Hamburg. Durch den Onana-Wechsel kassiert der HSV mehrere Millionen. Was daraus wird, darüber sind sich Wüstefeld und Boldt mal wieder uneinig.

Der Leiter des Ferien-Fußball-Camps, der mit seinen Schülern am Donnerstag zum HSV-Training kam, war sich mit seiner Prognose sicher. „Holt euch alle ein Autogramm von Königsdörffer. Der ist für 1,2 Millionen Euro aus Dresden gekommen. In zwei Jahren wechselt er für zehn Millionen Euro“, rief der Trainer zu den Kindern, die daraufhin alle zu Ransford Königsdörffer liefen. Der HSV-Stürmer kam aus dem Autogramme schreiben gar nicht mehr heraus. Ob der 20-Jährige den Hamburgern in zwei Jahren tatsächlich mal eine hohe Ablösesumme einbringen könnte, ist noch Zukunftsmusik.

In jedem Fall würde der HSV dann ein ähnliches Geschäft machen, wie es sich aktuell mit dem ebenfalls 20 Jahre jungen Amadou Onana andeutet. Am Mittwoch wurde zunächst in Frankreich berichtet, dass der Belgier, der im vergangenen Jahr für sieben Millionen Euro vom HSV zu OSC Lille gewechselt war, vor einem Transfer zum englischen Premier-League-Club West Ham United steht. Später am Abend wurde dann bekannt, dass Onana nicht nach London gehen wird. „Amadou will nach Everton“, sagte seine Schwester Melissa Onana, gleichzeitig die Beraterin, dem Abendblatt.

Auch der FC Everton soll Lille ein ähnliches Angebot gemacht haben wie West Ham. Im Gespräch ist eine Ablöse von rund 35 bis 40 Millionen Euro. Der HSV würde 20 Prozent des Transfergewinns erhalten. Das dürften mindestens fünf Millionen Euro werden, womöglich noch mehr. Eine Menge Geld, die der Club mehr als gut gebrauchen kann.

Holt der HSV Dompé von den Onana-Millionen?

Der Deal mit Lille wurde vor einem Jahr im Zusammenspiel von Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel abgewickelt. Es war die Zeit, in der die beiden bei Transfergeschäften noch harmonierten. Mittlerweile wurde Mutzel im Zuge des Vorstandsstreits zwischen Boldt und Thomas Wüstefeld freigestellt. Das Arbeitsgericht erklärte die Freistellung wiederum für unwirksam. An der komplizierten Situation im Volkspark hat sich deswegen aber nichts verändert. Bei der Frage, was mit den bevorstehenden Onana-Millionen passiert, gibt es wie bei so vielen Themen unterschiedliche Ideen.

Während Boldt den Kader auch auf dringenden Wunsch von Trainer Tim Walter weiter verstärken will, tendiert Wüs­tefeld dazu, den Großteil des Geldes zu nutzen, um die Sanierung des Stadions voranzutreiben. „Uns fehlen Außenbahnspieler“, sagte Trainer Walter am Donnerstag. Jean-Luc Dompé (26/Zulte Waregem) gilt weiter als Wunschlösung. Bis zum 1. September hätte der HSV noch Zeit, auf dem Transfermarkt zuzuschlagen.

Schnell, trickreich und wendig: Wechselt Jean-Luc Dompé zum HSV?
Schnell, trickreich und wendig: Wechselt Jean-Luc Dompé zum HSV? © Imago / Belga

HSV-Transfers dank Onana? Wüstefeld hat andere Pläne

Wüstefeld, der seit Donnerstag im Urlaub ist, hat seine Meinung zu den Wünschen des Sports am Dienstag deutlich formuliert. „Ich habe ein klares Ziel, und das lautet, die Finanzierung der Stadionsanierung zu sichern. Wenn die geregelt ist, kann man sich um die anderen Themen kümmern. Dann können wir gucken, ob wir mit Geldern, die wir erwirtschaften, noch einmal in die Verstärkung des Kaders gehen.“

Und genau dieses Geld steht dem HSV durch den Onana-Transfer kurz bevor. Boldt und Wüstefeld haben sich darauf verständigt, erst nach einem Vertragsabschluss zu entscheiden, was mit dem Geld passiert. Die gesamten Einnahmen wieder in den Kader zu stecken, ist für Wüstefeld aber keine Option. „Wir haben die meisten Investitionen in der Zweiten Liga getätigt“, sagte er. „Wir haben mehr als zehn Millionen für den Kader ausgegeben. Nach meiner Kenntnis haben wir kurz vor Hannover 96 den höchsten Haushalt. Wenn es Bedürfnisse gibt und die Finanzierung gesichert ist, dann können wir wieder gucken, ob wir in Neuverpflichtungen investieren.“

Wüstefeld hatte in einer Medienrunde am Dienstag ein dramatisches Bild des finanziellen Zustands der HSV Fußball AG gezeichnet. Nur durch eine Neuverschuldung von 20 Millionen Euro könne der Club die notwendigen Baukosten im Volksparkstadion bezahlen. Wüstefeld hat ein gesichertes Finanzierungsmodell für das Ende der kommenden Woche angekündigt. Es geht um ein Darlehensmodell mit mehreren Bürgen. Einer von ihnen soll der neue Aufsichtsrat Detlef Dinsel sein. Wer noch daran beteiligt ist, ließ Wüstefeld bisher offen.

