Hamburg. HSV-Kontrolleure lehnen hohe sechsstellige Summe für fristlos entlassenen Sportdirektor Michael Mutzel ab. Prozess verschoben.

In Saal 319 am Arbeitsgericht Barmbek war für diesen Donnerstag um 13 Uhr alles vorbereitet: Der HSV gegen Ex-HSV-Sportdirektor Michael Mutzel. Im ersten Gütetermin sollte das Arbeitsgericht entscheiden, ob es möglicherweise doch noch eine außergerichtliche Einigung zwischen den beiden Parteien geben könnte – oder eben nicht.

Zur Erinnerung: Sportvorstand Jonas Boldt hatte Mutzel im Juli zunächst nur degradiert, dann freigestellt und schließlich sogar entlassen. Einmal trafen sich der Sportvorstand und der Sportdirektor bereits vor Gericht, wo Mutzel Recht zugesprochen wurde, weitere Male werden folgen. Doch seit Montagvormittag ist vorerst nur klar: Mutzel und der HSV müssen sich gedulden. Der nächste Showdown vor Gericht wurde verlegt – auf den 15. September.

HSV-Aufsichtsrat lehnt Mutzel-Vergleich ab

Ob der nun neu angesetzte Gütetermin zu einer außergerichtlichen Lösung aber überhaupt noch Sinn hat, darf spätestens seit vorvergangenem Freitag bezweifelt werden. Da tagte der HSV-Aufsichtsrat – und der lehnte nach Abendblatt-Informationen einen zuvor ausgehandelten Vergleich zwischen den Anwälten ab.

Zwischen 600.000 und 800.000 Euro sollte Mutzel erhalten. Dessen (inzwischen fristlos gekündigter) Vertrag läuft theoretisch 2023 aus, soll aber praktisch vor Gericht entfristet werden. Der von Sportvorstand Boldt extern engagierte Jurist und Mutzels Anwalt hatten sich auf diese Summe geeinigt. Doch weil alle Ausgaben über 250.000 Euro durch das Kontrollgremium zustimmungspflichtig sind, musste der Aufsichtsrat diesen Deal noch absegnen, legte nun aber sein Veto ein.

Der Hintergrund: Eine gütliche Einigung zwischen dem HSV und Mutzel hätte Vor- und Nachteile zugleich gehabt. Der Vorteil: Durch eine Vereinbarung hätte man verhindern können, dass das Thema medial weiter behandelt wird. Beim ersten Treffen vor Gericht am 26. Juli waren zahlreiche Medienvertreter anwesend, der Imageschaden für den HSV war immens.

HSV hofft auf neuen Job für Mutzel

Der Nachteil der ausgehandelten Einigung: Eine außerplanmäßige Sofortausgabe in Höhe von bis zu 800.000 Euro hätte die Liquidität des HSV ernsthaft belastet. Deswegen haben sich die Kontrolleure entschieden, bei einer Niederlage vor Gericht vorerst weiter Mutzels Gehalt in Höhe von 27.896 Euro pro Monat zu zahlen und zu hoffen, dass früher oder später ein anderer Club Mutzel ein Angebot macht und der Vertrag dann gütlich aufgelöst werden kann. Ähnlich lief es bei Ex-Trainer Daniel Thioune, dessen HSV-Vertrag erst nach dem Angebot von Fortuna Düsseldorf aufgelöst wurde.

Der Unterschied zu Thioune: Während der Ex-Coach mit warmen Worten verabschiedet wurde, ist Mutzel mittlerweile sogar fristlos entlassen. Öffentlich kommuniziert wurde diese Entscheidung allerdings nicht. Sportvorstand Boldt hatte sich zu diesem drastischen Schritt entschieden, nachdem das Arbeitsgericht Barmbek bereits die Freistellung Mutzels als nicht rechtens kassiert hatte.

