Hamburg. Der HSV muss bei der Stadionsanierung neben EM-Vorgaben eine Bezirksauflage erfüllen. Was der Wind damit zu tun hat.

Der HSV hatte am Mittwoch eine gute Nachricht zu verkünden. Die Marke von 50.000 verkauften Karten für das erste Heimspiel der Saison am Sonntag (13.30 Uhr) gegen Hansa Rostock wurde durchbrochen. Trotz des vierten verpassten Aufstiegs in Folge haben die Fans noch immer Lust auf den HSV. Zuvor waren bereits alle Logen für das Stadion ausverkauft. Rund 1,5 Millionen Euro nimmt der Club am Sonntag durch seine Zuschauer ein. Eine Summe, die der HSV mehr als gut gebrauchen kann.

Während die Stimmung im Stadion am Sonntag wieder erstklassig sein dürfte, macht die marode Arena den Verantwortlichen weiterhin Sorgen. Nachdem HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld im Sportausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft vor zwei Wochen bereits ein düsteres Bild über den Sanierungsbedarf des Volksparkstadions zeichnete, wurde nun ein weiteres Problem bekannt.

Die „Sportbild“ berichtete am Mittwoch, dass die Sanierung der Dachmembran aufgrund einer geänderten Schneelastklasse in der Landesbau-Verordnung bis Ende 2023 durchgeführt werden müsse, ansonsten könnte das zuständige Bezirksamt Altona das Stadion schließen und den Spielbetrieb einstellen. Auf Abendblatt-Nachfrage teilte die Behörde am Mittwoch mit, dass der HSV bereits die ersten Schritte eingeleitet hat. „Die Anträge liegen dem Bezirksamt vor und werden bearbeitet. Aktuell sieht der Zeitplan vor, dass die Arbeiten bis Ende 2023 abgeschlossen sein werden“, sagte Bezirksamtssprecher Mike Schlink.

HSV-Stadion: Das Problem bei Sturm und Schnee

Die Änderung in der Verordnung erfolgte bereits vor einem Jahr. Der damalige Finanzvorstand Frank Wettstein wusste zu diesem Zeitpunkt schon lange, dass die Dachmembran irgendwann gemacht werden müsse. Jährliche Prüfungen gaben dem Vorstand aber immer die Möglichkeit, die Bauarbeiten in die Zukunft zu schieben. Das änderte sich 2021.

„Bei einer Kontrolle im vergangenen Jahr wurde schließlich festgestellt, dass die Dachmembran erneuert werden muss, damit diese auch fordernden Witterungsbedingungen standhält. Das Hauptproblem für die Arena stellen dabei Stürme mit einer Stärke über Windstärke 8 in Verbindung mit starkem Schneefall dar“, sagt Schlink.

Ein Szenario, zu dem es in Hamburg allerdings eher selten kommt. „Das könnte an maximal zwei Tagen im Jahr der Fall sein“, sagt Wetterexperte Dominik Jung von wetter.net dem Abendblatt.

HSV-Heimspiel wird bei Sturm abgesagt

Was bislang nicht bekannt war: Bis die Arbeiten abgeschlossen sind, muss der HSV schon jetzt 48 und 24 Stunden vor jedem Heimspiel die Windvorhersagen prüfen. Schlink erklärt: „Wenn die Vorhersage eine mittlere Windgeschwindigkeit von 9 Bf (Beaufort) oder eine Böenwindgeschwindigkeit von 11 Bf vorhersagt, wird die Veranstaltung abgesagt. Die Bauprüfabteilung bekommt vor jedem Veranstaltungstag eine entsprechende Meldung des HSV per Mail.“

Ein solcher starker Sturm kommt in Hamburg zwar nur selten vor, gänzlich auszuschließen ist er aber nicht. „Das sind orkanartige Böen, die in Hamburg an maximal acht bis zehn Tagen im Jahr vorkommen“, sagt Wetterexperte Jung.

