Hamburg. Insgesamt sechs neue Spieler wurden in der Sommerpause verpflichtet. Auf einer Position ist der HSV aber etwas dünn besetzt.
Rien ne va plus – nichts geht mehr. Der Transfermarkt ist seit Donnerstag 18 Uhr geschlossen, die Trainer wissen nun, mit welchem Kader sie bis zur Winterpause arbeiten müssen. Der HSV hat in den vergangenen Monaten rund zehn Millionen Euro in die Mannschaft investiert – so viel wie kein anderer Zweitligaverein: Sechs neue Spieler, dazu die gezogenen Kaufoptionen bei Mario Vuskovic und Miro Muheim. Der finanziell schwer angeschlagene Verein hat geklotzt und nicht gekleckert.
Somit wurde das alternativlose Ziel Bundesliga-Aufstieg noch einmal untermauert. Doch ist vorhandene Kader wirklich aufstiegstauglich? Das Abendblatt macht den Check.
HSV News: Defensive ragt im Walter-Team heraus
Torhüter: Zwischen den Pfosten ist der HSV bereits bundesligatauglich aufgestellt. Daniel Heuer Fernandes hat sich in den vergangenen beiden Jahren zum mit Abstand besten Torwart der Zweiten Liga entwickelt. Stark auf der Linie, extrem wertvoll im Spielaufbau mit seinen fußballerischen Fähigkeiten. Der Deutschportugiese ist häufig wie ein elfter Feldspieler. Sollte Heuer Fernandes ausfallen, stehen mit dem vom 1. FC Kaiserslautern verpflichteten Matheo Raab (23) und Urgestein Tom Mickel (33) zwei weitere Keeper bereit.
Innenverteidigung: Für den HSV war es ein wichtiges Signal, dass der europaweit begehrte Mario Vuskovic (20) in Hamburg bleibt. Der zentrale Abwehrspieler, der zwischenzeitlich im Fokus englischer Erstligaclubs stand, ist ein Fixpunkt in der Abwehr des HSV. Gemeinsam mit Kapitän Sebastian Schonlau (28) bildet er eine für Zweitliga-Verhältnisse überdurchschnittliche Innenverteidigung.
Das eingespielte Duo ist der Grund, warum Eigengewächs Jonas David (20) derzeit Frust schiebt. Der Youngster, der zu Beginn der Vorsaison Stammspieler war, kommt derzeit an Vuskovic und Schonlau nicht vorbei, liebäugelte deshalb auch in der Transferperiode mit einem Wechsel. Doch die Hamburger verweigerten eine Freigabe, schließlich weiß man, dass über eine Saison immer wieder Verletzungen und Sperren ein Thema werden können. Insgesamt hat die Abwehrzentrale aber definitiv Aufstiegsniveau.
Interner Konkurrenzkampf ist auf fast allen Positionen groß
Außenverteidiger: Die schönste Geschichte beim 2:0-Sieg in Nürnberg schrieb Tim Leibold. Fast zehn Monate nach seinem Kreuzbandriss feierte der 28-Jährige, den alle nur "Leibe" nennen, in jenem Stadion, in dem er sich so schwer verletzt hatte, sein Startelfcomeback. "Ich finde, dass Leibe es für das erstes Spiel und dann noch an dieser Stelle sehr gut gemacht hat. Aber es ist wie auf allen Positionen ein offener Wettbewerb", erklärt Trainer Walter mit Blick auf einen Stammplatz für Leibold.
Vor seiner Knieverletzung gehörte Leibold zu den besten Linksverteidigern der Liga, glänzte mit Zweikampfstärke und Offensivdrang. Während seiner Abwesenheit sicherte sich allerdings Miro Muheim (23) den Stammplatz. Der Schweizer, der in der vergangenen Saison zunächst ausgeliehen war und mittlerweile für 1,5 Millionen Euro gekauft wurde, hat im Moment ein wenig die Nase vorn.
Zu Saisonbeginn war die rechte Abwehrseite so etwas wie die Achillesferse der Hamburger. Der in der Vorsaison so zuverlässige Moritz Heyer hatte große Probleme auf seiner Seite. Das Problem: Heyer war konkurrenzlos, nachdem Josha Vagnoman für 3,7 Millionen Euro zum VfB Stuttgart verkauft wurde. Seit Mittwoch muss Heyer umso mehr um seinen Platz kämpfen, nachdem mit William Mikelbrencis (18) ein hochtalentierter Rechtsverteidiger verpflichtet wurde. Doch selbst wenn der Franzose Spielzeit bekommt, heißt es nicht automatisch, dass Allrounder Heyer auf die Bank muss. Der 27-Jährige kann auch in der Innenverteidigung, im defensiven Mittelfeld und auf den offensiven Halbpositionen eingesetzt werden.
Auch die Außenverteidiger haben ihren Anteil daran, dass der HSV erneut die beste Abwehr der Zweiten Liga hat.
Defensives Mittelfeld: Jonas Meffert ist als Stabilisator vor der Abwehr gesetzt. Gegen Nürnberg hatte der ehemalige Kieler eine Passquote von 100 Prozent. Spektakulär ist es selten, aber sein Auge für den Raum, die Zweikampf- und Laufstärke sorgen dafür, dass Meffert praktisch nicht zu ersetzen ist. Und sollte der 27-Jährige doch mal fehlen, lauert mit Talent Elijah Krahn (19) ein spannender Nachwuchsspieler, der zuletzt allerdings häufig Verletzungsprobleme hatte.
