Hamburg. Der Neuzugang spricht über Landsmann Mikelbrencis, seine Träume als 18-Jähriger und das schwierige Geschäft Profifußball.

Kurz vor der wöchentlichen Frage-und-Antwort-Runde am Donnerstag brausten Jean-Luc Dompé (27) und William Mikelbrencis (18) gemeinsam von dannen. Schranke auf, Schranke zu, Feierabend. Am Sonnabend (20.30 Uhr) könnten beide sogar gemeinsam für den HSV gegen den Karlsruher SC auflaufen.

„Wir müssen die Kirche im Dorf lassen“, sagte Trainer Tim Walter kurze Zeit später, als er im Presseraum Platz nahm. Die Frage war, wie er mit Mikelbrencis, dem letzten Neuzugang dieses Transfersommers, planen würde. Behutsam wolle er den Rechtsverteidiger aufbauen, sagte Walter, der mit der Transferphase zufrieden ist. Und damit ist er nicht allein. In seinem ersten Interview als HSV-Profi machte auch Stürmer Jean-Luc Dompé deutlich, dass er glücklich über seinen Wechsel ist.

Hamburger Abendblatt: Monsieur Dompé, an diesem Donnerstag endet die Transferfrist. Sind Sie froh, dass der Zirkus vorbei ist?

Jean-Luc Dompé: Ich bin vor allem froh, dass mein Transfer nicht in letzter Minute über die Bühne gegangen ist. Am Deadline-Day ist es schon stressiger – besonders wenn man auch noch in ein anderes Land wechselt. Ich hatte ja glücklicherweise genügend Zeit, ganz in Ruhe nach Hamburg zu kommen – und fühle mich mittlerweile auch schon wohl. Ich habe sogar schon eine Wohnung gefunden.

Sie wurden wochenlang beim HSV als Neuzugang gehandelt, mussten dann aber doch sehr lange waren, ehe der Aufsichtsrat auch die Gelder freigegeben hatte. Wie schwierig war es für Sie, geduldig zu bleiben?

Dompé: So schwierig war das gar nicht. Ich hatte die ganze Zeit über WhatsApp-Kontakt mit Jonas Boldt und auch mit dem Trainer. Wir haben uns in Englisch geschrieben. Mir wurde die ganze Zeit das Gefühl vermittelt, dass es am Ende klappen würde. Und am Ende hat es ja auch geklappt.

In den vergangenen acht Jahren hatten Sie acht Profistationen. Bereuen Sie irgendeine Station im Nachhinein?

Dompé: Ich bereue nichts. Es gab für alle Wechsel gute Gründe, leider war ich auch viel zu oft verletzt. Aber letztendlich war jede Station für mich eine wertvolle Erfahrung.

2017 waren Sie beispielsweise ein paar Monate in Eupen, wo lange Zeit vor allem Spieler aus Katar oder Afrika eingesetzt wurden. Sie sagten damals, dass Spieler dort nur Spielbälle von Agentennetzwerken seien. Wie meinten Sie das?

Dompé: In Eupen war es tatsächlich keine einfache Situation für mich. Ich wurde für einen Spieler geholt, der den Club verlassen sollte. Dann ist der Spieler geblieben – und plötzlich war mein Wechsel eigentlich überflüssig. Aber so etwas passiert nun mal im Fußball.

Vorher waren Sie bei Standard Lüttich, wo Sie gehen mussten, als auch der sportliche Berater Daniel van Buyten gehen musste. Stimmt es, dass Sie und der frühere HSV-Star eine ganz besondere Beziehung haben?

Dompé: Ja, das stimmt. Daniel hat mich in St. Truiden entdeckt, einem kleinen, belgischen Club – und er hat mir die Möglichkeit gegeben, zum Traditionsverein Standard Lüttich zu wechseln. Eigentlich war Daniel der Erste, der wirklich mein Talent gesehen hat. Ich bin ihm sehr dankbar. Und es ist schon ein wenig kurios, dass ich jetzt zu dem Club gewechselt bin, wo er einst zum großen Star wurde. Die ganze Welt kennt Daniel van Buyten.

