlegt.
Wüstefeld soll laut Anzeige Waren im Nettobestellwert von rund 2,9 Millionen Euro an seine eigene Firma Medsan unter Marktwert verkauft haben. Der Vorwurf: Dann habe er sie teurer weiterverkaufen wollen. Zweiter Punkt der Anzeige: Als Geschäftsführer der gemeinsamen Firma soll Wüstefeld im Jahr 2021 den Betrag von 975.000 Euro an die Firma CaLeJo überwiesen haben, außerdem 70.000 und 300.000 an die Wüstefeld-Firmen leafGlobal und Medsan – ohne, dass es dafür einen Grund oder eine Gegenleistung gegeben habe.
Das sagt Wüstefeld zu den Vorwürfen
Im Gespräch mit dem Abendblatt wies Wüstefeld diese Vorwürfe zurück. Er präsentierte in großer Offenheit interne Zahlen und Dokumente, die belegen sollen, dass an den Anzeigen nichts dran sei. Die Zahlungen seien korrekt gewesen. Er sagte, es gebe eine Kampagne gegen ihn. Mit seinem HSV-Job hätten diese Vorwürfe gegen ihn als Unternehmer nichts zu tun.
Die Überweisung an CaLeJo ist deshalb brisant, weil das die Wüstefeld-Firma ist, die seine Anteile am HSV hält. Der Unternehmer hatte im vergangenen Jahr HSV-Aktien von Klaus-Michael Kühne erworben, rückte in den Aufsichtsrat und später in den Vorstand des Vereins. Hier verantwortet er ohne Gehalt mit einem bis Anfang 2023 gültigen Vertrag die Finanzen.
Brisantes Schreiben an HSV-Aufsichtsrat
Und Wüstefeld will offenbar beim HSV zum Vorstandsvorsitzenden aufsteigen. Wie der „Spiegel“ am Freitag berichtete, soll er im Sommer dem Aufsichtsrat und den Anteilseignern ein brisantes Schreiben geschickt haben. Die Kernbotschaft: Er wolle Vorstandsvorsitzender werden. Aus seiner Sicht könne er nur als gesamtverantwortlicher CEO den von ihm begonnenen Transformationsprozess weiterführen.
Brisant: Nach Abendblatt-Informationen soll Vorstandskollege Jonas Boldt das 59 Seiten lange Schreiben vom 18. Juni mit der Überschrift: „Reporting – Transformationsprozess HSV Fußball AG“ nicht bekommen haben. Dabei forderte Wüstefeld „volle Unterstützung und volle Verantwortung“.
Mit anderen Worten: Sportvorstand Boldt sollte Wüstefeld – zumindest nach Wüstefelds Wünschen – untergeordnet werden. Man darf gespannt sein, ob der Aufsichtsrat nach den Geschehnissen der vergangenen Tage dieselbe Meinung vertritt.
Gerichtstermin am 18. Oktober
Der „Spiegel“ berichtet weiterhin von einem Urteil des Landgerichts Hamburg, dass Wüstefeld 275.000 Euro an einen niedersächsischen Unternehmer zahlen müsse. Wüstefeld habe sich nicht an eine „notarielle Vereinbarung“ in einem gemeinsamen Geschäft gehalten. Dieses „Teil-Vorbehaltsurteil“ ist nach Abendblatt-Informationen vorläufig. Am 18. Oktober soll es dazu eine mündliche Verhandlung geben. Der Kläger behauptet, Wüstefeld habe in der gemeinsamen Firma fest vereinbarte Regeln gebrochen.
Dem Abendblatt hatte Wüstefeld gesagt, im Zusammenhang mit der geplanten Insolvenz dieses gemeinsam betriebenen Unternehmens bioTECgroup habe es Differenzen mit einem Anteilseigner gegeben. Wüstefeld sieht sich derzeit mehreren Zivilklagen gegenüber, die er nach eigenen Angaben für substanzlos hält.
Wüstefeld: Was lief mit PCR-Testgeräten?
In der zweiten Anzeige, die der Strafrechtler Otmar Kury für das Unternehmen V.M. aus Schleswig-Holstein gestellt hat, heißt es, Wüstefeld habe sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen „rechtswidrigen Vermögensvorteil“ verschaffen wollen. Kury sagte: „Nach meiner rechtlichen Einschätzung und unter Berücksichtigung aller Informationen besteht der dringende Tatverdacht des Betruges in einem besonders schweren Fall.“
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Hier geht es um die zugesagte Lieferung von 2000 PCR-Testgeräten, für die V.M. 5,5 Millionen Euro Vorkasse geleistet habe. Wüstefeld soll gewusst haben, dass er diese Geräte des chinesischen Herstellers Egens Biotechnology gar nicht liefern könne. Dazu liegen dem Abendblatt Verträge und interne Korrespondenz vor. Wüstefeld dagegen betonte: Das Geld sei mit anderen Waren verrechnet worden. Vielmehr habe er eine finanzielle Forderung gegenüber V.M. Die Vorwürfe aus der Anzeige seien ebenfalls substanzlos.