Offensives Mittelfeld: Im offensiven Mittelfeldzentrum spielt Ludovit Reis (22) bislang eine starke Saison. In Nürnberg rückte zuletzt Sonny Kittel (29) auf die zweite "Achter-Position". Der doch Toptechniker genießt im System von Walter viel Freiraum. Immer wieder weicht er auf die Außenbahnen aus, oder stößt als hängender Stürmer in die Spitze. Derzeit deutet vieles daraufhin, dass er künftig nicht mehr auf der linken Außenbahn zum Einsatz kommen wird, nachdem der HSV Jean-Luc Dompé verpflichtet hat.
Interne Konkurrenz werden Reis und Kittel auf der "Achter-Position" in Kürze von Anssi Suhonen (21) bekommen. Der Finne war in der Vorsaison der Shootingstar der Hamburger, fiel aber zuletzt mit einem Wadenbeinbruch lange aus. Jetzt ist der Publikumsliebling wieder fit und somit zeitnah auch wieder eine Alternative für die Startformation.
Ähnlich groß ist der Konkurrenzkampf auch auf den offensiven Außenbahnen. Bakery Jatta (24), Ransford Yeboah Königsdörffer (20) und der aktuell am Sprunggelenk verletzte Xavier Amaechi (21) sind die Anwärter für den Stammplatz auf der rechten Seite. Auf der gegenüberliegenden Seite hat Neuzugang Jean-Luc Dompé angedeutet, dass er die Qualität besitzt, dem HSV zu helfen. Der bisher unscheinbare Filip Bilbija (22) wäre ein möglicher Ersatz des Franzosen auf dem linken Flügel. In ähnlicher Rolle hatte der gebürtige Berliner bereits bei seinem Ex-Verein FC Ingolstadt gespielt.
HSV News: Walter sieht Sturm gut aufgestellt
Sturm: Robert Glatzel ist die personifizierte Lebensversicherung der Hamburger. 22 Zweitliga-Tore in der Vorsaison, fünf im DFB-Pokal, nun bereits schon wieder vier Treffer in fünf Ligaspielen. Der 28-Jährige ist zweifelsohne ein Stürmer, mit dem man aufsteigen kann.
Das Problem: Sollte dem gebürtigen Münchner etwas passieren, hat der HSV ein riesiges Problem. Es ist kein Geheimnis, dass Sportvorstand Jonas Boldt (40) und Trainer Walter gerne noch eine weitere Sturmalternative verpflichtet hätten, doch das Geld fehlte.
Deshalb heißt es für Fans, Trainer und Sportvorstand: Beten, dass Glatzel gesund bleibt. "Es ist ja so, dass wir in der vergangenen Saison auch 17 verschiedene Torschützen hatten. Es ist nicht so, dass wir nur auf Glatzel angewiesen sind. Natürlich hat er großen Anteil daran, dass wir Tore schießen, aber wir sind sehr flexibel mit der Art, wie wir spielen und mit den Spielern, die wir geholt haben", erklärt Walter und fügte an, nachdem er demonstrativ auf den Tisch klopfte: "Sollte Glatzel ausfallen, was wir nicht wollen und hoffen, werden wir das kompensieren können".
Erste Option als Glatzel-Backup wäre Königsdörffer, der ebenso im Sturmzentrum aushelfen könnte wie Bilbija, doch die beiden Neu-Hamburger haben über einen langen Zeitraum noch nicht nachgewiesen, ähnliche Torjägerqualitäten wie Glatzel zu besitzen. Mit Omar Megeed (17) lauert zudem noch ein vielversprechendes Talent. Doch der Deutschägypter fällt mit einem angebrochenen Mittelfußknochen mehrere Wochen aus.
Trotz der fehlenden Tiefe auf der Mittelstürmer-Position haben sich die Hamburger entschieden, Sturmtalent Robin Meißner an Viktoria Köln zu verleihen. Der 22-Jährige hatte unter Walter-Vorgänger Horst Hrubesch (71) bewiesen, dass er durchaus Zweitliganiveau hat. Unter dem aktuellen HSV-Coach konnte sich Meißner jedoch nicht durchsetzen.
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Bleibt unter dem Strich die Frage: Ist dieser Kader, der bei "transfermarkt.de" mit 36,8 Millionen Euro den höchsten Marktwert hat, wirklich gut genug, um im fünften Anlauf den langersehnten Bundesliga-Aufstieg zu schaffen? Bleiben die Leistungsträger gesund, wäre alles andere als die Rückkehr in die Erste Liga eine herbe Enttäuschung.
HSV auf nahezu allen Positionen doppelt besetzt
Die Achse Heuer Fernandes, Vuskovic/Schonlau, Meffert, Kittel, Glatzel ist für Zweitligaverhältnisse überragend. Lediglich große Verletzungsprobleme könnten dem Walter-Team einen Strich durch die Rechnung machen. Auf nahezu allen Positionen ist der HSV doppelt besetzt. "Jeder meiner Spieler hat unter der Woche die Chance, sich in den Vordergrund zu spielen und sich aufzudrängen. So können und sollen sich alle gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben. Dafür haben wir diesen Kader, mit dem wir sehr zufrieden sind. Wir haben im Sinne des HSV Dinge umgesetzt, die uns voranbringen", bilanziert Walter die Transferaktivitäten seines Vereins.
Der nächste Test für den HSV-Kader: Sonnabend (20.30 Uhr, Sky und im Liveticker auf Abendblatt.de) im Volksparkstadion gegen den Karlsruher SC.