Wie schlimm steht es um die HSV-Finanzen?

Klar ist, dass die Stadt dem HSV bei einer direkten Finanzierung nicht noch einmal helfen würde. Sie hatte dem Club vor zwei Jahren das Stadiongrundstück für 23,5 Millionen Euro abgekauft. Gleichzeitig verpflichtete sich der HSV, die Kosten für die notwendige Stadionsanierung für die Europameisterschaft 2024 selbst zu tragen. Der Hamburger Zweitligist könnte von der Stadt somit höchstens flankierende Maßnahmen als weitere Hilfe erwarten – mehr aber nicht.

Wie ernst aber ist es um die wirtschaftliche Situation des HSV wirklich bestellt? Nach der Ankündigung der ersten schwarzen Null seit elf Jahren ist nach Abendblatt-Informationen auch die aktuelle Saison komplett durchfinanziert. Beim Zuschauerschnitt hat sich der HSV durch das ausverkaufte Spiel gegen Hansa Rostock direkt an die Ligaspitze gesetzt. Auch für das Spiel gegen den FC Heidenheim am Sonnabend (13 Uhr) sind bereits 40.500 Karten verkauft.

Zum Vergleich: Beim ersten Heidenheim-Heimspiel der HSV-Zweitligahistorie kamen vor vier Jahren – ebenfalls an einem Sonnabend zur Mittagszeit – 45.379 Fans. Bei der Budgetplanung für die Saison können sich die Hamburger also auch im fünften Jahr in der Zweiten Liga noch immer auf den Zuspruch der Zuschauer verlassen.

HSV steht vor Millionen-Rückzahlungen

Die größte Sorge bleibt weiterhin die Sanierung des Stadions, insbesondere der Austausch der Dachmembran, der bis Ende des kommenden Jahres abgeschlossen sein muss. Klar ist, dass der HSV eine Fremdfinanzierung tätigen wird. Bankkredite sind für die Hamburger aber nichts Neues. Wüstefeld will nach den Erfahrungen des Stadiondeals, als der HSV das gesamte Geld für das operative Geschäft nutzte, in jedem Fall eine zweckgebundene Finanzierung tätigen.

„Es wird eine ganz klare Mittelverwendung sein. Nicht dass man wieder Gefahr läuft, dass es operativ irgendwo reinfließt. Diese Mittel sind ganz klar zweckgebunden für die Sanierung des Volksparks“, sagte Wüstefeld über seine aktuellen Pläne, die er bis zum Freitag in einer Woche fixieren will.

Wüstefelds Sparplan hat innerhalb des HSV für viel Wirbel gesorgt. Dass der Club sparen muss, sollte im Volkspark aber eigentlich auch jeder wissen. Zumindest laufen die Tilgungen der Anleihen planmäßig. 2026 muss der HSV nicht nur die Fananleihe aus dem Jahr 2019 (17,5 Millionen Euro) zurückzahlen, sondern auch das Schuldscheindarlehen von 2016.

HSV meint, Liquidität im Griff zu haben

Der HSV hatte vor sechs Jahren 40 Millionen Euro bei privaten Anlegern und Investoren eingesammelt, um die Restkosten für das Volksparkstadion später zu bezahlen. 24 Millionen Euro hat der Club davon bereits getilgt. Vier Jahre hat der HSV noch Zeit, die restlichen 16 Millionen Euro zurückzuzahlen. Dann hätten die Hamburger aber auch das Stadion endgültig komplett abbezahlt.

Sorgen vor Liquiditätsengpässen muss der HSV trotz der Sanierungsproblematik aber nicht haben. Im Lagebericht des abgelaufenen Geschäftsjahres hieß es: „Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Lageberichts sind dem Vorstand der Gesellschaft keine bestandsgefährdenden Risiken bekannt oder absehbar, die ein über das allgemeine Geschäftsrisiko hinausgehendes Risiko darstellen und als solche die Fortführung des HSV bedrohen könnten.“

Das hat sich bis heute nicht geändert. Der Club sollte nur eines nicht vergessen: sparen.