Der Erfolgstrainer glaubt trotz des kleinen Hamburger Aufschwungs eher an einen Sieg der Bremer. Van der Vaart droht im Nordderby die Bank, Lasogga soll dagegen spielen. Rincon kann „wieder richtig zubeißen.“

Hamburg. Zweiter gegen Dritter - das 100. Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV ist noch immer eine große Nummer. Allerdings nur auf dem Papier. Das Duell der beiden einstigen Schwergewichte, in der ewigen Bundesliga-Tabelle noch immer erste „Verfolger“ von Bayern München, ist längst zum nacktem Existenzkampf verkommen.

„Die eigentliche Brisanz des Duells ergibt sich aus der Tabellensituation“, sagte HSV-Trainer Mirko Slomka. Der Hoffnungsträger kann in dem richtungweisenden Spiel auf seinen angeschlagenen Torjäger Pierre-Michel Lasogga zählen, der am Freitag eine zusätzliche Motivationsspritze bekam. Bundestainer Joachim Löw nominierte den Shootingstar für das Länderspiel am kommenden Mittwoch gegen Chile. Die hartnäckigen Rückenschmerzen sind da schnell vergessen. „Alles ist gut“, sagte Lasogga vor dem Duell am Sonnabend (15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de). Dafür droht Kapitän Rafael van der Vaart in dem emotionalen Prestigeduell die Bank.

14. gegen 16., Harmlos-Sturm gegen Schießbude der Liga - mehr Abstiegskampf geht nicht. „Wir müssen auf dem Platz kühlen Kopf bewahren und unsere Emotionen unter Kontrolle behalten“, sagte Werder-Trainer Robin Dutt, dessen Team sich schon dreimal in dieser Saison durch Platzverweise schwächte. Gegen den HSV will Werder endlich den ersten Sieg des Jahres einfahren.

Die Chancen dazu stehen nicht schlecht - glaubt zumindest Ottmar Hitzfeld. Der Trainer der Schweizer Nationalmannschaft sagte bei Sky: „Ich glaube, dass der HSV wieder lebt. Der Sieg gegen den BVB hat sicher Kräfte freigesetzt. Man hat gut gespielt und glaubt wieder an sich. Werder hat allerdings den Heimvorteil und steht in der Tabelle vor den Hamburgern. Deswegen sehe ich die Bremer psychologisch leicht im Vorteil.“

Arm wie zwei Kirchenmäuse

Beide Klubs wirken Lichtjahre von den Meriten der Vergangenheit entfernt. Kaum jemand mag glauben, dass die großen Duelle im Halbfinale des Uefa-Cups und des DFB-Pokals nur fünf Jahre her sind. „Uns fehlen im Etat 25 Millionen Euro aus dem internationalen Geschäft“, klagt Werder-Klubboss Klaus Filbry heute: „Wir müssen weiter den Spagat zwischen einem wirtschaftlichen Konsolidierungskurs und sportlicher Leistungsfähigkeit bewältigen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

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Die finanzielle Situation ist dabei sogar noch besser als beim klammen HSV, den Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 100 Millionen Euro belasten. Eine wirksame Strategie, wie der HSV dauerhaft gegen wirtschaftlich potente Konkurrenten wie Wolfsburg oder Hoffenheim bestehen will, wurde bisher nicht aufgetan. Der Klub setzt auf die Strukturreform HSVPlus, die ab Sommer die Einbindung von Investoren möglich machen könnte. Doch die kann nur beim Ligaverbleib umgesetzt werden.

Rincon kann wieder zubeißen

Noch stehen die „Rothosen“ auf dem Relegationsplatz und haben einen Rückstand von drei Punkten auf Werder. „Ausruhen ist absolut verboten. Auch für die Mitarbeiter“, sagte Slomka daher. Mit zahlreichen Umstellungen beim 3:0 gegen Borussia Dortmund hat er immerhin für den ersten Sieg nach sieben Liga-Pleiten in Serie gesorgt und damit einen Stimmungsumschwung an der Elbe geschafft.

„Wir sind bereit für die Grünen“, kündigte auch Hamburgs Mittelfeld-Kämpfer Tomás Rincón an, der im Hinspiel einen Kieferbruch erlitten hatte. „Ich habe noch ein paar Schrauben im Kiefer, aber die bereiten mir keine Probleme. Ich kann wieder richtig zubeißen“, sagte der Venezolaner. Doch Werder will sich von der breiten HSV-Brust nicht einschüchtern lassen. „Es wird Zeit für Punkte“, entgegnete Kapitän Clemens Fritz, der nach Leistenproblemen wieder fit ist: „Wir werden alles für einen Derby-Sieg tun.“

Die Klubbosse nahmen vor dem Duell nicht nur ihre Profis, sondern auch die rivalisierenden Fans der Nordlichter in die Pflicht. „Keine Pyros, keine Gewalt. Es wäre ein erster Sieg für beide Klubs, wenn es weder bei An- und Abreise noch im Stadion zu irgendwelchen Problemen kommt“, sagte HSV-Vorstandschef Carl Jarchow. Nur auf dem Platz soll es krachen.