HSV-Stadion: Aufträge für Sanierung stehen weiter aus

Laut „Sportbild“ sollen die Kosten für den Austausch der Dachmembran bei 12 bis 14 Millionen Euro liegen. Diese Zahl dürfte allerdings nur geschätzt sein. Vor einem Jahr war noch von vier Millionen Euro die Rede. Ohne Kostenvoranschläge sind die Handwerkerpreise in diesen Zeiten ohnehin schwer zu prognostizieren. Nach Abendblatt-Informationen wurden bislang auch noch keine Aufträge für die verschiedenen Arbeiten am maroden Stadion vergeben.

Viel Zeit hat der Club nicht mehr. Die für die Europameisterschaft 2024 notwendige Sanierung des Stadions soll im November in der spielfreien WM-Zeit beginnen. Bei einem Treffen mit der Uefa vor einem Monat hatte sich der HSV mit dem europäischen Fußballverband darauf verständigt, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Dabei geht es um die Sanitäranlagen und die Klimatechnik. Andreas Schär, Geschäftsführer der Europameisterschaft 2024, sagte hinterher: „Die Uefa EURO 2024 wird auf jeden Fall in Hamburg stattfinden.“

Um das Volksparkstadion darüber hinaus für die Zukunft zu renovieren, stehen noch weitere Modernisierungsmaßnahmen an. Dabei geht es um das Flutlicht, die Beschallungsanlage oder die Elektrik. Wüstefeld sprach bis zuletzt von 30 bis 40 Millionen Euro Kosten, die auf den HSV zukommen. Die 23,5 Millionen Euro, die der Club im Zuge des Grundstücksverkaufs von der Stadt erhalten hatte, sind in den operativen Betrieb geflossen, um die Corona-Ausfälle auszugleichen.

Marodes HSV-Stadion: Wer hat Schuld?

Der Sanierungsfall Volksparkstadion wird innerhalb des Clubs zunehmend zum Politikum. Im Machtkampf zwischen den Vorständen Wüstefeld und Jonas Boldt geht es auch um die Schuldfrage. Die Arbeiten am Stadion hätten viel früher beginnen müssen, heißt es auf der einen Seite. Wüstefeld, der im Januar vom Aufsichtsrat in den Vorstand rückte, kannte wiederum die Verträge und hätte ebenfalls schon Anfang des Jahres Schritte einleiten können, meint die andere Seite.

Auf der Geschäftsstelle sorgt die Finanzsituation für schlechte Stimmung. Noch immer seien die Budgets für das neue Geschäftsjahr nicht freigegeben worden, heißt es. Der Aufsichtsrat wiederum wartet weiterhin auf die Finanzpläne des Vorstandes und hat nun erst einmal einen Ausgabenstopp herbeigeführt, der auch für Transfers gilt.

Daher muss Trainer Tim Walter auch auf einen weiteren Stürmer warten. „Vielleicht ändert sich das ja noch. Es ist ja noch Zeit bis Transferschluss“, sagte Walter am Mittwoch. „Wenn noch aus anderen Quellen Geld herkommt, wäre das nicht schlecht. Es ist klar, dass man immer Spieler gebrauchen kann, die uns in der Spitze verbessern“, so Walter.

Sicher ist, dass der HSV neue Kredite aufnehmen muss, um Finanzierungen für die Stadionsanierung zu tätigen – angesichts der gestiegenen Zinsen ein schlechter Zeitpunkt. Da passt es zumindest gut, dass die Hamburger mit einem Sieg in die neue Zweitligasaison gestartet sind. Und noch eine gute Nachricht zum Abschluss: Laut Wettervorhersage werden es am Sonntag in Hamburg 26 Grad bei geringer Windstärke. Stürmisch soll es dann gegen Rostock vor mehr als 50.000 Zuschauern nur in der Offensive des HSV zugehen.