HSV kann gegen Mutzel gar nicht gewinnen

Der Hamburger Arbeits- und Sportrechtler Kolja Hein, den das Abendblatt bereits vor dem ersten Prozess befragte, glaubt allerdings nicht, dass die Taktik des HSV aufgehen kann. „Man muss einen Grund haben, um eine fristlose Kündigung auszusprechen“, sagt der 36-Jährige im Podcast „HSV – wir müssen reden“. Hein geht sogar noch einen Schritt weiter: „Es ist ein ungewinnbarer Prozess für den HSV. Da wird kein Blumentopf zu holen sein.“

Hauptgrund hierfür sei die unzureichende HSV-Begründung vor Gericht, warum Mutzel beurlaubt werden sollte. So wurde zum einen bemängelt, dass Mutzel seinen Outlook-Kalender nicht mit Boldt teilen wollte, zum anderen habe er nach der Niederlage gegen Kiel bei einer wichtigen Mannschaftssitzung gefehlt. Darüber hinaus führte der Anwalt des Zweitligaclubs an, dass Mutzel die sportliche Situation in der vergangenen Saison nutzen wollte, um sich durch die Nähe zu Vorstand Thomas Wüstefeld als Nachfolger von Boldt in Position zu bringen.

In der Urteilsbegründung stellte aber das Gericht fest, dass „ keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien“ erkennbar seien, „weil allein interne Abstimmungsschwierigkeiten und die Verweigerung der Teilung des Outlook-Kalenders hierfür nicht genügten“.

Jurist stützt Mutzel im HSV-Prozess

Beispiel Mannschaftssitzung: Nach der 0:1-Niederlage in Kiel am 29. Spieltag kam es zu einer denkwürdigen Besprechung, auf der Sportvorstand Boldt eine flammende Rede hielt und sich gemeinsam mit dem Team und den Trainern auf den Saisonendspurt einstimmte. Das Motto: Wir gegen alle. Und tatsächlich: Der HSV gewann die letzten fünf Saisonspiele und schaffte so doch noch die Qualifikation zur Relegation. „Als wir uns alle, vom Zeugwart bis zum Cheftrainer, auf einen Weg eingeschworen haben, ist einer nicht mehr da gewesen “, sagte Boldt später in einer Medienrunde, als er erklärte, warum er Mutzel degradiert habe.

Der Arbeits- und Sportrechtler Kolja Hein (36) glaubt, dass der HSV im Prozess gegen Michael Mutzel keine Chance hat.
Der Arbeits- und Sportrechtler Kolja Hein (36) glaubt, dass der HSV im Prozess gegen Michael Mutzel keine Chance hat. © HA

Nach Abendblatt-Informationen soll Mutzel allerdings bei der Besprechung, die anders als üblich drei statt zwei Tage nach dem Spiel stattfand, gefehlt haben, weil er gleichzeitig einen wichtigen Beratertermin hatte. Bei nahezu allen Mannschaftsbesprechungen davor und danach soll Mutzel dagegen anwesend gewesen sein. Auf Anfrage des Abendblatts ließ Mutzel lediglich ausrichten, dass er sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht äußern könne.

Für Jurist Hein, der vor einem Jahr gegen Marcell Jansen als Präsidentschaftskandidat antreten wollte, vom Beirat aber nicht zugelassen wurde, ist die Sachlage ohnehin klar: „Selbst eine Abmahnung hätte rechtlich keinen Bestand. Der HSV bewegt sich auf dünnem Eis, auf dünnem Glatteis.“ Er geht von einem klaren Erfolg vor Gericht für Michael Mutzel in allen Belangen aus: „Herr Mutzel wird gewinnen.“ Mehr noch: Aus Heins juristischer Sicht, sollte Mutzels Anwalt sogar darauf drängen, seinen möglicherweise ramponierten Ruf wieder herzustellen. „Mutzels Prozessvertreter sollte den Antrag stellen, dass der Club sich bei ihm entschuldigen soll“, sagt Hein. Fortsetzung folgt – voraussichtlich am 15. September.