Mit 27 Jahren sind Sie jetzt einer der erfahrensten Profis des HSV. Wissen Sie noch, was Sie mit 18 Jahren über den Traum vom Profifußball dachten?

Dompé: Ich hatte den Daniel-van-Buyten-Traum: Auch ich wollte damals bei den größten Clubs der Welt spielen. Davon träumt wahrscheinlich jeder 18-Jährige.

Sie spielten damals für Frankreichs U-20-Nationalmannschaft mit absoluten Superstars wie Thomas Lemar von Atlético Ma­drid oder Presnel Kimpembe von Paris Saint-Germain zusammen. Bereuen Sie knapp zehn Jahre später, dass Ihre Karriere anders verlaufen ist?

Dompé: Im Gegenteil. Ich freue mich sehr für Thomas und Presnel. Wir haben auch immer noch Kontakt. Das Einzige, das ich bereue oder bedauere, ist, dass ich zwischendurch so großes Verletzungspech hatte.

In einem Interview haben Sie vor ein paar Monaten folgenden Satz gesagt: „Ich sah so viele weniger begabte Spieler an mir vorbeiziehen und eine bessere Karriere erreichen, nur durch ihre Ernsthaftigkeit und ihre Arbeit.“ Wie meinten Sie das?

Dompé: Heute weiß ich, was man braucht, um Fußballprofi zu werden. Mit 18 Jahren wusste ich das noch nicht so richtig. Jungs wie Thomas Lemar oder Presnel Kimpembe waren in dem Alter einfach schon weiter als ich. Ich war nicht so fokussiert auf den Fußball, war ein bisschen zu relaxed. Aber man wird ja glücklicherweise älter und reifer (lacht).

Der HSV hat mit William Mikelbrencis gerade einen 18 Jahre jungen Landsmann von Ihnen verpflichtet. Können Sie – auch durch Ihre Erfahrungen – ihm ein wenig unter die Arme greifen und helfen, sich im Profifußball zurechtzufinden?

Dompé: Auf jeden Fall. William ist ab jetzt mein kleiner Bruder. Wir haben heute schon viel miteinander gesprochen. Aber ich muss auch sagen, dass William schon verdammt weit für sein Alter ist. Er weiß, worauf es ankommt.

Worauf?

Dompé: Auf die Einstellung und harte Arbeit. Der Rest wird von alleine kommen.

Fußballer werden immer jünger gehandelt. Ist das nicht auch eine große Gefahr? Wer weiß denn, ob ein 18-Jähriger kein Heimweh bekommt? Ob er sich in einem neuen Land mit einer neuen Sprache direkt wohlfühlt?

Dompé: Fußball ist international. Belgien, Frankreich, Deutschland – am Ende ist der Fußball überall gleich. Und William ist ein junger, schlauer Bursche. Der wird sich schnell adaptieren.

Sie selbst kommen aus keiner Wohlfühloase, sind im Departement 91 in der Nähe von Paris aufgewachsen, einer „ziemlich heißen Nachbarschaft“, wie sie selbst sagten. Hat Ihnen das im Nachhinein sogar geholfen?

Dompé: Ich denke schon. Mein Viertel war keine gute Gegend. Vieler meiner Freunde von damals sind auf die falsche Bahn gekommen. Aber mit drei Geschwistern lernt man dort auch sehr schnell, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin dann ja auch schon mit 19 Jahren ins Ausland gewechselt. Und auch da musste ich lernen, Verantwortung zu übernehmen.

Letzte Frage: Ihr großer Traum war immer die Premier League. Ist man irgendwann zu alt zum Träumen, oder bleibt dieser Traum für immer jung?

Dompé: Die Premier League hat mich schon immer fasziniert. Und wer weiß schon, was in drei oder vier Jahren passiert? Jetzt gilt mein voller Fokus dem HSV. Ich bin sehr froh, hier zu sein. Aber: Zum Träumen ist man nie zu alt.